Seehandelsrecht

Seehandelsrecht Mit voller Kraft in Richtung Zukunft Die Bundesregierung hat das über 100 Jahre alte deutsche Seehandelsrecht modernisiert, um es fit für den internationalen Wettbewerb zu machen. Das jetzt beschlossene Reformgesetz hat aber auch Konsequenzen für das Landfrachtrecht. Berlin macht Klarschiff: Die Bundesregierung hat das größtenteils aus dem 19. Jahrhundert stammende Seehandelsrecht entstaubt und unnötigen gesetzlichen Ballast über Bord geworfen. Das vom Bundesjustizministerium vergangenes Jahr vorgelegte Reformgesetz ist fast unverändert vom Bundestag beschlossen worden und Ende April in Kraft getreten. Das im Fünften Buch des Handelsgesetzbuchs (HGB) kodifizierte Seehandelsrecht ist im Zuge der Reform komplett neu gefasst und deutlich übersichtlicher strukturiert worden. Durch sprachliche und systematische Änderungen sollen die gesetzlichen Vorgaben nun nicht nur verständlicher und praktisch handhabbarer sein, sondern auch den heutigen Bedürfnissen der Wirtschaft entsprechen. Bund streicht veraltete Paragrafen Rechtsinstrumente aus der Zeit der Segelschifffahrt sind gestrichen und Regelungen des Seefrachtrechts modernisiert worden. Abgeschafft wurden unter anderem die Partenreederei, die Haftung des Kapitäns für die Ausführung von Verträgen, die der Reeder abgeschlossen hat, und das seerechtliche Verklarungsverfahren. Viele Änderungen betreffen die Haftungsregeln. Jene beruhen auch weiterhin auf den Prinzipien der von Deutschland ratifizierten Haager Regeln und den in das Fünfte Buch des HGB übernommenen Haag-Visby-Regeln. Eine Ausnahme gilt für Feuer und für nautisches Verschulden, also für Fehler der Besatzung bei der Führung und Bedienung des Schiffes. Künftig besteht in solchen Fällen kein gesetzlicher Haftungsausschluss mehr zugunsten des Verfrachters. Ein solcher Haftungsausschluss sei, wie ein Vergleich mit allen anderen Transportrechten und neueren internationalen Seerechtsübereinkommen zeige, nicht mehr zeitgerecht, lautet die Begründung. Damit verschärft der Gesetzgeber auch die Vorschriften für den Fixkostenspediteur, den Sammelladungsspediteur und für den Spediteur, der im Auftrag eines Befrachters (Absenders) selbst Güter befördert. Denn diese haften wie ein Verfrachter. Gleiches gilt, wenn der Spediteur unmittelbar einen Seefrachtvertrag abschließt. „Durch Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) kann man die gesetzliche Haftung bei Schäden durch Feuer oder nautisches Verschulden aber wieder ausschließen“, erklärt Stephan Rieß, der beim Versicherungsmakler Schunck im Geschäftsbereich Verkehr und Logistik tätig ist. Da die Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen (ADSp) einen solchen Haftungsausschluss nicht vorsehen, sollte der Spediteur darauf achten, ihn mit seinem Auftraggeber zu vereinbaren. „Denn die Reedereien werden weiterhin in ihren Dokumenten davon Gebrauch machen“, betont der Experte. Dies sei allein daher wichtig, um einen Gleichlauf der Haftung im Verhältnis zwischen Reeder und Spediteur einerseits sowie Spediteur und Verlader andererseits zu gewährleisten. Eine vertragliche Haftungsfreizeichnung für sogenannte Landschäden, also für Schäden, die zwischen der Übernahme des Gutes bis zum Einladen in das Schiff und nach dem Ausladen aus dem Schiff bis zur Ablieferung verursacht werden, soll dagegen – wie jede Haftungserleichterung für den Verfrachter – künftig nur