Verlagerung von der Straße auf die Schiene: Weichensteller

Der Verkehr und damit vor allem der Güterverkehr rücken zunehmend in den Fokus der Politik. Denn er erledigt seine Hausaufgaben nicht. Alle anderen Sektoren in Deutschland - Industrie, Land- und Energiewirtschaft, Haushalte - haben ihre Treibhausgas-Emissionen zwischen 1990 und 2019 gesenkt, und zwar um einen zum Teil hohen zweistelligen Prozentsatz. Nur im Verkehr geht nichts voran (-0,2 Prozent). Ehrgeizige Emissionsziele Das soll sich ändern. Bis 2030 sollen die CO2-Emissionen im Verkehr laut dem Klimaschutzgesetz von 164 Millionen (Mio.) Tonnen (2019) auf 85 Mio. Tonnen gesenkt werden - das entspricht einem Rückgang von 48 Prozent in elf Jahren. Dabei wird der Güterverkehr nicht umhinkommen, ebenfalls einen Beitrag zu leisten. Als ein wichtiges Instrument wird die Verlagerung von Transporten von der Straße auf die umweltfreundlichere Bahn angesehen. Der Modal-Split der Schiene soll steigen von derzeit 18 Prozent auf 25 Prozent 2030. Ein ehrgeiziges Ziel, das die neue Bundesregierung so im Koalitionsvertrag festgehalten hat. Doch ist dieses Ziel überhaupt realistisch? "Das ist eine verdammt hohe Messlatte", stellte Joachim Berends fest. Berends muss es wissen: Er ist Präsident des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) sowie im Hauptamt Vorstand der Bentheimer Eisenbahn AG. "Jeder Verkehrsträger muss sein Mögliches tun", so Berends auf einem Schienengüterverkehrsforum Anfang Februar in Berlin, organisiert vom Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME) und dem VDV. Zur Bentheimer Eisenbahn AG gehört auch eine Spedition mit 40 Lkw. Berends zeigte anhand einer Studie, die die Unternehmensberatung Roland Berger für den VDV gemacht hat, mit welcher Entwicklung zu rechnen ist, wenn der Staat seine bisherige Politik zur Stützung des Schienengüterverkehrs nicht verändert. Dann werden die Güterbahnen 2030 nur einen Anteil von 20 Prozent erreichen. In der Studie wurden Maßnahmen aufgelistet, mit denen die Zielgröße von 25 Prozent im Jahr 2030 erreicht werden kann. Doch das kostet Geld, viel Geld. Ist die Politik gewillt, diese Unterstützung zu gewähren? Aktuell gibt es Zweifel an der Leistungsfähigkeit des Schienengüterverkehrs, auch deshalb, weil viele Güterzüge zum Jahresende nicht pünktlich waren. Thorsten Bieker, bei BASF zuständig für Bulk Logistics, nannte dazu Zahlen: "Die Pünktlichkeit lag im letzten Jahr teilweise bei nur 50 Prozent. Wir waren mal bei durchgehend 70 Prozent. 90 Prozent müssen jedoch das Ziel sein." Er schilderte, was passiert, wenn die Bahnen nicht die Leistung erbringen: "Wir als BASF bringen Ware in den Kombinierten Verkehr rein. Doch die ist nach einem halben Jahr wieder weg, weil die Züge unpünktlich sind." Die Politik weiß um die Probleme. "Die Kapazitätseinschränkungen sind derzeit die Herausforderung schlechthin", sagt Michael Theurer, parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesverkehrsminister und seit Jahresbeginn Beauftragter der Bundesregierung für den Schienenverkehr. Unter den vielen Baustellen im Netz würde derzeit vor allem der Schienengüterverkehr leiden. "Wir werden zeitnah ein Programm zur Kapazitätserweiterung vorlegen. Wir wollen die Netzkapazität gezielt durch einen Mix aus kurz- und mittelfristigen Maßnahmen erweitern", kündigte Theurer an. Um aber auch langfristig für mehr Kapazität auf der Schiene zu sorgen, soll ein neues Kapazitäts- und Zuweisungsmodell nach Schweizer Vorbild eingeführt werden. Als weitere Maßnahmen zur Erweiterung der Kapazitäten nannte Theurer die Einführung eines digitalen Kapazitätsmanagements, kleinere Infrastrukturmaßnahmen wie neue