Speditionsstrategien: Wachstum durch Spezialisierung sichern

Wie können wir unser Geschäft weiterentwickeln? An dieser Frage arbeitet man bei Alfred Schuon in Haiterbach kontinuierlich. Das internationale Speditions- und Logistikunternehmen hat sich in den letzten Jahren stark diversifiziert. "Zur Zeit der Finanzkrise (in den Jahren 2008 und 2009 - die Red.) waren wir noch ein reiner Transportdienstleister, der fast 100 Prozent im Selbsteintritt durchgeführt hat", erinnert sich Geschäftsführer Alexander Schuon. Heute steht das Geschäft des Unternehmens auf drei Säulen: Eigenfuhrpark, Spedition und Kontraktlogistik. "Vor allem die Kontraktlogistik konnten wir in den letzten Jahren stark ausbauen", berichtet Schuon. Daneben hat sich das Familienunternehmen erfolgreich als Spezialist für Batterielogistik positioniert. "Seit 2020 sind wir in diesem Segment ordentlich gewachsen", freut sich der Geschäftsführer. Von der Konkurrenz abgrenzen Wer die Branche kennt, weiß: Umsatzkurven, die nach oben zeigen, haben mittlerweile Seltenheitswert. Dem ein oder anderen Anbieter gelingt es dennoch. Was machen die Wachstumschampions anders? Timo Achenbach von "Die Speditionsberater" in Münzenberg sieht vor allem eine Erfolgsstrategie: "Wer weg kommt vom Bauchladen, der wächst." Er ist der Ansicht, dass die alte Werbeformel des Speditionsgewerbes "Wir bieten Transporte aller Art" mittlerweile ausgedient haben sollte. "So ragt man nicht aus der Masse heraus", warnt Achenbach. Er rät Transportunternehmen dringend, sich klarer von der Konkurrenz abzugrenzen - einfach anders zu sein. Zwei Top-Strategien für KMU Mit welchen Strategien Unternehmen wachsen können, hat der US-Ökonom Michael Porter schon in den 1980er-Jahren untersucht. Dabei fand er drei besonders chancenreiche Ansätze: Strategie eins: Der Anbieter drückt die Kosten, bis er der Günstigste in der Branche ist. Strategie zwei: Das Unternehmen bietet ein Produkt an, das anders ist als das der Wettbewerber, und für das die Kunden deshalb gerne mehr zahlen. Strategie drei: Der Anbieter konzentriert sich auf eine Marktnische. Strategie eins, also Kostenchampion zu werden, gelingt in der Regel nur sehr großen Anbietern, die Mengenvorteile haben - also den Konzernspeditionen. Für den Mittelstand, der weder über entsprechende personelle noch finanzielle Ressourcen verfügt, sind eher die Strategie-Optionen zwei und drei interessant - anders sein oder in die Nische gehen. Das zahlt sich auch wirtschaftlich mehr aus. "Ein Optimierungsprojekt bringt vielleicht zwei oder drei Prozent mehr Wachstum, aber am Unternehmen zu arbeiten sechs bis acht Prozent", rechnet Achenbach vor. Er rät, die Suche nach einer neuen Erfolgsstrategie mit einer Bestandsaufnahme zu beginnen. "Sprechen Sie nicht pauschal von ,den Kunden', sondern erstellen Sie eine Matrix, in der genau steht, welche Leistung Sie für welchen Markt, welches Kundensegment oder welche Branche erbringen." Aus der Tabelle sei meist schnell ersichtlich, welches Segment attraktiv ist und wo die Stärken liegen. Darauf solle sich die Firma konzentrieren. "Wobei natürlich wichtig ist, dass Sie für das jeweilige Geschäft auch brennen", ergänzt er. "Kunden wissen oft gar nicht, was der Spediteur alles anbietet" Wie können Transportunternehmer in dem schwierigen Umfeld derzeit wachsen? Sich auf breitere Füße zu stellen, ist nach wie vor ein erfolgreicher Weg. Heißt: Nicht nur den Transport anbieten, sondern zum Beispiel auch Einlagern, Kommissionieren und Etikettieren. In der Lebensmittellogistik etwa gibt es Spediteure, die Ware direkt auf von ihnen gefertigten Displays im Supermarkt anliefern. Im Chemiebereich wird lose Ware in kleinere Gebinde umgefüllt. Alles, was über den reinen Transport hinausgeht, kann helfen. Aber praktizieren die Anbieter das nicht schon? Teilweise ja, aber ich erlebe immer