noch mittels Individualabrede möglich sein, nicht mehr mittels AGB. Die Landschadensklausel ist also dann wirksam, wenn sie nicht im Kleingedruckten, sondern im Rahmenvertrag steht. Differenzierung bei Seefrachtverträgen Wenn ein Spediteur einen Seetransport organisiert oder entsprechende Vereinbarungen mit Reedern trifft, passiert das in der Regel auf Basis eines Stückgutfrachtvertrags. „Das Seehandelsrecht unterscheidet jetzt zwischen dem Stückgutfrachtvertrag und dem Reisefrachtvertrag“, sagt Rieß. Dabei seien Vorschriften aus dem Landfrachtrecht über die Abwicklung der Beförderungsverträge übernommen worden. Kündigt der Befrachter den Stückgutfrachtvertrag, kann der Verfrachter zum Beispiel die vereinbarte Fracht sowie zu ersetzende Aufwendungen abzüglich der ersparten Aufwendungen oder ein Drittel der vereinbarten Fracht, die sogenannte Fautfracht, verlangen. Im letzteren Fall muss er keine Rechenschaft über eventuell ersparte Aufwendungen ablegen. Außerdem gestattet der Gesetzgeber seit Kurzem, dass der Verfrachter bei ausgestelltem Konnossement ohne ausdrückliche Zustimmung des Befrachters auf Deck verladen und umladen darf, wenn das Gut sich in oder auf einem Lademittel befindet, das für die Beförderung auf Deck tauglich ist, und wenn das Deck für die Beförderung eines solchen Lademittels ausgerüstet ist. „Allerdings kann der Befrachter beziehungsweise Ablader einer Decksverladung widersprechen“, sagt Rieß. Eine unerlaubte Verladung auf Deck führe zu einer verschuldensunabhängigen Haftung. Direkthaftung gegen Subunternehmer Gänzlich neu ist die Rechtsfigur des ausführenden Verfrachters. Das ist derjenige, der nicht Vertragspartner des Befrachters ist, aber die tatsächliche Seebeförderung ganz oder teilweise durchführt. Das kann ein Reeder oder ein Umschlagunternehmen im Hafen sein, das der Verfrachter als Subunternehmer beauftragt hat. Mit der Einführung des ausführenden Verfrachters will der Gesetzgeber der Tatsache Rechnung tragen, dass in einen Seetransport neben dem vertraglichen Verfrachter oft weitere selbstständige Unternehmer eingeschaltet sind, die die Beförderung ausführen und dabei Güter beschädigen könnten. Der Befrachter, dessen Ladung beim Verladen oder Löschen beschädigt wurde, kann künftig direkt auf den Schadenverursacher zugreifen. Der ausführende Verfrachter haftet dabei für den Verlust oder die Beschädigung von Gütern genauso wie der vertragliche Verfrachter. Ersterer kann also alle Einwendungen und Einreden geltend machen, die dem Verfrachter aus dem Stückgutfrachtvertrag zustehen. Das gilt auch dann, wenn er von dem aus dem Konnossement Berechtigten in Anspruch genommen wird. Voraussetzung ist, dass der ausführende Verfrachter der zwischen dem Befrachter und vertraglichem Verfrachter vereinbarten Haftungserweiterung zu seinen Lasten schriftlich zugestimmt hat. Der ausführende Verfrachter haftet zusammen mit dem vertraglichen Verfrachter als Gesamtschuldner. Der Geschädigte, zum Beispiel der befrachtende Spediteur, kann sich also aussuchen, wen er in Regress nimmt. Eine Haftung des ausführenden Verfrachters besteht aber nur dann, wenn der Schaden wegen Verlust oder die Beschädigung während der Zeit entstanden ist, in der er die Obhut über das Gut hatte. Niedrigere Hürden für Schiffsarreste Schließlich braucht es künftig keinen Arrestgrund mehr, um ein Seeschiff zu beschlagnahmen. Es kommt also nicht mehr darauf an, ob