Seeschifffahrt: EU-Vorschriften zu bürokratisch

24.05.2006 15:45 Uhr

Kritik an EU-Plänen: Risiko Mensch bei Havarie-Schutz stärker berücksichtigen

Kiel. Neue Vorschläge der EU-Kommission zum besseren Schutz der Meere vor Schiffshavarien lassen nach Expertenansicht den Risikofaktor Mensch zu sehr außer Acht. „Mit Beamtenmentalität glaubt man, durch Vorschriften und Datenbanken Sicherheit zu produzieren“, sagte Seerecht-Professor Uwe Jenisch heute in Kiel zu den von Brüssel entworfenen Richtlinien des „Erika III“-Pakets. „Dabei übersieht man, dass bei 80 Prozent aller Schiffsunfälle menschliches Fehlverhalten mindestens mitverantwortlich ist.“ Er vermisse vor allem eine Pflicht zur Sicherheits-Fortbildung für Kapitäne und Crews. Die Vorlage der Kommission ans Parlament habe aber viele gute Aspekte. So soll es bei auffälligen Schiffen mehr Kontrollen geben. Jenisch sprach bei einem Expertenforum auf Einladung des schleswig-holsteinischen EU-Abgeordneten Willi Piecyk (SPD). Piecyk sagte, es sei parteiübergreifender Konsens, den Schutz auszubauen. Das Paket werde in diesem Jahr noch beraten und könne in strittigen Punkten noch verändert werden. Möglicherweise müsse es auch nach verschiedenen Teilgebieten aufgespalten werden. Die EU hatte nach dem Untergang des Tankers „Erika“ vor der Bretagne im Jahr 2001 in zwei Gesetzespaketen Bestimmungen zum Havarieschutz gefasst. Es entstand die Europäische Agentur für Sicherheit des Schiffsverkehrs. Insbesondere begrüßte Jenisch die geplante Einführung einheitlicher „funktional unabhängiger“ Untersuchungs- Kommissionen für Schiffsunfälle. „Die Frage von Schuld oder Haftung ist hier nicht Gegenstand.“ Es gehe darum, aus Unglücken zu lernen. „Das wäre ein einheitliches, halbwegs transparentes System.“ In mehreren Punkten beklagte Jenisch aber parallele Planungen der EU zusätzlich zu Abkommen der International Maritime Organization (IMO). Auf Skepsis stieß auch unter anderem der Vorschlag der EU-Kommission, Lotsen Kontrollaufgaben zu übertragen. Sie sollen dann bedenkliche Defekte von Schiffen an Behörden melden. Der Präsident des Bundesverbandes der See- und Hafenlotsen, Gerald Immens, sagte: „Bisher sind wir als Berater und Partner akzeptiert.“ Dies stehe auf der Kippe, wenn die Lotsen als „Hilfssheriffs“ auftreten müssten. Der Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Reeder, Hans-Heinrich Nöll, begrüßte die Kommissionspläne zu den Hafenkontrollen: „Die auffälligen Schiffe werden häufiger kontrolliert, die nicht auffälligen seltener. Dieser Vorschlag ist völlig richtig.“ Vehement sprach er sich aber gegen geplante Änderungen beim Haftungsrecht aus. (dpa/sb)

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