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Regierung stellt Weichen für Bahn-Privatisierung

24.07.2007 11:01 Uhr

Bundesverkehrsminister Tiefensee verteidigt Gesetzentwurf: Bundesländer und Koalitionsfraktionen fordern Nachbesserungen

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Berlin. Nach jahrelangem Streit über einen Börsengang der Deutschen Bahn hat die Bundesregierung die Weichen für die geplante Teilprivatisierung gestellt. Mit Hilfe „starker Finanzpartner“ solle es künftig zu besseren Bahnanbindungen auch in ländlichen Regionen kommen, versprach Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) heute in Berlin. Begleitet von neuen Protesten von Ländern, Kommunen und Umweltverbänden beschloss das Kabinett den von Tiefensee vorgelegten mehrfach überarbeiteten Gesetzentwurf einstimmig. Bundestag und Bundesrat müssen noch zustimmen. Einen Milliarden schweren Erlös erhofft sich die Bundesregierung aus dem Verkauf von 20 bis 25 Prozent Bahnanteilen des Bundes Ende 2008. Tiefensee sprach von einem entscheidenden Schritt. Das Gesetz solle die Qualität des 34.000 Kilometer langen Gleisnetzes in Deutschland sichern und dem bundeseigenen Konzern zu mehr Wettbewerbsfähigkeit verhelfen. „Das Netz bleibt beim Bund. Kein Investor erhält Zugriff auf nur einen Kilometer Schiene. Der Bund behält immer die Mehrheit der Aktien“, sagte der Minister. Der Erlös aus dem Anteilsverkauf solle zwischen dem Bund und der Bahn geteilt werden. Der Minister geht davon aus, dass der größte europäische Bahnkonzern bis Ende 2008 „in welcher Weise auch immer“ an den Kapitalmarkt komme. Damit ist offen, ob es überhaupt zu einem Börsengang mit breiter Aktienstreuung kommt, oder ob einzelne Großinvestoren den Zuschlag erhalten. Den Vorschlag aus den Reihen der SPD, Volksaktien für die Bahn auszugeben, will Tiefensee prüfen. Er deutete aber an, dass er starke institutionell Anleger sucht, um die „Bahn im internationalen Wettbewerb stärker“ zu machen. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) sei für die Platzierung zuständig. Bahn-Vorstandsmitglied Otto Wiesheu begrüßt den Beschluss als „wichtigen Meilenstein“. Wenn das Gesetzgebungsverfahren noch in diesem Jahr abgeschlossen werden könne, sei der Schritt an den Kapitalmarkt weiterhin bereits Mitte 2008 möglich. Der Zeitpunkt dürfte auch von einer Einigung mit den Ländern abhängen, die zum Teil massive Bedenken äußerten. Hessens Wirtschaftsminister Alois Rhiel (CDU) kritisierte, der Entwurf gehe „zu Lasten der Verbraucher, zu Lasten der neuen Eisenbahnunternehmen und zu Lasten des Wettbewerbs.“ Auch der rot-rote Senat der Hauptstadt lehnt eine Teilprivatisierung der Bahn ab. Berlin werde dem Vorhaben im Bundesrat nicht zustimmen, hieß es. Das niedersächsische Wirtschaftsministerium lehnt die Pläne ebenfalls ab. Der Entwurf sei aus jetziger Sicht nicht zustimmungsfähig, sagte ein Sprecher von Minister Walter Hirche (FDP). Tiefensee warb um Zustimmung für seinen Gesetzesentwurf. Der Bund werde für eine Verbesserung der regionalen Bahnangebote sorgen. Die für das Netzmanagement zuständige DB sei zur Umsetzung verpflichtet. Laut Gesetzentwurf sollen das Schienennetz, Bahnhöfe und Energieleistungen zunächst 15 Jahre im Eigentum des Bundes bleiben. Die Bahn darf es in dieser Zeit jedoch wirtschaftlich nutzen. Fällt der Bund danach keinen weitergehenden Beschluss, geht das der Bahn übertragene wirtschaftliche Eigentum nach drei weiteren Jahren an ihn zurück. Die Bahn bekäme einen Wertausgleich. Für die 15 Jahre sind ihr bis zu 2,5 Milliarden Euro Bundeshilfen zur Netz-Erhaltung pro Jahr sicher. Über eine Vereinbarung wird noch verhandelt. Nicht nur im Bundesrat, sondern auch aus dem Bundestag gibt es massive Kritik. Selbst der Koalitionspartner CDU/CSU will noch Änderungen durchsetzen. Ihr haushaltspolitischer Sprecher Steffen Kampeter kündigte eine stufenweise Absenkung der 2,5 Milliarden an. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund warnte davor, den ländlichen Raum zum Verlierer der Bahnreform zu machen. Linke-Fraktionschef Oskar Lafontaine sagte: „Den Beschäftigten der Bahn drohe jetzt dasselbe Schicksal wie den Mitarbeitern von Telekom und Post im Zuge ihrer Privatisierungs-Schritte. Lohndumping sei Tür und Tor geöffnet.“ Der Grünen-Verkehrsexperte Winfried Hermann sprach von einer absurden Konstruktion, die zu einer „beispiellosen Selbstenteignung“ des Bundes führe. Vor dem Kanzleramt hatte ein Dutzend Börsengangsgegner einer Initiative aus Verbänden und der Gewerkschaft Verdi gegen die Privatisierungspläne demonstriert. (dpa/sb)

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