So gelingt effektives Riskmanagement im Fuhrpark

Das Schild an der Einfahrt touchiert, beim Rangieren mit dem Lkw das Hallentor berührt - Unfälle haben verschiedenste Gründe und daraus entstandene Schäden verursachen Kosten - und gegebenenfalls auch mehr als das. "Das ureigenste Interesse eines Unternehmers sollte es daher sein, möglichst wenig Schäden zu verursachen", erklärt Carsten Panzer, beim Versicherer R+V verantwortlich für den Bereich Kfz-Underwriting. Er kümmert sich auch um die bei der R+V-Tochter Kravag versicherten Lkw-Fuhrparks. "Insofern ist es wichtig, als Verantwortlicher für den Fuhrpark genau zu wissen, was im Fuhrpark passiert: die Zahlen, Daten und Fakten zu Fahrzeugen, Fahrern und entstandenen Schäden im Blick zu haben und zu analysieren." Nur so lasse sich erkennen, wo Probleme liegen und mit gezielten Maßnahmen gegensteuern, erklärt der Experte. Analyse als Basis Beim Thema Schadensanalyse unterstützt der Versicherer - entweder selbst oder durch einen Partner, wie Panzer weiter erläutert. "Wir können aus den Schadenmeldungen alle Daten, die bei Schäden entstehen, auswerten und dem Kunden in grafischer Form darstellen. Die Probleme werden in einem gemeinsamen Gespräch identifiziert und besprochen. Wir differenzieren nach Schadensursachen aus, aber etwa auch nach Schäden, für die der Fahrer etwas kann oder eben nichts kann." Daneben lege man Durchschnittszahlen vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV): ein Benchmark, der zeigt, wie ein Betrieb im Vergleich mit anderen bei den Schadenzahlen abschneidet. "Solche Schadenanalysen sollte heute jeder Versicherer liefern können." Digitale Tools zur Musterkennung "Die Schadendaten bieten ein sehr großes Potenzial für die Analyse, die Mustererkennung sowie weitere folgende Maßnahmen. Deswegen ist es so wichtig, Schadenmanagement zu betreiben", erläutert Carlos Pina Ferraz, stellvertretender Leiter des Mobility-Teams des Versicherungsmaklers der Schunck Group. Der Makler hat für die Schadenabwicklung digitale Tools im Einsatz, in die auch die Schadendetails einfließen und ausgewertet werden. Dabei ist das Schadenmanagement nur ein Teil des Riskmanagements im Fuhrpark, so Klaus Berger, Geschäftsführer der RMSecur, einer Schunck-Tochter aus dem Bereich Riskmanagement. "Wir haben im Riskmanagement zwei Säulen: Zum einen das rückwärtige Schadenmanagement: Es sind Schäden passiert, wie gehen wir damit um? Was können wir verbessern, damit es künftig zu weniger Schäden kommt? Zum anderen der präventive Ansatz. Das ist das eigentliche Risikomanagement: Welches Risiko habe ich und wie gehe ich damit um?" Dieses greife, wenn das Unternehmen schon gut ist, also eine geringe Schadenquote aufweist. In diesem Fall gehe es nicht mehr nur um die Analyse der schon entstandenen Schäden und deren künftiger Vermeidung durch entsprechende Maßnahmen. "Unser Tool kann viel mehr auswerten: Wir analysieren und kümmern uns auch um die Beinahe-Schäden, um Ordnungswidrigkeiten und um weitere Punkte. Wir können verschiedene Geschäftsbereiche auswerten oder Niederlassungen. Das geht bis hin zu den Telematikdaten." Die Motive für ein Unternehmen, solch ein Riskmanagement durchzuführen, seien verschieden. "Der eine macht es, weil er muss - weil seine Schäden so hoch sind, dass der Versicherer auf eine Sanierung drängt. Der andere möchte sich weiter verbessern und die Gründe verstehen, warum er gut ist." Weniger Schäden, weniger Kosten Pina Ferraz ergänzt: "Ein konsequentes Riskmanagement bedeutet zudem Planbarkeit. Nicht nur für die Firma, auch für den Versicherer. Wenn dieser weiß, die Schadenquote bleibt stabil, wirkt sich das auch auf die Prämie aus. Steigt die Schadenquote, muss der Versicherer die Prämie anpassen." Und auch wenn der Schaden - ob Kasko, Haftpflicht oder beides - versichert ist: Darüber hinaus gibt es weitere Faktoren, die Kosten verursachen. Dazu komme gegebenenfalls der Ärger beim Kunden. Das betonen alle drei Experten. Egal, ob es sich um ein Mietfahrzeug handelt, das das Unternehmen ersatzweise beschafft, ob die Ware nicht mehr rechtzeitig abgeholt oder