Staffelverkehre: KI-basierte Stabübergabe

Das Prinzip des Staffellaufs auf die Logistik zu übertragen ist nicht neu. Begegnungsverkehre, bei denen sich zwei Fahrzeuge in etwa der Mitte der Distanz zwischen zwei Standorten treffen, ihre Wechselaufbauten oder Sattelauflieger tauschen und sich wieder auf den Weg zurück zum eigenen Depot machen, sind aus der Logistik nicht wegzudenken. Relativ neu allerdings ist der Ansatz, sich für die Planung von komplexeren Staffelverkehren intelligente Software zunutze zu machen. So bietet das spanische Start-up Trucksters europaweite FTL-Transporte an, die dank eines KI-gesteuerten Relais-Systems deutlich schneller gehen sollen als Standardtouren mit einem Fahrer, der für lange Strecken mehrere Tage unterwegs ist. 1,5 Millionen Euro Förderung vom Bund Dass die Idee des unternehmensübergreifenden Staffelverkehrs auch hierzulande Anhänger gewinnt, zeigt ein neues Forschungsprojekt der unter anderem für das Cluster Smart Logistik zuständigen Forschungs- und Ausbildungseinrichtung FIR an der RWTH Aachen. Im Dezember 2021 markierten neben FIR folgende Projektpartner den Kick-off zu "Staffel": das Aachener Start-up Mansio, die RWTH-Ausgründung PEM Motion sowie das Deutsche Institut für Normung (DIN). Das Ziel ist ehrgeizig: eine KI-gestützte Internetplattform für den speditionsübergreifenden Staffelverkehr zu schaffen und so wesentlich zur effizienteren Gestaltung von Lkw-Transporten beizutragen. Dabei hat das Projekt die Unterstützung der Innovationsinitiative mFUND des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr im Rücken, die das Vorhaben mit insgesamt 1,5 Millionen Euro fördert. Fitte Fahrer, weniger Parkplatzprobleme Die Projektpartner setzen bei ihrer Vision vom Staffelverkehr der Zukunft zentral bei den Lenk- und Ruhezeiten an. Gerade auf Langstrecken kommt es schließlich zu einer erheblichen Verlängerung der Transportzeit. Durch das Aufsplitten in Teilstrecken soll das Fahrpersonal gleich zweifach entlastet werden: Die Trailer werden am Ende der jeweiligen Lenkzeit an ausgeruhte Fahrer übergeben, Fahrerinnen und Fahrern wird dadurch ermöglicht, häufiger am Heimatort zu bleiben. Auch dem Dauerproblem Parkplatzmangel und seinen Folgen will man mit smarten Staffelverkehren beikommen. Wild parkende Lkw verursachten schließlich Unfälle, belästigten Anwohner und begünstigten Ladungsüberfälle, argumentieren die Projektpartner. "Das Projekt Staffel bringt das Postkutschenprinzip auf die Straße", sagt Maik Schürmeyer, CEO des am FIR angedockten Start-ups Mansio, das die Plattform umsetzen soll. Mithilfe von KI-Algorithmen soll sie Langstrecken in Teilstrecken zerlegen und diese anschließend über einen Lenkzeiten-Marktplatz zwischen Speditionen und Frachtführern anhand von Echtzeitdaten vermitteln. "Wir sehen Lenkzeit als Ressource im Güterverkehr, die man einkaufen kann", so Schürmeyer auf der im Hybridformat abgehaltenen Kick-off-Veranstaltung. Das Fahrpersonal wird via App an das System angebunden. Es geht Schürmeyer aber auch um eine Integration des Themas Elektromobilität, das der Senkung der CO2-Emissionen zugutekomme. Nach dem Kick-off sind die Projektpartner erst einmal mit einer Anforderungsanalyse beschäftigt. Hinter der Idee eines Lenkzeitenmarktplatzes steckt schließlich ein komplexes Geflecht aus teilnehmenden Parteien mit den unterschiedlichsten Telematik- und IT-Systemen, verschiedensten Datenquellen und somit einem naturgemäß hohen Bedarf an Schnittstellen (siehe Grafik oben). Dazu wurde unter anderem Open Telematics als assoziierter Partner im Bereich Netzwerk an Bord geholt. Der Verein hat eine Standardschnittstelle für die Anbindung von Telematiksystemen erarbeitet. Feldversuche mit regionalen Speditionen Im Schlussquartal dieses Jahres soll der Prototyp der Plattform samt Integration von Telematik- und TMS-Anbietern finalisiert werden. Im Herbst 2023 soll sie auch an die MCloud des Bundes angedockt werden. Eine der insgesamt fünf Arbeitsgruppen im Projekt widmet sich zudem ganz dem Thema IoT-Sicherheit, so sollen smarte Technologien zur Diebstahlsicherung zum Einsatz kommen. Wenn die Plattform und das Diebstahlsicherungssystem prototypisch fertig sind, sollen sie schließlich in zwei Feldversuchen validiert werden: Im ersten Feldversuch werden regionale Transportunternehmen über den Lenkzeitenmarktplatz miteinander vernetzt, im zweiten Feldversuch Wechselstationen entlang einer Hauptverkehrsroute etabliert und der Staffelverkehr praktisch erprobt. Diese Aufgaben werden folgende assoziierte Partner übernehmen: die Aachener Unternehmen Hammer Road-Cargo und AKS Internationale Spedition sowie Offergeld Logistik aus Würselen. Außerdem als operativer Partner dabei ist Autohofbetreiber Euro Rastpark. "Mit dem Staffel-Projekt erhoffen wir uns, überflüssige Fahrten im Parksuchverkehr zu reduzieren und den Weg für alternative Antriebe zu ebnen", erklärt Stefan Küpper, Geschäftsführer Hammer Road-Cargo, die Motivation seines Unternehmens, bei "Staffel" mitzumachen. Bis Mai 2024 soll das Projekt abgeschlossen werden. "Veränderungen im Unternehmenskontext umzusetzen ist bereits eine große Herausforderung", sagt Tobias Schröer, Projektleiter seitens des FIR und dort Bereichsleiter im Bereich Produktionsmanagement. Er zeigt sich aber vom Potenzial des Projekts überzeugt: "In Staffel haben wir die Möglichkeit, wirkliche Veränderungen einer Branche anzustoßen und dabei gleichberechtigt die Interessen aller Stakeholder zu berücksichtigen." Mehr zum Thema unter #LenkundRuhezeiten www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Lkw-Fahrpersonal, das tagelang unterwegs ist, notorisch überfüllte Parkplätze - diese Probleme könnte die Transportbranche durch das Aufsplitten von langen Strecken in kürzere Teilstrecken in den Griff bekommen, zeigen sich die Partner des neuen Forschungsprojektes "Staffel" aus Aachen überzeugt.

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