Kassel - Das Einführen einer generellen Maut für den Autoverkehr kann das Mobilitätsverhalten der Deutschen nach Auffassung des Kasseler Verkehrsforschers Uwe Köhler verändern. Wenn für die zurückgelegte Entfernung bezahlt werden müsse, würden sich viele Menschen die Notwendigkeit langer Fahrten überlegen, sagte der Professor für Verkehrsplanung an der Gesamthochschule Kassel in einem dpa-Gespräch. Bei kurzen Strecken könne das Fahrrad oder der öffentlichen Nahverkehr wieder attraktiver werden. «Heute spielt die Weglänge kaum eine Rolle», sagte Köhler. Die Kraftfahrzeugsteuer bitte den Autofahrer auch dann zur Kasse, wenn er seinen Wagen tagelang stehen lasse. Die vom Kabinett beschlossene Maut für Lastwagen und möglicherweise auch für Personenwagen hält der Professor nur für sinnvoll, wenn sie auf alle Straßen ausgedehnt wird. «Sonst kommt es zu Verdrängungseffekten.» Wer Zeit habe oder Geld sparen wolle, würde auf Bundesstraßen ausweichen, was zu verstopften Ortsdurchfahrten und einer Zunahme von Unfällen führe. Dieser Effekt sei in Frankreich zu beobachten. Mit der Maut könnten auch Stauprobleme verringert werden, wenn die Tarife für Personenwagen nach Tageszeit und Region unterschiedlich gestaffelt werden. «Wer nicht unbedingt im teuren Berufsverkehr unterwegs sein muss, kann auf eine preiswertere Zeit ausweichen», sagte Köhler. Dies führe zu einer gleichmäßigeren Verteilung des Verkehrs. Ein ähnliches Modell habe sich bereits beim Hamburger Verkehrsverbund (HVV) bewährt, der mit einem ab 9 Uhr gültigen Seniorenticket eine Verschiebung des Fahrgastaufkommens erreicht habe. «Die Bahn wird beim Güterverkehr von der Einführung einer Maut profitieren», prognostizierte Köhler. Der Wettbewerbsvorteil der bisher preiswerteren Lastwagentransporte schrumpfe, so dass es zu einer Verlagerung auf die Schiene kommen werde. Auch beim Personenverkehr könne die Bahn profitieren, wenn sie gute Angebote mache. «Die Leistungsfähigkeit der Bahn ist steigerbar.» Dafür müsse sie jedoch in Fahrzeuge und Strecken investieren. (dpa)