Umsatz im Sinkflug? Diese Maßnahmen helfen Speditionen aus der Krise

Jahrzehntelang läuft bei Spedition A. alles rund. Der mittelständische Betrieb mit 100 Mitarbeitern und 60 Lkw erzielt jedes Jahr eine Umsatzrendite von über sieben Prozent - dank der Führung durch den engagierten Inhaber. Das Angebot reicht vom Güternah- und Fernverkehr bis hin zu Kontrakt- und Lagerlogistik. Dann allerdings kommt der Doppelschlag: Erst steigt die Maut, dann geht die Konjunktur in die Knie, und plötzlich sinkt die Umsatzrendite erstmals unter die Sieben-Prozent-Marke. Der Spediteur merkt: Wenn er jetzt nicht handelt, ist die Wirtschaftlichkeit ernsthaft in Gefahr. Solche Fälle sieht Timo Achenbach von "Die Speditionsberater", Münzenberg, täglich. "Der erste Schritt in so einem Fall ist, möglichst schnell die Erlössituation zu verbessern", betont der Unternehmensberater. Das bedeute, die Preise zu erhöhen - "aber selektiv". Dafür muss zunächst eine Kundenliste erstellt werden, in der Auftragsmenge und erwirtschafteter Deckungsbeitrag verzeichnet sind. Dann sollten die Preise angepasst werden - nach der einfachen Regel: Wichtige Kunden, die viel zum Erlös beitragen, erhalten weiter die alte Rate, bei allen anderen geht der Preis nach oben. "Wenn ein Kunde mit geringem Volumen einen Deckungsbeitrag unter zehn Prozent einbringt, muss der Preis um fünf bis zehn Prozent rauf", nennt Achenbach als Beispiel. Auch auf Relationen oder in Regionen, wo wenig Geld verdient wird, sollte der Spediteur die Preise erhöhen. "Das Ziel muss sein, bei jedem durchgeführten Transport einen positiven Deckungsbeitrag zu erwirtschaften", betont Ronny Baar, Geschäftsführer von ABG Consulting-Partner in Dresden. Die Unternehmensberatung ist auf Sanierung beziehungsweise Restrukturierung spezialisiert und hat häufig mit Transportbetrieben zu tun. Baar rät Unternehmern dazu, ständig die aktuellen(!) Deckungsbeiträge im Blick zu behalten. Heißt: Wenn von der Frachtrate die variablen Kosten wie Diesel und Maut abgezogen werden, müssen noch anteilig die Fixkosten abgedeckt sein (mehr dazu in VR 19/2025 im Teil 1 der Serie). Macht der Betrieb mit einer oder mehreren Touren Minus, besteht Handlungsbedarf. Typisch für eine Krisensituation ist auch zurückgehende Liquidität. Immer häufiger fehlen die Mittel, um die laufenden Rechnungen zu bezahlen oder Löhne vorzufinanzieren. In dieser Lage muss dringend Geld her. Bewährte Maßnahmen sind das Auflösen von stillen Reserven und ein Teilverkauf des Fuhrparks. "Das kann sinnvoll sein, wenn zu erwarten ist, dass sich das Geschäft mit einem Kunden wieder erholt", so Baar. Zusätzlicher Vorteil: Wird der Fuhrpark verkleinert, fallen unter Umständen auch die Kosten für Werkstatt oder Waschhalle weg. Auslastungsquoten berechnen Parallel zur Ertragsseite muss an den operativen Kosten gearbeitet werden. "Auch hier sollten Sie zunächst Transparenz reinbringen", rät Achenbach. Falls noch nicht vorhanden, sollte eine detaillierte Tourenergebnisrechnung erstellt werden. Wie gut wurden die Lenkzeiten ausgeschöpft? Wie war das Verhältnis von Last- zu Leerfahrten? Wurde das Ladegefäß optimal ausgenutzt? Zu all diesen Faktoren sollten Auslastungsquoten ermittelt werden, da sich so die Optimierungsmöglichkeiten besser erkennen lassen. Wird die Lenkzeit zum Beispiel nur zu 80 Prozent ausgeschöpft, bietet sich an, die verbleibende Zeit mit kurzen Touren zu füllen. Bleibt der Platz auf dem Auflieger zu 20 Prozent leer, ist ein anderes Ladegefäß vielleicht sinnvoller. Daneben gehören die Verwaltungsgemeinkosten auf den Prüfstand. Berater Achenbach empfiehlt einen simplen Ansatz: "Nehmen Sie die Betriebswirtschaftliche Auswertung (BWA), gucken Sie in jedes Sachkonto rein und fragen Sie sich, ob die Ausgaben in der Höhe angemessen sind." Seiner Erfahrung nach findet sich fast immer ein Posten, bei dem man sparen kann, sei es Versicherung, Telefon oder Strom und Gas. Einsparpotenziale heben In manchen Fällen muss die Transportleistung selbst neu zugeschnitten werden. Sanierungsprofi Baar nennt ein Beispiel: Eine Spedition ist