Showdown am 28. Februar

Rund 15 Kilometer müssen Lkw-Fahrer der Containerspedition Meta & Peter Beeken zu den Terminals des Hamburger Hafen zurücklegen. Bei normalem Straßenverkehr sind sie höchstens eine halbe Stunde unterwegs. "An vielen Tagen verlängern aber Staus die Anfahrt auf bis zu 90 Minuten", berichtet Bernd Beeken, Inhaber der im Wilhelmsburger Osten gelegenen Firma. "Wenn noch Kundentermine anstehen, sind die Fahrer mehrere Stunden auf Achse." Und wenn die Fahrer in den Terminals endlich eintreffen, ist der gebuchte Slot längst verfallen. Da ein neues Zeitfenster oft erst Stunden später belegt werden kann, fallen lange Wartezeiten an. "Für einen Termin können Mehrkosten von mehreren 100 Euro entstehen", rechnet Beeken vor. "Die Kunden übernehmen diese nicht." Beeken sieht sich als Opfer des neuen Slotbuchungsverfahrens SBV der Hamburger Hafen- und Logistik AG HHLA. Seit Ende November dürfen Lkw die Containerterminals im Hamburger Hafen nur noch anfahren, wenn ein einstündiges Zeitfenster für die Be- und Entladung gebucht worden ist. Die HHLA reagierte mit diesem Tool auf die immer größeren Containerschiffe, die den wichtigsten deutschen Hafen ansteuern. Je mehr TEUs und FEUs entladen werden müssen, desto mehr Lkw-Anläufe fallen an. Mit dem SBV sollen Engpässe in der Abfertigung vermieden werden. Jede Stunde darf nur eine festgelegte Anzahl von Lkw die Terminals anfahren. Von einer "intelligenten Lösung", die den Containertransport im Hafen schneller und effizienter mache, schwärmte HHLA-Vorstand Jens Hansen bei der Einführung des SBV. "Die Software ist ein gutes Beispiel für unseren Anspruch, den digitalen Wandel gemeinsam mit unseren Partnern voranzutreiben", versicherte er. Unzumutbar und nicht kalkulierbar Solche Aussagen empfinden manche Container-Trucker als puren Hohn. Mit dem SBV verlagere die HHLA die Probleme ihrer Terminals auf die Straße, lautet ein wiederkehrender Vorwurf. "Dieses System ist eine Zumutung", schimpft Marcel Grupe, Dispositionschef von Walter Lauk. Nicht genug damit, dass Staus und Straßenbaustellen eine Kalkulation der voraussichtlichen Ankunftszeit in den rund einem halben Dutzend Terminals massiv erschweren. Zudem können viele Zeitfenster nicht zu den gewünschten Terminen gebucht werden. "Wir müssen mindestens zwei bis drei Stunden zusätzlich kalkulieren", sagt Grupe. Auch an den Terminals selbst könne von einer schnellen Abfertigung keine Rede sein. Wenn verspätete Lkw von Drittunternehmen "dazwischengeschoben" werden oder nicht ausreichend Terminal-Mitarbeiter anwesend sind, müssen Grupes Erfahrungen zufolge auch pünktlich eintreffende Lkw warten. Hinzu kommen Infrastrukturprobleme. "Für Lkw, die vor dem gebuchten Slot eintreffen, gibt es keine Parkplätze auf dem Hafengelände", schimpft Beeken. Wenn die Fahrer jedoch auf Autobahn- und anderen Parkplätzen in der Umgebung warten, laufen sie Gefahr, auf der letzten Meile doch noch in einen Stau zu geraten und den Slot zu verpassen. Gar nicht zu reden vom Buchungsaufwand. Da viele Container-Trucker mehrere 100 Slots am Tag benötigen, kosten die PC-Eingaben richtig Zeit. "Jedes Zeitfenster muss manuell eingegeben werden", berichtet Beeken. "An einer automatisierten Lösung bin ich sehr interessiert." Zersplitterte Kompetenzen Die HHLA wehrt sich gegen solche Vorwürfe, die auch auf die zersplitterten Kompetenzen im Hamburger Hafen zurückzuführen sind. Für das Parkplatzproblem fühlt sie sich nicht zuständig und sieht die Hafenbehörde HPA in der Verantwortung. "Rund 95 Prozent der Zeitfenster werden eingehalten", versichert ein Unternehmenssprecher und weist auf die Toleranzphasen hin. Vor und nach jedem Slot werden 30 Minuten hinzugerechnet, zwischen 19 Uhr abends und sechs Uhr morgens