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Scania-Tempomat: Spar-Technik

23.01.2024 17:00 Uhr | Lesezeit: 4 min
Scania V8 Modell
Das neue CCAP-System verbaut Scania ab sofort serienmäßig in seinen Lkw – inklusive der V8-Modelle
© Foto: Erwin Fleischmann/VerkehrsRundschau

Scania verpasst seinem GPS-Tempomaten ein Update, das zu einer spürbaren Verbrauchssenkung beitragen soll. Manche Funktionen des CCAP-Systems werden beim Fahrpersonal allerdings weniger gut ankommen.

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Wohl kaum eine Neuentwicklung bewirkte in den vergangenen Jahren einen größeren Einfluss auf die Absenkung des Verbrauchs wie der GPS-Tempomat. Scania war mit seinem CCAP-System (Cruise Control with Active Prediction) im Jahr 2011 einer der ersten Hersteller, der einen topografieerkennenden Geschwindigkeitsregler ins Programm nahm. Seitdem wurde das System natürlich mehrmals überarbeitet; seine Grundfunktion blieb aber unverändert. CCAP erkennt die Topografie der vorausliegenden Strecke und nutzt die kinetische Energie des tonnenschweren Lastwagens sowohl vor, in und nach Steigungen bestmöglich aus - für eine ökonomische und damit kraftstoffsparende Fahrt.

Letzteres wollen die Entwickler in Södertälje mit dem jüngsten Update jetzt weiter perfektioniert haben, indem CCAP seine Berechnungen nun noch präziser ausführt. Dafür blickt die Software drei Kilometer auf die vorausliegende Strecke und gleicht die Daten alle drei Sekunden neu ab. Zusätzlich zur Streckenbeschaffenheit werden die Umgebungstemperatur, das aktuelle Gesamtgewicht sowie die Fahrzeugspezifikation mit einbezogen. Dazu zählt beispielsweise ob der Scania bergab über einen Retarder verfügen kann, oder - wie im Fall unserer Test-Sattelzugmaschine - die bis zu 466 PS starke CRB-Motorbremse an Bord hat.

Auf diese Weise soll die CCAP-Software auch noch das letzte Quäntchen Verbrauchseinsparung finden und nutzen.


Technische Daten

Motor: Sechszylinder-Reihenmotor (Scania DC13 175 L01), Common-Rail-Einspritzung (Scania XPI), einstufiger Turbolader, zwei obenliegende Nockenwellen, Verdichtung: 23:1; Euro 6e mit SCR-Only (Twin-SCR) und Partikelfilter, Hubraum: 12.740 cm3,
Leistung: 460 PS (338 kW) bei 1800
maximales Drehmoment: 2500 Nm bei 900-1290/min
Getriebe: automatisiertes Schaltgetriebe "Opticruise", synchronisiertes Dreigang-Grundgetriebe (Scania G25CM), Range- u. Splitgruppe, 12 Vorwärtsgänge + Overdrive-Funktion im 12. Gang, 1 x Crawler, 4 Rückwärtsgänge (optional 8)

   

Neue Drehmoment-Reduzierung

Weiteres Sparpotenzial versprechen zusätzliche Neuerungen am System, die allerdings dem Großteil der Fahrer/-innen kaum gefallen dürfte. Wie die dynamische Drehmoment-Reduzierung, die im anwählbaren Eco-Modus das Moment um bis zu 15 Prozent beschneidet. Dynamisch bedeutet dabei, dass der Kollege Computer für jede Steigung jeweils neu errechnet, wie viel Power für eine maximal ökonomische Fahrweise an dieser Stelle richtig ist. Kein neues Verfahren - Konkurrent Volvo Trucks fährt schließlich schon länger eine ähnliche Strategie.

Die gute Nachricht: Wirklich spürbar ist die angesprochene Reduzierung unserer Meinung nach unterwegs kaum - und falls doch, lässt sie sich jederzeit durch den Wechsel in einen anderen Fahrmodus abschalten. Allerdings: Letzteres Manöver könnte die Fuhrpark-Leitung durch eine entsprechende Software-Anpassung in der Werkstatt unterbinden.

Und sie könnte zusätzlich an den neuen, teilweise extremen Einstellbarkeiten des Tempomaten Gefallen finden, die man per Tastendruck rechts am Multifunktionslenkrad auswählt. Nach der Anwahl des Eco-Modus erscheinen einen Menüpunkt darunter drei grün hinterlegte Balken, die sich mit den Pfeiltasten am Lenkrad steuern lassen.

Verschiedene Hysteresen wählbar

Diese entscheiden darüber, wie groß die Hysterese ausfällt, sprich wie weit das Tempo unterhalb des eingestellten Tempomat-Werts fallen darf. Ist nur ein Balken grün hinterlegt wird letzter Wert lediglich um humane drei km/h unterschritten - entsprechend kleiner fällt aber natürlich auch das Sparpotenzial für den Tempomaten aus.