seit Jahren für einen Lebensmitteleinzelhändler tätig und fährt dessen Zentrallager dreimal pro Woche an. Zuletzt allerdings waren viele Lkw halb leer unterwegs. "Für den Kunden war der Turnus vielleicht optimal, aber der Spediteur sollte die Zahl der Touren reduzieren", rät Baar. Ebenfalls eine gute Lösung könne es sein, Touren mit anderen Spediteuren zusammenzulegen. Hilft all das nicht, wird irgendwann der harte Schnitt unvermeidlich: die Trennung vom Kunden. Viel Einsparpotenzial steckt erfahrungsgemäß auch in den Prozessen. In der Auftragserfassung etwa lässt sich mittlerweile mit KI-Werkzeugen vieles vereinfachen. Intelligente Programme können aus unstrukturierten PDF-Dokumenten oder E-Mails die Eckdaten eines Auftrags erfassen und selbstständig ins TMS einpflegen. Das spart viel Arbeitszeit. Auch Teile der Disposition lassen sich automatisieren. Restrukturierungsprofi Baar warnt allerdings vor überzogenen Erwartungen: "Der Teufel steckt im Detail!" Er gibt ein Beispiel aus dem Alltag: Eine Spedition beliefert einen Baumarkt mit Ware, doch der nimmt nicht alles ab, weil ein Teil davon Defekte aufweist. Also verbleibt eine Palette im Lkw, der Platz reicht nicht für die geplante Rückladung - und es muss improvisiert werden. Genau in solchen Fällen stießen automatische Systeme oft an ihre Grenzen, betont Baar. Besonders heikel ist das Thema Personalkosten. "Eine Restrukturierung gelingt am besten über Maßnahmen in der Verwaltung oder über strategische Themen - nicht über den Abbau von Personal", weiß Baar. Experten wie er raten, auch in einer Schwächephase nicht ohne Not Mitarbeiter zu entlassen. Denn zieht die Konjunktur wieder an, werden qualifizierte Lkw-Fahrer noch schwerer zu finden sein. Arbeitszeitkonten, Teilzeitmodelle oder temporäre Kurzarbeit können helfen, Kapazitäten anzupassen, ohne Mitarbeiter direkt zu verlieren. Daneben kann es sich lohnen, Personal gezielt weiterzubilden (etwa im Gefahrgutbereich), um es breiter einsetzen zu können. "Liebhaber-Geschäfte auf den Prüfstand stellen" Wie schätzen Sie die Lage auf dem Transport- und Logistikmarkt derzeit ein? Es herrscht eine extreme Unsicherheit darüber, wie sich die Warenströme entwickeln - Stichwort: US-Zölle und globale Lieferketten. Das macht die Planung schwierig. Wenn die Marge niedrig ist und dann zum Beispiel alle Container an einem falschen Ort stehen, ist die Krise schnell da. Was empfehlen Sie in einem solchen Fall? Der erste Schritt sollte sein, sich alle Geschäftsbereiche genau anzuschauen: Was sind die Gewinnbringer, was die Verlustträger? Das sollte auf Vollkostenbasis passieren und ohne Umlagen zwischen den Geschäftsbereichen. Dann sollten die Ressourcen auf die gewinnbringenden Bereiche gelenkt werden - dynamische Strukturen und Flexibilität sind essenziell. Das klingt selbstverständlich . Sollte es auch sein. Aber gerade in Familienunternehmen gibt es häufig "Liebhaber-Geschäfte", die noch aus der Vergangenheit übrig geblieben sind oder an denen man aus Prestigegründen festhält. Solche Aktivitäten muss man in schlechten Zeiten unbedingt infrage stellen - es muss sichergestellt sein, dass das Geschäftsmodell weiterhin gefragt ist. Welche Fehler beobachten Sie noch? Viele Betriebe denken zu stark von der eigenen Leistung her, also etwa "Was können wir mit unserem Fuhrpark anbieten?". Besser wäre es, mit der Frage "Was will der Kunde?" zu beginnen. Konkret haben die meisten Transportbetriebe zwei Optionen: Entweder sie setzen auf eine Nische oder Teilleistung, zu der schon eine "Keimzelle" vorhanden ist - oder sie schließen sich mit einem Partner zusammen, um die gesamte Wertschöpfungskette anzubieten. Was sind typische Hürden bei der Restrukturierung? Wir beobachten oft ein Umsetzungsproblem in den Unternehmen, weil viele Entscheidungsträger nur Zeiten der Hochkonjunktur kennen. Sie sind es aus diesem Grund nicht gewohnt, mit Krisen und Inflation umzugehen. Aber gerade jetzt sind Personen gefragt, die Maßnahmen mit Konsequenz und auch mit Härte voran-treiben. Aus diesem Grund ist die Nachfrage nach externen