Zufall Logistics stellt Führung neu auf – CEO Müller-Kronberg über Strategie, Innovation und Wachstum

Herr Müller-Kronberg, Sie sind Inhaber der Zufall Logistics Group. Medienberichten zufolge hat sich Ihr Speditions- und Logistikunternehmen eine neue Führungsstruktur gegeben. Wie sieht diese aus? Ja, wir haben uns mit der Geschäftsführung neu aufgestellt. Ich selbst bin jetzt als CEO für die strategische Weiterentwicklung, unser Innovationslabor "Zufall.Lab" und das Marketing verantwortlich. Thomas Köhler bleibt als CFO zuständig für Finanzen und Personal. Und bei Christian Löschen liegt die Verantwortung für alle operativen Themenbereiche und das Business Development. Was ist der Hintergrund dafür? Unser Familienunternehmen mit Stammsitz in Göttingen kommt traditionell aus dem regionalen Sammelgutgeschäft. Dieses Geschäft haben unsere Niederlassungsleiter in den letzten Jahrzehnten erfolgreich weiterentwickelt, sodass wir mittlerweile in Deutschland an elf Standorten präsent sind. Diese Organisation nach Standorten haben wir nun vor Kurzem geschärft und fokussieren jetzt auf eine produktgetriebene Organisation. Welche Vorteile versprechen Sie sich von dieser Neuerung? Für unsere neue Organisation spricht einiges. Wir haben uns vor allem noch stärker von hierarchischen Strukturen gelöst. Unsere Prozesse sind nach den Produktbereichen ausgerichtet, in denen unser Unternehmen aktiv ist. Außerdem schaffen wir mehr Transparenz bezüglich der Verantwortlichkeiten und Aufgaben. Natürlich versprechen wir uns von der neuen Organisation auch schlankere Prozesse, eine bessere Prozessqualität und noch größere Wettbewerbsfähigkeit. Es ist dabei immer unser Ziel, die Struktur gemeinsam mit unseren Mitarbeitenden weiterzuentwickeln. Dieses Anliegen ist fest in der neuen Organisation verankert. Und es freut mich sehr, wie sich unsere Mitarbeitenden mit ihrem Wissen einbringen. Kommen wir auf Ihre Zahlen zu sprechen. Die deutsche Wirtschaft befindet sich im dritten Jahr der Rezession. Wie schlug sich dies bei Zufall im vergangenen Geschäftsjahr in der Umsatz- und Mengenentwicklung nieder? Wir sind nicht unzufrieden. Im abgelaufenen Geschäftsjahr 2024 haben wir mit 5,3 Millionen Sendungen (5 Millionen in 2023 - die Redaktion) einen nicht konsolidierten Umsatz von knapp über 450 Millionen Euro erzielt - davon entfallen allein rund 50 Prozent auf unser Stückgutgeschäft. Das sind 5,2 Prozent mehr Umsatz als im Vorjahreszeitraum 2023. Aber natürlich merken auch wir die hohe Kostensensibilität in den Unternehmen und damit einen flächendeckend hohen Preisdruck. Aktuell sind unsere Kunden sogar noch kostensensibler als etwa vor zwölf Monaten. Die Sendungszahlen entwickeln sich aber zufriedenstellend, auch wenn wir Sammelgutspediteure uns natürlich immer mehr Menge wünschen (lacht). Besonders positiv haben sich im vergangenen Geschäftsjahr unsere Geschäftsbereiche See- und Luftfracht, Verzollung, Kontraktlogistik sowie Nachtexpress (Night Star Express - die Redaktion) entwickelt. Was sind in Ihrem Unternehmen die Kronjuwelen? Im Stückgutgeschäft ist hier der europäische Bereich hervorzuheben und die genannten Geschäftsbereiche. Dort können wir unsere größte Stärke sehr gut ausspielen: Wir haben ein tiefgehendes Verständnis für die Prozesse unserer Kunden, gerade in der Biotech-Branche. Das zeigt sich etwa am Beispiel unseres Kunden Sartorius, mit dem wir seit über 20 Jahren in einem Joint Venture zusammenarbeiten und mehrere gemeinsame nachhaltige Logistikimmobilien errichtet haben. Zudem verfügen wir über eine hohe Reifen- und Ersatzteil-Expertise in der Kontraktlogistik. Unsere Kernkompetenzen sind dabei das Ergebnis jahrelanger Erfahrung - ebenso wie die vertrauensvollen Partnerschaften mit unseren Kunden. In unseren Produktbereichen sehen wir auch weiterhin großes Wachstumspotenzial, weil wir uns klar von anderen Anbietern unterscheiden. Unsere Mitarbeitenden denken für unsere Kunden mit, verstehen ihre Herausforderungen und generieren so echten Mehrwert. Wir positionieren uns also bewusst als strategischer Logistikpartner - nicht als günstigster Anbieter, sondern als derjenige, der durch Qualität, Verlässlichkeit und vorausschauendes Handeln überzeugt. Interessanterweise haben Sie bei Ihren Kronjuwelen nicht Ihr innerdeutsches Stückgutgeschäft genannt, mit dem Zufall groß geworden ist. Würden Sie so weit gehen, dass dieses Geschäftsfeld aktuell zu