Seefracht

SeefrachtKnappe Container lassen Raten explodierenSchlechte Nachrichten für Verlader von Seefracht, gute für die Reeder: Nach dem ruinösen Preiskampf ziehen die Frachtraten der Großreedereien extrem an. Die hohe Nachfrage und ein Mangel an Containern verschärfen die Situation. Die Frachtraten machten in den vergangenen Monaten beileibe nicht immer das, was der Markt gewohnt ist. Trotz steigendem Frachtaufkommen auf den Weltmeeren konnten die Verlader ihre Container zu immer günstigeren Preisen verschiffen. Die großen Reedereien, allen voran die Maersk Gruppe und die Mediterranean Shipping Company (MSC), unterboten sich gegenseitig. Auf Kosten finanzschwacher Reeder wollten sie Marktanteile gewinnen – um jeden Preis. Doch das Konzept ging nur teilweise auf. Die von den Großreedereien erhoffte Neuverteilung der Kräfteverhältnisse blieb aus. Stattdessen fuhren fast alle Reedereien ein hohes Minus ein. Der Branchendienst Alphaliner meldete, dass 14 der 15 größten Reedereien im dritten Quartal 2011 Verluste machten. Allen voran verlor der dänische Marktführer A.P. Møller-Maersk Geld. 2011 wurde ein Verlust von 400 Millionen Euro ausgewiesen. Leisten konnte sich das der Konzern nur, weil die Öl- und Gasförderung der Gruppe hohe Gewinne beschert. Doch schon Ende vergangenen Jahres war gemunkelt worden, dass sich die Maersk-Eigner den verlustträchtigen Prestigekampf nicht mehr lange anschauen wollten. Mit dem neuen Chef Søren Skou kam auch eine neue Strategie: Maersk wolle jetzt nicht mehr schneller als der Markt, sondern mit dem Markt wachsen.Auf dem Reedermarkt folgte dieser Ankündigung das große Aufatmen. Die Frachtraten explodierten in den ersten Monaten dieses Jahres. Nach Angaben des Schiffsmaklers Clarkson verdoppelten sich die Frachtraten auf der Route von China nach Europa seit Januar auf rund 1380 US-Dollar je TEU. Und die Zeichen stehen auf einen weiteren Anstieg. So will die Mediterranean Shipping Company (MSC) die Raten auf der Strecke weiter anheben. Auch auf anderen Routen geht es weiter nach oben. „Die Frachtraten steigen derzeit wie verrückt“, sagte Gerry Wang, Chef der kanadischen Seaspan Ship Management, gegenüber der Nachrichtenagentur Bloomberg. Hohe Raten bis zum dritten QuartalBei der Hamburger Reederei Hapag Lloyd geht man davon aus, dass die höheren Frachtraten für Containertransporte durchaus durchsetzbar sind. Und auch die Verlader glauben an einen weiteren Anstieg. Laut Züricher Zeitung geht Kühne und Nagel-Verwaltungsratspräsident Karl Gernandt davon aus, dass die Raten in der Seefracht weiter „brachial nach oben gehen“. Sollten diese Steigerungen von Dauer sein, werde man sich die höheren Frachtraten von den Kunden zurückholen.Das dürfte derzeit leichtfallen. Viele Kunden seien froh, dass sie überhaupt einen Container auf einem Schiff bekommen, berichtet Stefan Krüger von der Überseespedition Wolf in Hannover. MSC führt das auf den Mangel an Containern und die gestiegene Nachfrage zurück. Konkurrent Maersk hat sogar angekündigt, auf einigen Routen keine Container mehr anzunehmen. Bei anderen Reedereien sieht es ähnlich aus. Bis Ende Mai könnte diese Situation anhalten, glaubt man im Markt.Speditionsfachmann Krüger geht davon aus, dass die Raten bis zum dritten Quartal 2012 hoch bleiben werden. Gegen Ende des Jahres werden sich die Raten dann wieder normalisieren, glaubt Krüger. Thomas Wybierek, Schifffahrtsexperte der Nord-LB in Hannover, geht nicht davon aus, dass die Frachtraten wieder sinken werden. Mittelfristig rechnet er eher mit einer Seitwärtsbewegung. Grund dafür sind die hohen Ölpreise. Die Kosten für Schiffsdiesel sind in den vergangenen drei Jahren von rund 200 Dollar auf bis zu 730 Dollar pro Tonne Bunker explodiert. Gleichzeitig haben die Reedereien Sparmaßnahmen wie Treibstoff sparende Langsamfahrten, das sogenannte Slow Steaming, nahezu ausgereizt. Um wieder Geld zu verdienen, brauchen die Reeder noch deutlich höhere Frachtraten. Derzeit versuchen die Reeder, dieses Geld durch eine Verknappung der Tonnage zu verdienen. Vor allem in Asien liegen viele beschäftigungslose Schiffe auf. Noch rechtfertigen die Frachtraten den Einsatz dieser Kapazitäten nicht. Sollten mit steigendem Aufkommen die Schiffe wieder in Dienst gestellt werden, dürfte es mit dem Ratenanstieg vorbei sein. „Um die Fracht- und