abgeliefert wird, ob die Ware im Fahrzeug beschädigt ist oder ob der Fahrer wegen einer Verletzung die nächsten Wochen ausfällt. Manche Spezialfahrzeuge, etwa mit Kühlaggregat und zwei Verdampfern, seien auf dem Mietmarkt auch gar nicht so leicht zu bekommen, erklärt Berger. "Weitere Vorteile neben dem Vermeiden von Kosten sind beim Riskmanagement: Die Werkstattauslastung ist besser. Kunden haben weniger Standtage aufgrund von Unfällen und sparen zusätzlich noch den einen oder anderen Euro an Verschleiß oder Verbrauch ein, weil der Fahrer vorsichtiger fährt." Ab dem Unfall richtig handeln Schon wenn der Unfall passiert, ist es wichtig, auf die Kosten zu achten, die Schadenmeldung schnell an den Versicherer zu geben. Da sind sich die Experten auch einig. "Vor allem im Bereich der Haftpflichtversicherung gilt: Der Kunde muss zuerst den Schaden melden, damit sein Versicherer tätig wird. Wenn der Anspruchsteller den Schaden meldet, dann hat der Kunde schon verloren", hebt Pina Ferraz hervor. Wenn das Ganze koordiniert und organisiert abgewickelt werde, sei das zudem ein Faktor, um Standzeiten zu reduzieren. Berger ergänzt: "Beim Schadenmanagement gilt der Spruch: Je schneller ich bin, desto günstiger wird der Schaden. Damit der Prozess sauber läuft, geben wir den Fahrern unsere sogenannte Riskmanagement-Unfallkarte, auf der die wichtigsten Punkte stehen, was der Fahrer zuerst zu tun hat." Das sei auch ein Teil der Schulungen. "Wir wissen alle: Die Preissteigerung in der Kfz-Versicherung ist immens. Aber der größte Anteil an dieser Preissteigerung sind Gelder, die für Schäden wieder ausbezahlt werden. Und hier spielen vor allem die externen Einflüsse eine Rolle: steigende Preise bei Reparaturfirmen, bei Ersatzteilen und Kosten bei Personenschäden", hebt Panzer zudem hervor. Pfandrecht beim Abschleppen Ein zweites Beispiel, das er nennt: Beim Bergen und Abschleppen nach einem Unfall könne aufgrund von fehlendem Spezialwissen schon einmal mehr unternommen werden als nötig. Und wenn das Fahrzeug der Spedition geborgen ist, stellt das Abschleppunternehmen dies in der Regel bei sich auf den Hof und übt damit direkt sein Pfandrecht aus. "Erst wenn der Spediteur die kompletten Beträge für das Bergen und Abschleppen inklusive Güter bezahlt hat, hat er wieder Zugriff auf das Fahrzeug." Hier biete der Versicherer einen Service für ganz Deutschland, der nichts zusätzlich koste. Über eine Telefonnummer, die sich im Fahrzeug anbringen lasse, melde der Kunde den Schaden beim Versicherer. Dieser organisiere ein Abschleppunternehmen. Die Schadenkosten können damit reduziert werden, so Panzer. "Der Frachtführer hat direkt wieder Zugriff auf das Fahrzeug und die Güter." Zudem sei ein auf Gefahrgut-Unfälle spezialisiertes Tochterunternehmen des Versicherers eingebunden, das weiß, welche Maßnahmen in diesem Fall notwendig sind. Wann lohnt es sich? Und was lässt sich bei einem umfassenden Riskmanagement erreichen? "15 bis 20 Prozent weniger Schäden sind realistisch. Aber es hängt immer davon ab, wie der Kunde mitmacht. Es gibt auch Kunden, die engagierter dabei sind und mehr erreichen", erklärt Berger. Ganz konkret komme man vor Ort ins Unternehmen, erstelle einen Business-Case. "Wir sagen: Die Dienstleistung kostet den Betrag X und wir sparen bei dir zwischen 15 und 20 Prozent der Schäden in den ersten zwölf bis 18 Monaten ein." Rechne der Unternehmer dies durch, wisse er schnell, wann ein Return on Investment eintritt. "Man sagt, wenn ich 100 Lkw im Fuhrpark habe, kommt es im Güterverkehr durchschnittlich zu 40 Haftpflichtschäden im Jahr. Kommt ein Unternehmen auf deutlich höhere Werte, kann sich ein Riskmanagement lohnen, um Schäden wieder auf das normale Maß zu reduzieren. Bei einer Verbesserung des Schadenverlaufs kann sich dies positiv auf den Beitrag auswirken", so Panzer. Einig sind sich die Experten aber bei einer Sache: Ein Schadenmanagement ist in jedem Fall entscheidend. "Das lohnt sich auch schon ab vielleicht 15 Fahrzeugen", ergänzt Panzer. Fahrerschulungen wichtig Damit Schadenprävention und Riskmanagement im Fuhrpark auch erfolgreich