wieder, dass die zusätzlichen Leistungen nicht gut genug vermarktet werden. Die Kunden wissen oft gar nicht, was ihr Spediteur alles anbietet! Wann wird ein breites Angebot zu breit? Jeder Geschäftsbereich muss, betriebswirtschaftlich betrachtet, natürlich ein positives Ergebnis liefern. Außerdem sollten die Dienstleistungsangebote nicht zu weit auseinanderliegen, sonst verzettelt man sich. Daneben ist es wichtig, sich nicht von einem Kunden oder Segment abhängig zu machen. Berater empfehlen oft, ein Alleinstellungsmerkmal aufzubauen, den sogenannten USP. Wie findet man den? In unserer Branche ist es ehrlich gesagt schwierig, wirklich einzigartig zu sein. Elektrifizierung kann zum Beispiel ein Weg sein. Ich kenne eine Spedition, die den Fuhrpark komplett auf E-Lkw umgestellt hat und so Kunden gewinnt. Aber so eine starke Abgrenzung braucht es nicht immer. Ich denke, am Ende des Tages besteht eine Erfolgsstrategie aus drei Faktoren: Sie müssen für den Kunden verschiedene Dienstleistungen bündeln, ihm als alleiniger Ansprechpartner zur Verfügung stehen - und gute Qualität liefern. Auf Kunden-Signale hören Wer auf der Suche nach neuen Wachstumsmärkten ist, sollte auch auf leise Signale hören. Diese Erfahrung hat Spediteur Schuon beim Thema Batterielogistik gemacht. "2008 hatten wir die erste kleine Anfrage dazu, damals ging es nur um einige wenige Paletten", erinnert sich der Geschäftsführer. Dennoch entscheidet sich der Mittelständler, den Markt zu erschließen. Heute übernimmt Schuon für Automobilhersteller die gesamte Batterielogistik - Lagerung, Transport, Umverpacken. Dafür wurde unter anderem ein speziell zugelassenes Lager gebaut, inklusive Zolllager. Ähnlich verläuft der Aufbau des Geschäfts mit Volumentransporten, in dem Schuon ebenfalls traditionell stark ist. Im Gespräch mit Kunden stellt sich oft heraus, dass diese ein Fahrzeug mit einer speziellen Innenhöhe benötigen. "Oft entscheiden wenige Zentimeter darüber, ob zwei oder drei Schichten eines Gutes transportiert werden können", erklärt Schuon. Der Spediteur hat deshalb selbst einige Sonderfahrzeuge entwickeln lassen. Diese Fälle zeigen: Eine erfolgreiche Wachstumsstrategie beginnt immer mit dem Kunden. Ziel muss sein, sein großes Problem zu lösen, im Marketingjargon "Pain Point" genannt. Und obwohl viele Unternehmer dieser Aussage zustimmen würden, wird sie in der Praxis oft nicht genug beherzigt. Das zeigt ein Blick ins Marketingmaterial vieler Transportunternehmen: Da wird oft die lange Firmengeschichte betont, mit einem modernen Fuhrpark oder neuesten digitalen Lösungen geworben. Alles das ist zweifellos wichtig, begeistert aber vor allem den Anbieter selbst. "Für den Kunden ist vieles davon zweitrangig. Ihn interessiert nicht der Lkw-Typ, sondern dass jemand zuverlässig sein Problem löst", so Berater Achenbach. Deshalb sollten am Beginn einer Wachstumsstrategie immer persönliche Besuche beim Kunden stehen. Spediteur Schuon bestätigt: "Sie müssen einfach wissen, wo der Schuh drückt." Nur "Wir sind besser" zieht nicht Natürlich ist keine Marktnische völlig unbesetzt. Es gibt in der Regel immer Anbieter, die schon aktiv sind. Viele Transportdienstleister reagieren darauf, indem sie sich als der beste Anbieter positionieren. Ein Fehler, findet Berater Achenbach. "Kommunizieren Sie lieber, dass Sie anders sind. Der Mensch ist darauf geeicht, auf das Außergewöhnliche zu achten." Aus seiner Sicht ist es zum Beispiel sinnvoller, sich als erster Anbieter einer bestimmten Dienstleistung zu positionieren. "Wer als erster eine neue Leistung verspricht, setzt sich durch." Ein Beispiel aus seiner Beratungspraxis zeigt, wie eine erfolgreiche Neupositionierung aussehen kann: Spedition X ist für Maschinenbauunternehmen weltweit tätig und leidet unter den niedrigen Margen im Transportgeschäft. Um sich der reinen Preiskonkurrenz