ohne den Arrest die Vollstreckung des Urteils vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde. Der Spediteur muss nur noch gerichtlich einen Anspruch gegen den Reeder geltend machen. In den Niederlanden und Belgien ist die Beschlagnahmung von Schiffen als Methode zur Sicherung von Forderungen gegen den Reeder längst an der Tagesordnung. Ist das Schiff erst einmal gepfändet, darf es nicht eher auslaufen, bis der Schuldner einen bestimmten Betrag oder einen Garantiebrief des Haftpflichtversicherers als Sicherheit für den Gläubiger hinterlegt. Die Modernisierung des Seehandelsrechts lässt auch die Paragrafen des allgemeinen Transportrechts nicht unberührt. Im Zuge der Reform hat der Gesetzgeber einige Korrekturen am Fracht-, Speditions- und Lagerrecht im Vierten Buch des HGB vorgenommen. So ist die gesetzliche summenmäßige Beschränkung der Haftung des Absenders für Fehlinformationen beseitigt worden. Für den Spediteur in seiner Eigenschaft als Absender sei jetzt besondere Vorsicht beim Abschließen von Frachtverträgen geboten, da er sich bei falschen oder unvollständigen Angaben über Maß, Zahl, Gewicht oder über Merkzeichen des Gutes sowie bei ungenauen Angaben zur Gefährlichkeit des Gutes einer unbeschränkten Haftung aussetze, sagt Rieß. Verjähren per E-Mail oder Fax hemmen Einige Neuregelungen im Landfrachtrecht berücksichtigen vor allem die veränderte Schifffahrtspraxis und die Digitalisierung des Geschäftsverkehrs. Zum Beispiel gibt es jetzt eine gesetzliche Grundlage für die Verwendung elektronischer Beförderungsdokumente. Ebenso wie beim Konnossement und beim Seefrachtbrief soll es auch beim Frachtbrief, Ladeschein oder Lagerschein möglich sein, das herkömmliche papiergebundene Dokument durch eine elektronische Aufzeichnung zu ersetzen. Neue Vorgaben macht der Staat auch für die Form der verjährungshemmenden Haftbarhaltung. Denn die Frage, wie zu verhindern ist, dass Schadenersatzansprüche gegen den Frachtführer verfallen, hatte in der Vergangenheit oft die Gerichte beschäftigt. „Bisher hatte der Gesetzgeber für die Hemmung der Verjährung bei nationalen Verkehren die Schriftform verlangt“, sagt Rieß. Inzwischen wird auch eine durch E-Mail oder Fax übermittelte Erklärung des Absenders oder Empfängers, mit der dieser Ersatzansprüche erhebt, als formgültige Erklärung anerkannt, die die Verjährung hemmt. Dies solle die Kommunikation aller Beteiligten erleichtern, so der Rechtsanwalt. Ansprüche aus dem Seefrachtvertrag oder dem Konnossement verjähren binnen eines Jahres. Seit Inkrafttreten der Reform ist es darüber hinaus nicht mehr nötig, Haftungslimits in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die von den gesetzlichen Höchstbeträgen (8,33 Sonderziehungsrechte pro Kilogramm) im Rahmen des Haftungskorridors von 2 bis 40 Sonderziehungsrechten je Kilogramm abweichen, drucktechnisch hervorzuheben. Es genügt stattdessen, den Vertragspartner „in geeigneter Weise“ auf die anderweitige Haftungsbegrenzung aufmerksam zu machen. Das Problem hierbei: Zwar hat der Gesetzgeber die Vorschrift zum Fettdruck gelockert, er führt jedoch nicht aus, welche Gestaltung der AGB er als geeignet ansieht. „Wer die bisherige Anforderung erfüllt hat, ist auf der sicheren Seite“, betont Rieß. Neu geregelt ist zu guter Letzt die Pflicht des Befrachters, auf einer Palette oder in einem Container übergebene Güter beförderungssicher zu stauen und zu befestigen. Diese