Restrukturierungsprofis auch so hoch wie noch nie. Zweites Standbein suchen Eine komplette Restrukturierung bedeutet indes mehr. "Es geht um die Frage ,Wollen wir weitermachen wie bisher?'", erklärt Berater Achenbach. Muss zum Beispiel ein Betrieb, der seit jeher mit 50 Lkw und 50 Fahrern tätig ist, dies auch in Zukunft so tun? Reichen unter Umständen vielleicht 25 Lkw, oder sollte man sich gar komplett vom alten Geschäft verabschieden? "Das ist die Wahrheit, die viele nicht hören wollen", sagt Baar. Er kennt zahlreiche Betriebe, die sich vom Großteil ihres Fuhrparks getrennt haben und nur noch für ausgewählte Kunden fahren; der Hauptumsatz wird dann zum Beispiel mit der Vermietung von Hallenflächen gemacht. "Angesichts der geringen Margen im Transportgeschäft ist das oft ein logischer Schritt", so Baar. Doch ihn zu gehen, falle den Inhabern oft nicht leicht. "Gerade vom Kunden der ersten Stunde will sich niemand trennen." Einen Punkt betonen alle Fachleute: Je früher die Restrukturierung begonnen wird, desto besser sind die Erfolgsaussichten. Läuft das Geschäft nämlich noch gut, bleibt Zeit, um es völlig neu auszurichten. Der Betrieb kann sich von einem unrentablen Geschäft trennen und sich im Gegenzug auf eine neue Dienstleistung, Region oder Branche konzentrieren (sofern der Fuhrpark das hergibt). "Überlegen Sie, welches spezifische Kundenproblem Sie lösen wollen", regt Achenbach an. Experte Baar rät vielen Transportbetrieben, sich ein weiteres Standbein zu suchen. "Sonst ist man als Dienstleister völlig austauschbar." Alternativen können das Lagergeschäft, die Vermittlung von Touren oder Abrechnungsdienstleistungen sein. Der Spedition A gelang übrigens die Sanierung, ohne das Kerngeschäft aufgeben zu müssen. Allein besseres Zahlenmaterial brachte die Wende: Der Betrieb berechnete die Ergebnisse pro Tour/Lkw schon am Folgetag und nicht erst nach sechs Wochen. So konnte man mit Kunden über die Preise verhandeln, Touren besser planen und bessere Erlöse erzielen. Expertentipps: In zehn Schritten aus der Krise 1. Sofort handeln: Setzen Sie nicht darauf, dass die Krise von selbst verschwindet. Je früher Sie handeln, desto mehr Optionen bleiben. 2. Ertragslage verbessern: Machen Sie eine Aufstellung mit allen Kunden, inklusive Auftragsvolumen und Deckungsbeitrag. Erhöhen Sie die Frachtraten für Kunden, die unwichtig sind oder nur wenig zum wirtschaftlichen Erfolg beitragen. Trennen Sie sich von defizitären Kunden. 3. Reporting verbessern: Erheben Sie tagesaktuelle(!) Zahlen zur Auslastung von Touren und Fahrzeugen. Nutzen Sie diese Informationen für Preisverhandlungen und um sich von unrentablen Routen/Leistungen zu trennen. 4. Liquidität erhöhen: Lösen Sie stille Reserven auf, oder veräußern Sie Teile des Fuhrparks. 5. Fixkosten senken: Überprüfen Sie die Ausgaben für Miete, Versicherungen und Telekommunikation. 6. Prozesse verschlanken: Setzen Sie digitale Werkzeuge in der Auftragserfassung und Disposition ein. 7. Kooperationen prüfen: Wer mit Partnerbetrieben gemeinsam fährt, Frachten tauscht oder gemeinsam Lagerflächen nutzt, kann Synergien heben. 8. Personal flexibilisieren: Arbeitszeitkonten, Teilzeitmodelle oder temporäre Kurzarbeit können helfen, Kapazitäten anzupassen, ohne Mitarbeiter zu verlieren. Bilden Sie Personal weiter, um es in möglichst vielen Bereichen einsetzen zu können. 9. Überprüfen Sie die Geschäftsstruktur: Konzentrieren Sie die Ressourcen auf wirtschaftlich erfolgreiche Bereiche, trennen Sie sich von defizitären Geschäften. Auch ein radikaler Bruch mit dem bisherigen Geschäftsmodell sollte erwogen werden (Beispiel: Verkauf des kompletten Fuhrparks und Umstieg auf Subunternehmer). 10. Nischen besetzen: Spezialtransporte, temperaturgeführte Logistik oder die Zustellung auf der sogenannten Letzten Meile bieten Chancen - auch in schwachen Phasen. Serie: Raus aus der Krise Teil 1: Liquidität sichern (VR 19/2025) Teil 2: Vom Problemfall zur Sanierung (VR 20-21/2025) Teil 3: Zahlen lesen und verstehen (VR 22/2025) Teil 4: Welche Wachstumsstrategien heute funktionieren (VR 24-25/2025)