Anders in der Einstellung mit drei angewählten Balken, in der man seinem Scania eine Hysterese von nicht weniger als 16 km/h erlaubt. Bei gesetztem Tempo 85 fällt die Geschwindigkeit an Bergkuppen folglich regelmäßig auf 69 km/h ab!

Aber, so viel sei gesagt: Selbst Scania empfiehlt diese Einstellung nur, wenn Verkehrssituation und Terminkalender es zulassen. Wobei man sich schon fragen muss, ob solche Situationen im stressigen Fahreralltag überhaupt vorkommen...

Wir probierten es trotzdem aus - auch weil uns natürlich interessiert, ob wir tatsächlich eine so deutliche Verbrauchssenkung einfahren, wie Scania verspricht. Dafür steht uns ein 460 R Highline zur Verfügung, der bereits das neue CCAP-System in sich trägt. Als Teststrecke wählen wir mit der A 93 zwischen Holledau und Regensburg ein Teilstück unserer Profitest-Runde. Diese Strecke ist wie geschaffen für einen GPS-Tempomaten, denn hier ist einerseits die entsprechende Topografie gegeben, mit der CCAP "spielen" kann, und es fahren vergleichsweise wenig Lastwagen.

Sehr langsam über Bergkuppen

Trotzdem laufen regelmäßig schnellere Kolleg/-innen auf uns auf, wenn unsere Testfuhre mit unter 70 km/h über Kuppen rollt, und zeigen nachvollziehbarerweise wenig Verständnis. Erst recht, wenn es mal wieder so unglücklich läuft, dass der hintere Lkw gerade dann zum Überholen ansetzt, wenn es wieder bergab geht und wir entsprechend schnell an Tempo gewinnen. Solche Manöver erzeugen ohne Frage Stress, ja sogar eine gehörige Portion Scham!

Dann doch lieber die humanere Variante mit einem Balken, also minus drei km/h, mit der man problemlos im Verkehr mitschwimmt und nicht zum Ärgernis anderer Verkehrsteilnehmer wird.

Zehn Prozent sparsamer

Eine Entscheidung, die wir nach der Auswertung unserer beiden Fahrten jedoch wieder überdenken müssen: Um satte zehn Prozent war die Fahrt mit drei grünen Balken sparsamer als die mit einem CCAP-Balken, allerdings auch um knapp drei km/h langsamer (siehe Tabelle unten). Beides eine Folge der gefühlt unendlichen und daher durchaus beeindruckenden Rollphasen, die der Scania wahlweise im Overdrive oder in Ecoroll absolviert.

Dazu trägt übrigens auch die ebenfalls überarbeitete dynamische Tempo-Regelung bei. Führte das nun "Pulse-or-Glide"-genannte System sein spritsparendes Wechselspiel, also über den eingestellten Tempomat-Wert beschleunigen und dann rollen lassen, bislang nur auf ebener Strecke durch, beherrscht es das jetzt auch gekonnt in hügeligem Terrain. Dies verlängert die angesprochenen Rollphasen nochmals.

Am Ende der Testfahrten bleiben wir trotzdem zwiegespalten. Einerseits ist es faszinierend, wie perfekt CCAP mit dem G25-Getriebe mit seiner zusätzliche Overdrive-Funktion im zwölften Gang harmoniert. Die Regelgenauigkeit ist dem bisherigen Scania-GPS-Tempomaten noch mal spürbar überlegen - und der gehörte keinesfalls zu den Schlechten! Und natürlich darf sich in diesen Zeiten kein Transportunternehmen zehn Prozent weniger Verbrauch einfach entgehen lassen.

Soweit die Theorie, die in der Praxis meist an den Problemen der Straße zerschellen dürfte. Denn bei der Vielzahl der Tourenplanungen dürfte wenig Luft bleiben, um einfach auf drei km/h Durchschnittsgeschwindigkeit zu verzichten. Hinzu kommt die bereits erwähnte Tatsache, dass man sich als Fahrer in der vollen Ecostufe des Systems kaum Freunde unter den Kolleg/-innen macht.

Unsere Empfehlung: Wo Terminkalender und Verkehrssituation es zulassen, den GPS-Kostensparer in jedem Fall aktivieren. Ansonsten fährt man mit einer der humaneren Abstimmungen des CCAPTempomaten aber besser.


Verbräuche und Geschwindigkeiten im Vergleich

Liter/100 km*3 25,54 l/100 km 22,95 l/100 km
Tatsächliche Einsparung Verbrauch -2,59 l/100 km
Prozentuale Einsparung Verbrauch -10,14 %
km/h*3 86,34 km/h 83,10 km/h
Tatsächliche Abweichung Durchschnittsgeschwindigkeit -3,24 km/h
Prozentuale Abweichung Durchschnittsgeschwindigkeit -3,75 %
*1: Setzgeschwindigkeit: 85 km/h, Standard-Modus mit Hysterese: -3/+5 km/h,
*2: Setzgeschwindigkeit: 85 km/h, Economy-Modus mit Hysterese: -16/+5 km/h,
*3: Teststrecke auf A 93: 57,2 km, Testfahrt mit VerkehrsRundschau-Testauflieger
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