funktionieren, spielen verschiedene Faktoren eine Rolle. "Das Wichtigste ist, dass die Geschäftsleitung und der Fuhrparkleiter dahinterstehen. Denn damit verbunden ist auch ein Aufwand, den man stemmen muss, das muss zur Chefsache erklärt werden", hebt Panzer hervor. "Da muss man Gespräche führen und die Kommunikation aufrechterhalten." Wichtige Maßnahmen sind etwa Fahrerschulungen, so die Experten einhellig. Das können Einzelgespräche sein, aber auch der Austausch in der Gruppe. Es muss um Situationen gehen, die wirklich passiert sind. Besonderheiten, über die ein Fahrer zum Beispiel berichtet und anhand derer man mögliche Lösungen erarbeitet, wie es anders oder besser gewesen wäre. Die Coaches sollten aber auch auf die Schäden eingehen, Unfallbegründungsgespräche führen. Authentische Trainer "Wichtig bei solchen Veranstaltungen ist auch, dass derjenige, der die Schulung durchführt, authentisch bei den Fahrern rüberkommt, ihre Situationen kennt, die gleiche Sprache spricht und sich in sie hineinversetzen kann", so Panzer. "Nach unserer Erfahrung sind Workshops mit vier bis acht Personen ideal. Dann kann der eine vom anderen lernen", hebt Berger hervor. Er nennt auch ein Beispiel: Ein Fahrer hat beim Abbiegen mit seinem nachlaufenden Auflieger einen Pkw gestreift. "Durch das Visualisieren der Schadensituation kommt man in der Gruppe vielleicht darauf, dass er die zweite Spur auch hätte zumachen können." Die eine oder andere Maßnahme lasse sich zudem digital durchführen. Nicht nur Gespräche sind ein Teil, sondern auch spezifisch auf den Bedarf der Fahrer ausgerichtete praktische Übungen auf dem Betriebshof. Dazu können Rangierübungen zählen, oder Übungen, wie man Streifschäden vermeidet, so Berger. "Manche Speditionen haben Markierungen auf den Höfen eingezeichnet, mit denen man die Spiegel richtig einstellen kann", nennt Panzer ein weiteres Beispiel. Unternehmen sollten zudem darauf hinwirken, technische Hilfsmittel wie den Notbremsassistenten eingeschaltet zu lassen. Folder oder Unterweisungen für bestimmte Situationen, wie einen Unfall, sollten in der entsprechenden Sprache des Fahrers und kurz und prägnant sein. Gelebt und gewollt Wichtig für den Erfolg sei es zudem, ein Riskmanagement als Kreislauf, als kontinuierlichen Prozess zu sehen, sagt Panzer. Um das Thema nachhaltig in die Köpfe zu bringen, sodass es zu einem gelebten Prozess wird, brauche man rund zwei bis drei Jahre. Dazu gehöre auch, regelmäßig zu analysieren, ob sich eine Verbesserung ergeben habe. "Wir haben die Analyse der Schäden, besprechen die Maßnahmen, gehen in die Umsetzung, müssen wieder neu analysieren und nachschärfen." Es muss gewollt sein im Unternehmen: "Wenn man sich das zur Aufgabe macht und auch immer weiterführt, wird das quasi ein Selbstläufer." "Man muss alle Hierarchieebenen im Unternehmen mitnehmen, die mit dem Thema zu tun haben", erklärt auch Berger. Ein weiterer Punkt, den er nennt: "Riskmanagement muss gelebt werden. So ein Konzept ist langfristig ausgelegt. Wir empfehlen eine Projektlaufzeit von mindestens zwei Jahren." Natürlich komme es dabei auch darauf an, was der Kunde für Ziele habe, wie man dieses aufbaue. Man erstelle ein individuelles Konzept, schaue sich die Gegebenheiten vor Ort, die Parksituation an, das gehöre zur Beurteilung des Risikos dazu. Mehr als nur der Fuhrpark Das gehe bis in die logistischen Abläufe. "Wenn der logistische Prozess zu streng geplant ist, dann hat der Fahrer noch mehr Druck und die Schäden sind da." Hier sei zudem das Zusammenspiel zwischen der eigenen Schadenabteilung und der Disposition wichtig - wenn etwa eine unfallkritische Lagereinfahrt bei einem Kunden entsprechend erwähnt wird - eventuell schon mit Lösungsideen. In der Umsetzung geht der Riskmanager strukturiert vor. Dies ist bei einem langfristig angelegten Konzept auch sinnvoll. Es gebe einen sogenannten Jahresrahmenplan, in dem bestimmte Maßnahmen grundsätzlich durchzuführen sind. "Und es gibt bei größeren Kunden regelmäßige Jour fixe mit allen Beteiligten. Hier erinnert man immer wieder an bestimmte Themen und treibt sie voran. Das ist unser Job."