Ihren Sorgenkindern zählt? Nein, so würde ich das nicht formulieren. Denn trotz der schwierigen Wirtschaftslage konnten wir 2024 unser Sendungsvolumen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um rund vier Prozent steigern. Doch der Preisdruck im Stückgut ist immens. Kunden bewegen sich weiterhin in beide Richtungen; wir geben Volumen ab und gewinnen Neues hinzu. Das ist nichts Neues und so gesehen zeigt das Stückgutgeschäft weiterhin Potenzial - auch in Deutschland. Zumindest solange man sich höchste Prozesseffizienz zum Ziel macht. An welchen Schrauben drehen Sie, um speziell im Stückgutgeschäft noch effizienter zu werden? Das Sammelgutgeschäft ist in vielen Teilbereichen ein manuelles Geschäft. Das größte Optimierungspotenzial besteht im Warenumschlag. Um dort effizienter zu werden, vertrauen wir auf digitale Lösungen. So setzen wir im Umschlagslager zum Beispiel "Motion Miners" und unseren Digitalen Zwilling ein. Diese Anwendungen unterstützen unsere Mitarbeitenden, sparen Zeit und damit Kosten, erhöhen aber auch die Prozessstabilität und -transparenz. Und das über alle fünf Sammelgutstandorte hinweg. Synergiepotenziale zu erfassen und übergreifend zu nutzen, ist die größte Stellschraube. Außerdem arbeiten wir natürlich an weiteren Innovationen und investieren gezielt in deren Entwicklung. Dabei wurde deutlich, dass es dafür einen eigenen Raum jenseits des logistischen Tagesgeschäfts braucht. Diesen Raum bietet bei uns das Zufall.Lab - unsere Experimentierwerkstatt für neue Ideen. Das Team versteht sich als Brückenbauer:innen und stärkt gezielt die Innovations- und Veränderungsfähigkeit unseres Unternehmens, wie zum Beispiel mit der Entwicklung des Digitalen Zwillings. Und wie wollen Sie mit Zufall Logistics erfolgreich weiterwachsen? Mir geht es um qualitatives Wachstum. Wir messen unseren Erfolg anhand der drei Säulen People, Planet und Profit. Wir fördern Green Leadership im Unternehmen. Das bedeutet, dass Führungskräfte bewusst eine Vorbildrolle einnehmen und ökologische Verantwortung aktiv leben. Es geht nicht nur darum, nachhaltige Entscheidungen zu treffen, sondern auch darum, andere zu inspirieren, diesen Weg mitzugehen. Ein wichtiges Handlungsfeld in der Säule Planet sind unsere Treibhausgas-Emissionen, die wir reduzieren werden. Wachstumspotenzial im Sinne von Profit sehen wir in den Geschäftsfeldern, in denen wir heute schon Wettbewerbsvorteile verzeichnen, zum Beispiel Nischen wie dem Nachtexpressgeschäft über unsere Beteiligung an Night Star Express. Deutlich stärker als das Stückgutgeschäft dürften unser Kontraktlogistik-, See- und Luftfracht- sowie das Verzollungsgeschäft wachsen. Wir haben für alle Produkte konkrete Wachstumsziele definiert. Unternehmensweit streben wir für 2030 einen Umsatz von 600 Millionen Euro an. Bei wieviel Umsatz dürften Sie im Geschäftsjahr 2025/2026 landen? Ich gehe davon aus, dass wir das Umsatzniveau halten werden. Das ist ein sehr ambitioniertes Ziel, aber ich bin zuversichtlich. Die Weichen dafür haben wir mit der Neuaufstellung unserer Organisation gestellt. Mit welchen USPs, Alleinstellungsmerkmalen, will Zufall Logistics im Markt punkten? Neben unseren Kernkompetenzen bildet unsere strategische Ausrichtung ein weiteres Alleinstellungsmerkmal. Die Ausrichtung auf "die drei P" - People, Planet, Profit - zeigt sich in vielen Beispielen. Seit Februar bieten wir zum Beispiel im Sammelgutgeschäft mit unserem neuen Produkt "Premium E" erstmals einen vollständig CO2-freien Transport im eigenen Nahverkehr an - ohne Kompensation, dafür mit zertifizierter CO2-Einsparung. Das ist möglich, weil wir innerhalb unserer "Zufall-Welt" End-to-End denken. Wir betrachten die gesamte Wertschöpfungskette - von der Fahrzeugtechnologie über die Ladeinfrastruktur bis hin zur Energiegewinnung. Der Einsatz von E-Lkw ist dabei nur der Anfang. Parallel dazu haben wir eigene Ladepunkte und Photovoltaik-Anlagen aufgebaut, um ein nachhaltiges Ökosystem für Elektromobilität zu schaffen. Wir setzen jetzt seit Anfang 2024 E-Lkw ein. Mittlerweile haben wir 17 eigene E-Lkw, das entspricht einem Anteil von 30 Prozent unseres gesamten Eigenfuhrparks. Mit diesen bedienen wir im Nachtsprung unsere Stückgutstandorte Göttingen, Fulda, Eichenzell, Grammetal und Haiger. Denn unser Antrieb ist es, unserer Verantwortung gegenüber den Nachfolgegenerationen gerecht werden. Wir wollen eine enkeltaugliche Logistik gestalten.