gibt es gar 90 Minuten Bonus. Allerdings schweigt sich die HHLA darüber aus, ob die Lkw tatsächlich pünktlich abgefertigt werden. Grundsätzlich wünscht der Dienstleister einen Vorlauf von wenigstens vier Stunden, was jedoch nur für ein Viertel der Buchungen zutrifft. Ansonsten machen ihm offenbar zunehmend "NoShows" zu schaffen, also Slots, die nicht genutzt werden und nicht oder aber verspätet storniert werden. Tatsächlich ist es ein offenes Geheimnis, dass manche Speditionen für ihre Ladung mehrere Zeitfenster buchen und sich so gegen mögliche Verspätungen absichern. Anstrengungen zeigen erste Erfolge Solche und andere Probleme sollen nun an einem "Runden Tisch" am 28. Februar diskutiert werden, zu dem die Logistik-Initiative Hamburg die HHLA, Container-Trucker, Speditionen, Reedereien, Verbände und andere Marktteilnehmer eingeladen hat. "Wir wollen Abfertigungszeiten beschleunigen und Wartezeiten reduzieren", formuliert Hans Stapelfeldt, Projektmanager der Logistik-Initiative und vormals selbst Vorstand mehrerer Container-Trucker. Für diesen Termin wird es höchste Zeit. Denn inzwischen haben die ersten Firmen begonnen, SBV-Mehrkosten auf die Kunden umzulegen. So fordert der Depotbetreiber Progeco Deutschland ab 1. März für jede Slotbuchung eine Bearbeitungsgebühr von fünf Euro. Für den Containerdienst Glomb, ein Kunde von Progeco, war dieser Vorstoß Anlass, die Gesamtkosten einer Buchung für Disposition, Fahrer und Fahrzeug zu ermitteln. Pro Vorgang kam er auf durchschnittlich 37,50 Euro, die er an Kunden weiterreicht. Hinzu kommt eine Pauschale von 30 Euro pro halbe Stunde Wartezeit. "Reedereien und Speditionen reagieren mit großen Verständnis", versichert Geschäftsführer Sigward Glomb. Er räumt aber ein, dass sich die Vorlaufzeiten für Slots mittlerweile auf zwei Stunden verkürzt haben. Vor Weihnachten waren diese noch über einen halben Tag lang. Offenbar tragen die Anstrengungen der HHLA Früchte, in Gesprächen mit Verbänden und Containerspeditionen das Problem anzupacken. So sei in den vergangenen zwei Wochen die Zahl der nicht genutzten Slots um die Hälfte zurückgegangen und machen nur noch zehn Prozent aus, melden die Hamburger zufrieden. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Seefracht www.verkehrsrundschau.de/dossiers Slotbuchungssysteme Blick über die Grenzen: Welche Terminals mit Slotbuchungen arbeiten Slotbuchungen sind nicht neu: So arbeiten die Terminalbetreiber in den Häfen Antwerpen und Rotterdam mit solchen Systemen. Auch die trimodalen Anlagen von Contargo und Swissterminal in Basel haben Zeitfenster eingeführt. Beide Betreiber halten 30 Minuten pro Lkw für ausreichend."Wir haben pro Terminal für alle Verkehrsträger lediglich einen Kran zur Verfügung", begründet Contargo-Terminalchef Sven Zölle die Einführung für den einzigen "nicht planbaren" Verkehrsträger."Die weitaus meisten Lkw sind nach Kundenterminen erst zu den Peak-Zeiten am Mittag eingetroffen", erläutert Marc Birchmeier, Qualitätsmanager von Swissterminal."Bei rund 70 Prozent gab es Nachfragen wegen fehlender Freistellungen und Verzollungen." Die Software, die Swissterminal im Herbst 2016 einführte, arbeitet zweistufig. Im ersten Schritt prüft sie, ob Fragen zum Container oder zur Ladung offen sind. Im zweiten Schritt weist sie dem Antragsteller eine Slotnummer für ein halbstündiges Zeitfenster zu. Im Terminal Birsfelden können in diesem Zeitraum bis zu sieben Einheiten umgeschlagen werden."Fahrer, die sich verspäten, können bis zum Start des Slots umdisponieren", sagt Birchmeier.Spediteursklagen über überlange Vorlauf- und Wartezeiten sind nicht bekannt. Dabei haben die Systeme einen Schwachpunkt: Sie können tagesaktuelle Parameter wie die Mitarbeiterzahl nicht abbilden. bot