Volle Konzentration

Jens Kilimann sieht Licht am Ende des Corona-Tunnels. "Wir gehen davon aus, dass der Höhepunkt der Pandemiewelle in diesem Quartal erreicht wird. Im dritten Quartal könnte die Wirtschaft wieder ins Laufen kommen." Er konstatiert aber Produktivitätseinschränkungen in den Abwicklungen, insbesondere an den Rampen und im Lager. Zudem ist mit Problemen an Grenzen sowie mit Verwerfungen entlang der Lieferkette zu rechnen. Wer vorher fit war, bleibt fit "Daraus resultieren Kostenblöcke, die hochgefahren werden", so der Berater. "Wer schlecht aufgestellt war, wird nach der Krise noch mehr Probleme bekommen. Wer früh digitalisiert hat, hat gute Chancen", so seine Einschätzung. Kilimann geht davon aus, dass der Konzentrationsprozess in der Logistik weitergeht. "Es ist ausreichend Kapital vorhanden. Private Equity-Unternehmen steigen vermehrt in die Branche ein." Sein Mittelfrist-Szenario: Regionale Netzwerke verstärken sich, Globalisierung geht zurück, Arbeitsteiligkeit und Spezialisierung haben Zukunft. "Speziell die Gestaltung spezifischer End-to-End-Lieferketten wird nachgefragt und ist eine gute Basis für ein erfolgreiches Logistikgeschäftsmodell." Düster sieht die Prognose für kleine Transportdienstleister aus: "Große Verlader erkennen immer mehr, dass die Integration kleiner Fuhrunternehmen in die eigenen Prozesse ineffizient ist, die Disposition hat viel Arbeit, sie zu integrieren. Außerdem fehlen oft notwendige Anschlussladungen, um den Lkw effizient rundlaufen zu lassen." Kilimann geht so weit, mit 300 bis 500 Lkw pro Unternehmen eine recht hohe Grenze für Effizienz zu setzen, abhängig von den geografischen und strukturellen Voraussetzungen. "Damit erreicht man Synergien und kommt zu einer optimalen Auslastung." Der Berater geht davon aus, dass der Wechsel zu einem großen Transportdienstleister - verbunden mit einer systematischen Optimierung des Transportnetzwerks auf Verladerseite - Einspareffekte von zehn Prozent und mehr bringen kann. "Eine Effizienzsteigerung kommt vor allem, weil man nicht mehr einzelne Aufträge, sondern ganze Relationen-Bündel bzw. Regionen vergibt." Der Experte beschränkt seine Einschätzung nicht auf den klassischen Landverkehr. "Das funktioniert unter anderem auch bei Hafenhinterland-Verkehren der Containerlogistik." Am Ende würde ein großer Verlader seine Ladungen auf drei, vier große Player aufteilen. "Aus unserer Beobachtung schreitet dieser Konzentrationsprozess massiv voran", so Kilimann. "Bis in rund fünf Jahren werden wir sehen, dass viele Unternehmen diesen Transformationsprozess durchmachen." Der Experte räumt aber ein, dass es einer enormen Analytik und Prozessoptimierung bedarf, ehe man am Ende dieser Entwicklung angekommen ist. Auf die Frage, ob es für kleine Unternehmen eine Perspektive gäbe, meint Kilimann: "Natürlich gibt es die! Die müssen sich zu größeren Verbünden zusammenschließen, um mehr Effizienz im Überbau zu erreichen. Abwicklungsprozesse müssen optimiert werden, im Einkauf gibt es Verbesserungspotenzial und auch Themen wie das Fahrer-Management samt der Ausund Weiterbildung muss man zentralisieren." Kilimann räumt ein, dass sich das Gewerbe generell schwertut zusammenzuarbeiten. "Eventuell ist die Schmerzgrenze noch nicht erreicht. Andererseits sehe ich bei der nachwachsenden Generation mehr Potenzial zu kooperieren und auch eine höhere Bereitschaft, in digitale Plattformen und Transformationsprozesse zu investieren." Ähnlich wie im Tourismusgewerbe sieht der Berater die Situation auch im Transport- und Logistikbereich Meta-Plattformen. "Da stellt sich nur die Frage, wer wird Vorreiter. In jedem Fall werden es klassische Sofa-Spediteure schwer haben. Die sind gegenüber den digitalen Playern viel zu langsam." Seine Idee: "Trotz eines globalen Marktes werden wir am Ende wenige Plattformen haben. Und das werden Player sein, die wir heute noch gar nicht auf der Rechnung haben ..." Erfolgsmodell Eigenfuhrpark Last but not least prophezeit Kilimann einen fortschreitenden Trend der Verlader zum Eigenfuhrpark. Abgesehen von einer Risikominimierung beim Selbsteintritt macht es Sinn, bei mehreren Standorten die effizienten Transporte zwischen den Betriebsstätten selbst durchzuführen. "Und ganz wichtig aus meiner Sicht: Der Eigenfuhrpark führt dazu, dass man sich nicht vom Markt abkoppelt. Nur wer selbst Transporte durchführt, kann bei Themen wie Schadens-, Behälter- oder Fahrermanagement mitreden." Im Hinblick auf eine sinnvolle Quote des Eigeneintritts will sich Kilimann nicht äußern. "Das hängt von zu vielen individuellen Parametern ab." Mehr zum Thema finden Sie unter #transportmarkt www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze In einem Szenario über die nächsten fünf Jahre prophezeit Roland Berger-Berater Jens Kilimann, dass kleine Transportdienstleister erhebliche Probleme bekommen.Konzentration und Digitalisierung könnten das verhindern. Vita Jens Kilimann verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung in der Top-Management-Beratung. Schwerpunkt seiner Beratungstätigkeit liegt im Einzelhandel, in der Logistik und in der Konsumgüterindustrie. Kilimann ist Partner bei Roland Berger und unterstützt mit seinem Fachwissen hauptsächlich Turnaround- und Leistungsverbesserungsprojekte. Er hat an der TU Berlin studiert und eine Promotion der TU Dresden. gg

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