Charterraten zu stabilisieren, müsste eine größere Anzahl an Schiffen aufgelegt werden“, ist man auch bei der Hamburger Reederei Hansa Shipping überzeugt. Problem der ÜberkapazitätDenn das Problem der Überkapazität ist nach wie vor ungelöst. Die Reedereien bestellten in der Vergangenheit vor allem Großcontainerschiffe mit Kapazitäten von mehr als 10.000 TEU. Diese werden nach und nach in Dienst gestellt. Laut Alphaliner liegt die Auslastung dieser Schiffe bei nur 39 Prozent und damit deutlich unter dem Flottendurchschnitt von 52 Prozent.Um dennoch profitabel zu arbeiten, steigt der Druck zur Zusammenarbeit. Als bisher größte Kooperation ging im März die G6- Alliance an den Start. Der G6-Bund ist eine Erweiterung der bisherigen Reederei-Kooperationen Grand Alliance und New World Alliance. Sie besteht aus den Branchengrößen APL, Hapag-Lloyd, Hyundai Merchant Marine, Mitsui O.S.K Lines, Nippon Yusen Kaisha und Orient Overseas Container Line. Mit mehr als 90 Schiffen in neun gemeinsam betriebenen Diensten will die Kooperation über 40 Häfen in Asien, Europa und im Mittelmeer anfahren. Die taiwanesische Evergreen-Reederei arbeitet verstärkt mit der CKYH Alliance zusammen. Ab Mitte des Jahres sollen Dienste auf den Routen zwischen Asien und Europa gestärkt und mehr Häfen angelaufen werden. Zur CKYH Allianz gehören Cosco, K-Line, Hanjin und Yang Ming. Vermehrte AllianzenbildungDie Zusammenschlüsse sind mehr eine Notwendigkeit als eine freiwillige Verbindung, um den Abstand zum Marktführer Maersk zu verringern. Laut Alphaliner kommen die G6 auf der wichtigsten Handelsroute zwischen Fernost und Europa auf einen Marktanteil von 24 Prozent. Knapp davor: Maersk mit 26 Prozent. Die Entwicklungen haben auch MSC und die französische CMA-CGM, Nummer zwei und drei der Branche, zum Handeln gezwungen. Deren Allianz bringt es auf der Route auf einen Marktanteil von etwa 22 Prozent.Damit beherrschen die Kooperationen den überwiegenden Teil des Ost-West-Containerverkehrs. Das bringt den beteiligten Reedern erhebliche Kosteneinsparungen. Anstatt viele halb volle Schiffe auf die Reise zu schicken, werden weniger, aber dafür voll ausgelastete Schiffe beschäftigt. Alle Kooperationen betonen zudem, auf den Routen vor allem ihre großen Schiffe mit bis zu 14.000 TEU einsetzen zu wollen. Kleinere Tonnage wird dagegen aus dem Markt genommen. Ob die Bündnisse die Frachtraten oben halten werden, muss sich zeigen. Die neuen Kräfteverhältnisse könnten auch zur Verschärfung des Wettbewerbs führen. Solange die G6 nicht an der Marktführerschaft von Maersk kratzen, wird der Waffenstillstand halten. Sollte die Konkurrenz auf das Friedensangebot nicht eingehen, scheinen die Dänen bereit, wieder auf Kampflinie einzuschwenken. „Wir werden unsere Marktposition um jeden Preis verteidigen“, lässt Maersk-Chef Skou die Hintertür offen. ❙❚■ Alexander Heintze, freier JournalistStrategiewechsel bei Maersk: Wachsen mit dem MarktDeutsche Charterreeder kooperieren Der Preiskampf auf den Weltmeeren hat auch in Deutschland zu Reaktionen geführt. Die Komrowski Holding und die E.R. Capital Holding führen ihre Reedereiaktivitäten unter dem Dach der neuen Reederei Blue Star Holding zusammen. Unter der Blue-Star-Flagge sollen künftig 162 Schiffe mit einer Kapazität von rund 9,4 Millionen Tonnen fahren. Damit entsteht, gemessen an der Tragfähigkeit, die größte deutsche Reedereigruppe. Mit der Zeit sollen weitere Reedereien als Gesellschafter hinzukommen. Erste Gespräche seien noch in einem sehr frühen Stadium, heißt es aus Kreisen der Reedereien. Langfristig soll die Flotte durch neue Partner aber auf 200 bis 250 Schiffe wachsen. Durch den Zusammenschluss erwarten sich die beteiligten Reedereien Einsparungen beim Einkauf, der Besatzung, im Controlling oder bei der Umsetzung neuer Umweltregularien. Vor allem aber soll die neue Größe die Finanzierung künftiger Schiffe sichern. Die Schiffsbanken halten sich nach der Krise mit neuem Geld zurück. „Von Seiten der Banken und der Charterer sind heute effiziente Strukturen und ein international ausgerichtetes Management gefragt. Das kann die neue Gesellschaft leisten und weiteren Reedereien bieten“, fasst Nicholas Teller, CEO der E.R. Capital Holding, den Grundgedanken der Kooperation zusammen. cdDie E.R. 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