Die Lage auf dem Ausbildungsmarkt hat sich aus Sicht des Deutschen Industrie- und Handelskammertages noch einmal verschärft. „Die Bewerbersituation spitzt sich zu“, sagte der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks am Donnerstag in Berlin. Das könne man beschreiben mit dem Satz: „Ausbildungsplatz sucht Azubi.“
Noch nie sei es für Betriebe schwieriger gewesen, geeignete Azubis zu finden. Der DIHK sprach von alarmierenden Ergebnissen einer Erhebung unter bundesweit rund 15.000 Ausbildungsbetrieben. 42 Prozent aller IHK-Ausbildungsbetriebe konnten im vergangenen Jahr nicht alle angebotenen Ausbildungsplätze besetzen – ein Anstieg um 10 Prozentpunkte gegenüber dem letzten Befragungszeitpunkt 2018. Dies sei ein Allzeithoch.
Der Bereich Transport und Logistik verzeichnete sogar einen Zuwachs von 14 Prozentpunkten: Hatte hier der Anteil der Firmen, die nicht für alle offenen Stellen Azubis finden konnten, im Jahr 2018 noch bei 40 Prozent gelegen, betrug er 2021 bereits 54 Prozent.
36 Prozent der Befragten hat keine einzige Bewerbung erreicht
Als Grund für die Nichtbesetzung von Ausbildungsplätzen wird immer häufiger das komplette Ausbleiben von Bewerbungen genannt: Das galt 2021 für 36 Prozent der Fälle, 2018 „nur“ für 30 Prozent. Dies bedeute einen Anstieg auf 27.000 Ausbildungsbetriebe. Durch Corona-bedingte Einschränkungen seien Berufsorientierung, Berufsberatung und Ausbildungsplatzsuche weiterhin erheblich erschwert. Dazu komme die demografische Entwicklung.
Viele Ausbildungsunternehmen reagieren auf den Mangel an Bewerbern, indem sie versuchen, ihre Ausbildung attraktiver zu gestalten. Die Mehrheit der Befragten setzt demnach auf flache Hierarchien (58 Prozent) oder moderne IT-Technik (51 Prozent). Weitere häufig genannte Ansätze zur zeitgemäßen Gestaltung sind der Einstellungsprozess und finanzielle Anreize (je 37 Prozent), neue Lehr- und Lernkonzepte (27 Prozent), Projekte für Azubis (26 Prozent) oder Mentorenprogramme (18 Prozent).
Noch ein Ergebnis der Erhebung: Mehr als 80 Prozent der befragten Unternehmen lehnen eine Ausbildungsgarantie auf Wunschberufe ab. Sie haben Sorge vor einer deutlichen Zunahme außerbetrieblich Qualifizierter. Diese entsprechen häufig nicht dem Bedarf der Praxis. Darüber hinaus fürchten die Betriebe, dann noch weniger Bewerbungen für ihre Ausbildungsplätze zu erhalten.
Deutsche Bahn bildet positive Ausnahme
Eine positive Entwicklung konnte hingegen die Deutsche Bahn (DB) verzeichnen. Nach Angaben des Unternehmens haben sich so viele junge Menschen wie nie für das neue Ausbildungsjahr beworben. 115.000 Bewerbungen seien eingegangen und damit 15 Prozent mehr als vor zwei Jahren. Insgesamt 5200 Nachwuchskräfte sollen in diesem Jahr im DB-Konzern mit ihrer Ausbildung, ihrem Studium oder einer Qualifizierung beginnen – was ebenfalls ein Rekord sei.
Verantwortlich für die gute Bilanz sei neben dem positiven Arbeitgeberimage auch eine „innovative und kreative Personalgewinnung“, betonte DB-Personalvorstand Martin Seiler. Auf Schülergruppen spezialisierte Recruiter würden ständig neue Maßnahmen entwickeln, um den Nachwuchs zu erreichen. So gebe es etwa auf den für die Zielgruppe relevanten Social-Media-Kanälen Einblicke in die DB-Berufswelt.
Das Unternehmen habe zudem bereits 2018 Anschreiben für Ausbildungsplätze abgeschafft, um die Bewerbung einfacher zu machen. Aber trotz steigender Bewerberzahlen sei es auch für die Bahn schwierig, alle Stellen zu besetzen. In einzelnen Bereichen gibt es nach Angaben des Konzerns noch freie Ausbildungsplätze, etwa für die Berufe Fahrdienstleiter und Gleisbauer. Die DB bietet insgesamt rund 50 Ausbildungsberufe und 25 duale Studiengänge an. (sn/dpa)