Bonn. So werde der Einkauf in den nächsten fünf Jahren nicht nur einen Beitrag zur Kostenreduktion, sondern verstärkt auch zur Sicherung der Innovationspipeline, zur Optimierung des Risikoprofils und der Wertschöpfungsketten sowie zum Produktdesign leisten müssen. Gleichzeitig würden in den meisten Unternehmen aber die organisatorischen Voraussetzungen fehlen, damit der Einkauf diesen Anforderungen gerecht werden kann, so die Studie. Die Ergebnisse basieren auf rund siebzig Interviews, die BrainNet mit Vorständen und Geschäftsführern deutscher Unternehmen durchgeführt hat.
Der Einkauf entwickelt sich stärker von einer administrativen zu einer strategischen Funktion. Dabei weitet sich einerseits das Spektrum der Aufgaben, die der Einkauf nach dem Willen der Unternehmensleitung umsetzen muss, als auch die grundsätzliche Bedeutung dieser Aufgaben für das Unternehmen. „Die CEO erwarten von ihrer Einkaufsabteilung, dass sie einerseits einen signifikanten Beitrag zur Gesamtperformance des Unternehmens leistet und andererseits ein wesentlich breiteres Spektrum der Aufgaben übernimmt, als dies heute der Fall ist“, kommentiert Sven T. Marlinghaus, Partner bei BrainNet und Autor der Studie. „Insbesondere Themen wie die Optimierung des Umlaufvermögens, der Einkauf von Innovationen, oder das Risiko- und Supply Chain-Management rücken verstärkt in den Fokus“.
Die Ergebnisse der Studie machen deutlich, dass der Einkauf zunehmend zu einer Querschnittsfunktion im Unternehmen wird: Die effektive Koordination mit anderen Unternehmensbereichen und ein Ansatz, der die gesamte Wertschöpfungskette im Blick hat, ist im Hinblick auf die zukünftigen Aufgaben des Einkaufs erfolgskritisch. Die Vernetzung mit der F&E-Abteilung, dem Vertrieb, oder dem Controlling- und Finanzdepartment ist deshalb eine strategische Notwendigkeit.
Zwischen den zunehmenden Anforderungen an den Einkauf und den Ressourcen, die dem Einkauf auf organisatorischer, prozessualer und personeller Ebene zur Verfügung stehen, besteht heute jedoch noch eine Diskrepanz. So geben lediglich drei von zehn befragten CEOs an, dass in ihrem Unternehmen der Einkauf ausreichend mit anderen Unternehmenseinheiten vernetzt ist. Und lediglich in einem von zehn Unternehmen gehört der oberste Einkaufsverantwortliche (CPO) dem Vorstand oder der Geschäftsführung an.
„So erwarten zum Beispiel die meisten CEOs, dass das Procurement-Department sich durch den Einkauf von Innovationen und die Definition von Spezifikationen an der Produktentwicklung beteiligt. Gleichzeitig ist der Einkauf momentan nicht einmal in jedem vierten Unternehmen in den F&E-Prozess eingebunden. Aus der Perspektive des Einkaufs hinken heute noch in vielen Unternehmen die Strukturen hinter der Realität her“, sagt Marlinghaus.
Der strukturelle Nachholbedarf im Einkauf spiegelt sich auch in der mangelnden Transparenz und Messbarkeit der Einkaufsprozesse wider. Die Studienergebnisse belegen, dass aus Sicht der CEOs lediglich im Hinblick auf das klassische Ziel der Kostenreduktion ausreichende Informations- und Monitoring-Prozesse etabliert sind. Dagegen bestehen bei der Performance-Messung und der Beschreibung des übergeordneten Beitrags des Einkaufs zum Unternehmenserfolg gravierende Defizite.
Die Studie zeige, dass der CPO in der Regel nicht über die Instrumente verfüge, um Ergebnisse, Prozesse und strategische Notwendigkeiten in seinem Verantwortungsbereich gegenüber dem CEO ausreichend zu dokumentieren.
Diese Einschätzung wird von weiteren Befragungsergebnissen bestätigt. So sind die meisten CPOs, die den Einkauf führender Mittelständler und Großunternehmen verantworten, überzeugt, dass der rasante Wandel der Aufgaben ihre Mitarbeiter vor ein dringendes Qualifizierungsproblem stellt. Diese Meinung wird aber lediglich von 13 Prozent der befragten CEOs geteilt. „Der Einkauf befindet sich heute in einer Umbruchphase. Die neuen Anforderungen erfordern signifikante Veränderungen im Hinblick auf Ressourcenausstattung, Qualifizierung und Organisation“, erklärt Marlinghaus. „Diese Aufgaben können der CEO und der CPO nur gemeinsam bewältigen. Deshalb müssen sie eine gemeinsame Perspektive auf den Einkauf entwickeln“.