Ergänzung sei aufgrund einer analogen seerechtlichen Bestimmung zur Klarstellung aufgenommen worden, erklärt Rieß. „Wenn der Spediteur vom Verlader den Auftrag bekommen hat, selbst den Container zu beladen, kann er selbst gegenüber dem Frachtführer in die Haftung geraten“, sagt der Experte von Schunck. Das Laden und Löschen obliegt beim Stückgutfrachtvertrag allerdings weiterhin dem Verfrachter. DSLV begrüßt neues Seehandelsrecht Frank Huster ist mit der Reform des Seehandelsrechts zufrieden. „In Einzelpunkten hätten wir zwar noch weitergehende Änderungen befürwortet“, erläutert der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Speditions- und Logistikverbandes, „aber mit der Ausrichtung der Haftungsbestimmungen an den Haag-Visby-Rules als internationalem Standard haben wir unser Hauptziel erreicht, grundlegende Wettbewerbsnachteile für unser Gewerbe zu vermeiden.“ Ein nationaler Alleingang bei der Festlegung erhöhter Haftungssummen wäre seiner Ansicht nach wirtschaftlich zulasten der Spedition gegangen. ❙❚■ André Gieße Allgemeine Geschäftsbedingungen DSLV rät dazu, die ADSp an die neue Gesetzeslage anzupassen Mit der Reform des Seehandelsrechts ändert sich auch das allgemeine Transportrecht. Deshalb ist es notwendig, den heute von vielen Speditionen verwendeten ADSp-Hinweis auf Briefbögen und sonstigen vertragsbegründenden Schriftstücken anzupassen, um bestimmten Haftungsrisiken Rechnung zu tragen. Darauf weist der Deutsche Speditions- und Logistikverband (DSLV) hin. Dies sei insbesondere erforderlich, weil eine Neufassung der Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen (ADSp), die zurzeit zwischen den Verbänden der verladenden Wirtschaft und des Transport- und Logistikgewerbes verhandelt wird, noch auf sich warten lässt. In diesem Zusammenhang hat der Verband seinen Mitgliedern einen Mustertext zur unverbindlichen Anwendung zukommen lassen. Unternehmen, die aufgrund der Reform des Seehandelsrechts auf Nummer sicher gehen wollten, sollten den Mustertext beim DSLV erfragen oder sich von einem Rechtsanwalt bei der Formulierung einer eigenen ADSp-Ergänzung unterstützen lassen. ag Versicherungsschutz Gesetzesreform bleibt ohne Folgen Die Modernisierung des Seehandelsrechts hat in der Regel keine Auswirkungen auf den Versicherungsschutz des Frachtführers oder Spediteurs. Das betonten der Transport- und KFZ-Versicherer Kravag und der Versicherungsmakler Schunck. Unternehmen, die zum Beispiel eine Verkehrshaftungsversicherung abgeschlossen haben, um sich gegen bestimmte Haftungsrisiken abzusichern, müssten ihre Verträge nicht extra an die neuen Gegebenheiten anpassen. „Die Versicherungen gewährleisten einen Schutz auf Grundlage der aktuellen gesetzlichen Bestimmungen“, erklärt Stephan Rieß, Rechtsanwalt bei Schunck. Die Geschäftsbedingungen der meisten Versicherungen hielten den Gesetzesänderungen stand. „Auch nach der Reform des Seehandelsrechts ist der Spediteur bezüglich der Haftung als Verfrachter beziehungsweise Fixkostenspediteur in seiner Eigenschaft als Auftragnehmer eines Verkehrsauftrages noch auf der sicheren Seite“, sagt der Versicherungsexperte. Ähnlich argumentiert Axel Salzmann, Leiter des Kravag-Kompetenzzentrums Straßengüterverkehr und Logistik. ag Bei Schäden durch nautisches Verschulden oder Feuer entfällt der Haftungsausschluss für Verfrachter Seehandelsrecht

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