Überholgleise oder die Ertüchtigung von Umleitungsstrecken sowie die Halbierung der Planungs- und Genehmigungszeiten für neue Bauprojekte. Eine wichtige Bedeutung haben für die Güterbahnen die Trassenpreise. Seit 2018 sind diese nur noch halb so hoch, es fließen der Branche somit jährlich 350 Millionen Euro zu. Forderungen, diesen Nachlass zu verlängern, werden lauter. Seit Dezember 2021 liegt die Evaluierung der Trassenpreisförderung vor. "Ob wir die Förderung über Mitte 2023 hinaus fortsetzen, wird derzeit diskutiert", sagte Theurer. Doch die Chancen stehen offenbar nicht schlecht. Denn Theurer verriet, dass sein Haus beim Finanzministerium vorsorglich den dafür notwendigen Bedarf angemeldet habe. Nicht fehlen durfte außerdem der Hinweis auf die digitale automatische Kupplung (DAK). Das ist laut Theurer ein Zukunftsprojekt, das "im Mittelpunkt unserer Aktivitäten steht". Theurer kündigt an, dass er selbst zur DAK auf europäischer Ebene Gespräche führen werde, um die europaweite Einführung der DAK zu forcieren. 2023 soll mit der Migration begonnen werden und 2030 soll dann die Markteinführung abgeschlossen sein. Trotz weiterer Fördermaßnahmen, die Theurer nannte, wurde auf dem Forum kontrovers diskutiert, ob die 25 Prozent Marktanteil im Modal-Split realisierbar sind. Ein großer Hemmschuh: Auch der Personenverkehr soll bis 2030 verdoppelt werden. Dazu ist ein Deutschlandtakt geplant. Dann müsse, so die Befürchtung, der Güterverkehr zulasten des Personenverkehrs zurückstecken. Skepsis aus dem Verkehrsministerium Stephan Bull, Leiter des Referates im BMDV, das unter anderem für den Masterplan Schienengüterverkehr zuständig ist, zeigte Verständnis für die Bedenken: "Es ist kein Geheimnis: Unsere Infrastruktur und das Tempo, in dem wir jetzt bauen, geben die 25 Prozent derzeit nicht her." Auf dem Forum wurde kritisiert, dass es keinen Fahrplan gebe, bis wann welcher Modal-Split erreicht werden soll. Bull verwies darauf, dass es eine Bedarfsplanüberprüfung gäbe. Ergebnis dieser Prüfung könne dann der Ausbau des Schienennetzes sein. Dann müsste aber deutlich schneller geplant und gebaut werden als bislang, so Bull. cd Mehr zum Thema unter #KombinierterVerkehr www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Mehr Güter auf die Bahn: Das gilt als ein wesentlicher Schlüssel, um die Klimaziele im Verkehr zu erreichen. Dazu hat die Politik auch Maßnahmen ergriffen. Doch selbst bei den Güterbahnen ist man nicht überzeugt, dass das angestrebte Ziel für den Schienengüterverkehr beim Modal-Split in Höhe von 25 Prozent bis 2030 erreicht wird. KV-Lösung für Kleinunternehmen und den Mittelstand Kleinere Dienstleister tun sich schwer mit der Verlagerung von Transporten vom Lkw auf die Bahn. Oft wissen sie nicht, auf welchen Strecken Züge im KV (Kombinierten Verkehr) fahren, welche Kosten damit verbunden sind und wie sie den Vor- und Nachlauf organisieren sollen.Service für Vor- und NachlaufRail-Flow will hier Abhilfe schaffen. Ein Ziel des Unternehmens ist es, den Zugang zum Schienengüterverkehr zu verbessern. Dazu gibt es einen Intermodal Capacity Broker. Diese Plattform vereint Fahrpläne verschiedener Operateure und soll nicht nur einen Überblick über Transportoptionen schaffen. Zugleich besteht die Möglichkeit, darüber einen Vor- und Nachlauf zu buchen. Doch noch fehlen die großen Operateure in Europa mit ihren dichten Netzwerken. Bei Rail-Flow führt man entsprechende Gespräche."Von den drei großen Operateuren Kombiverkehr, Hupac und Transfracht werden wir zwei noch in diesem Jahr aufnehmen", zeigt sich der CEO von Rail-Flow, Dominik Fürste, optimistisch. cd

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