zu entziehen, entscheidet sich die Geschäftsführung zu einem radikalen Schnitt: Man trennt sich von den Massentransporten und konzentriert sich auf die schnelle Versorgung mit Ersatzteilen. In Flughafennähe wird ein Ersatzteillager mit Kommissionierung und Zollabfertigung eingerichtet. Kunden werden über einen "Control Tower" informiert, sobald Bestände ein kritisches Niveau unterschreiten, außerdem löst der Logistiker automatisch Nachbestellungen aus. Ergebnis: Aus dem reinen Transportdienstleister wird ein logistischer Partner, ohne den im After-Sales-Geschäft der Kunden nichts mehr funktioniert. Akkermann Transporte: "Für den Kunden flexibel bleiben" "Wir setzen auf Spezialisierung mit Tiefe", so beschreibt Klaus Akkermann, Geschäftsführer von Akkermann Transporte, die Strategie seines Unternehmens. Der 1936 gegründete Familienbetrieb mit Sitz im ostfriesischen Moormerland ist Spezialist für den Transport von Fahrzeugen - vom Pkw über das Nutzfahrzeug bis hin zum Wohnmobil. Kunden sind Händler, Hersteller und Flottenbetreiber. Akkermann überführt zum Beispiel Fahrzeuge von den OEM zu den Autohäusern oder befördert teure Oldtimer in geschlossenen Lkw zu Messen. "Mit unserem Geschäft sind wir stetig gewachsen", berichtet Akkermann. Zuletzt hat der Mittelständler vom Trend zum Wohnmobil profitiert: Angesichts der starken Nachfrage wurde die Flotte an Spezialfahrzeugen sukzessive erweitert. "Es ist wichtig, für die Kunden flexibel zu bleiben", resümiert der Geschäftsführer. Besonders viel Flexibilität war vor fünf Jahren gefragt - auf dem Höhepunkt von Corona. Über Nacht wurde die Automobilproduktion eingestellt, alle Automobilmessen fielen aus und bei der Spedition standen viele Fahrzeuge still. Aus der Situation heraus zeigte sich, dass eine starke Nachfrage nach GMP-zertifizierten Schüttguttransporten besteht - für die Beförderung von Futtermitteln, Getreide, Obst und Kartoffeln. Akkermann reagierte zügig und investierte in entsprechendes Equipment. Dieses Geschäft läuft weiter gut und ergänzt das Kerngeschäft mit Fahrzeugtransporten. "Es ist wichtig, Rückgänge in einem Segment kompensieren zu können", sagt Akkermann. So gelingt die Umsetzung Solche Erfolgsgeschichten klingen beeindruckend, doch der Weg zur Neupositionierung ist oft lang und steinig. "Ein Strategiepapier lässt sich schnell schreiben, doch die Umsetzung dauert meist mehrere Jahre", weiß Berater Achenbach. Die neuen Ziele müssen auf das Tagesgeschäft runtergebrochen und andere Kunden akquiriert werden. Außerdem ist oft eine schmerzhafte Trennung vom angestammten Geschäft nötig. In der Hektik des Tagesgeschäfts bleiben Strategieprojekte deshalb häufig auf der Strecke, gerade wenn man sich viel vorgenommen hat. Experten empfehlen daher ein schrittweises Vorgehen: Zunächst sollte mit einer klar umrissenen (möglichst neuen) Leistung an den Markt gegangen werden, und erst wenn die Kunden überzeugt sind, kann man schrittweise zusätzliche Leistungen hinzufügen, die zum Angebot passen. Eine Nische erfolgreich zu besetzen, garantiert natürlich nur eine Zeit lang den Erfolg. Irgendwann kommen die Nachahmer und das Alleinstellungsmerkmal verschwindet. Deshalb hört Strategiearbeit nie auf. "Man muss immer weiter auf dem Erreichten aufbauen", betont Spediteur Schuon. Er plant, das Geschäft in den kommenden Jahren weiter zu diversifizieren, neue Kunden, Branchen und auch Regionen zu erschließen. Für E-Lkw richtet der Betrieb gerade die Ladeinfrastruktur ein. Von großen Masterplänen hält Praktiker Schuon jedoch nichts. "Das neue Angebot muss im richtigen Moment einfach passen." Serie: Raus aus der Krise Teil 1: Liquidität sichern (VR 19/2025) Teil 2: Vom Problemfall zur Sanierung (VR 20-21/2025) Teil 3: Zahlen lesen und verstehen (VR 22/2025) Teil 4: Welche Wachstumsstrategien heute funktionieren (VR 24-25/2025)