Pakete auf Abwegen

Pakete auf AbwegenWenn Pakete verschwinden, stellt sich die Frage der Haftung für den Güterverlust. Ein neues Urteil des Bundesgerichtshofs klärt Detailfragen.Während des Transports verschwinden immer wieder mal Pakete. Dann kommt es zum Streit, wer den Schaden zahlen soll. Die Versicherungen versuchen, die Paketdienstleister in die Pflicht zu nehmen und fordern engmaschige Kontrollen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat kürzlich in einem 20-seitigen Urteil (30. Januar 2008, Aktenzeichen: I ZR 146/05) Detailfragen geklärt, die Transportunternehmer beachten sollten. Paketbeförderer haftet wie FrachtführerGeklagt hatte ein Transportversicherer wegen des Verlusts von Transportgut. Er wollte von einem Paketbeförderungsdienst in 14 Fällen Schadensersatz und hatte sich dazu alle nötigen Rechte der Versender übertragen lassen. Doch die Parteien kämpften wie die Löwen und brachten den Streit bis vor den BGH, die höchste deutsche Zivilgerichtsinstanz. Das Gericht hat unter anderem bestätigt: Der Paketbeförderer haftet grundsätzlich wie ein Frachtführer, er gilt als so genannter Fixkostenspediteur im Sinne von Paragraf 459 Handelsgesetzbuch (HGB). Damit war klar: Der Paketdienst kann für den Verlust der Pakete haften. Da keine durchgängigen Ein- und Ausfuhrkontrollen gewährleistet wurden, nahmen die Gerichte ein qualifiziertes Verschulden an. Wer keine durchgängigen Kontrollen beim Warenumschlag vorsieht, handele leichtfertig und haftet, wenn die Pakete verloren gehen. Wer auf Nummer sicher gehen will, hat keine Wahl und muss jede Warenbewegung dokumentieren. Eine Haftungsbeschränkung in den Allgemeinen Beförderungsbedingungen ließen die Richter nicht gelten. Zudem wären solche Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam. Den Vorwurf des qualifizierten Verschuldens kann der Transportunternehmer aber mit dem Einwand des Mitverschuldens kontern. Der Versicherung werden dann Fehler der Versender angelastet. Genau darum ging es in der Revision vor dem BGH. Das Gericht nimmt bei wertvollen Paketen ein Mitverschulden der Versicherung an, wenn der Versender es unterlässt, auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens hinzuweisen. Gehen Pakete also wegen der unterlassenen Wertdeklaration verloren, haftet der Paketdienst nicht. Konkrete Hinweispflicht für VersenderHier spielte das Kleingedruckte eine entscheidende Rolle. Der Transporteur muss grundsätzlich eine sorgfältigere Behandlung des wertdeklarierten Pakets gewährleisten. Laut Transport-AGB werden die Pakete erst ab einem Wert von 2500 Euro sicherer transportiert. Pakete unterhalb dieser Grenze musste der Transporteur der Versicherung deshalb ersetzen. Für Pakete über dieser Grenze griff der Einwand des Mitverschuldens aber durch. Kann der Versender erkennen, ab welcher Grenze Wertpakete anders transportiert werden, muss er sie deklarieren. Im Zweifel muss der Versender die Allgemeinen Beförderungsbedingun-gen des Paketdiensts lesen und darf das Wertpaket nicht zusammen mit anderen Paketen oh-ne weitere Hinweise übergeben. Letzteres gilt auch bei einem elektronischen Datenaustausch (EDI-Verfahren). Letztendlich bestätigte das Gericht eine konkrete Hinweispflicht für Versender ab einem Wert von 5000 Euro. Ab dieser Grenze, etwa das Zehnfache der Haftungshöchstgrenze des Paketdiensts von 511 Euro, müssten Versender wegen des möglichen ungewöhnlich hohen Schadens von selbst auf die Idee kommen, auf den Paketwert hinzuweisen. Verladevorgang genau dokumentierenEin großer Streitpunkt war, wie der Wert der Pakete überhaupt zu bestimmen ist. Vor Gericht kam es darauf an, was in den Paketen war und was nicht, wie hoch der Wert anzusetzen ist und wer dabei was zu beweisen hat. Genügen die Rechnungen und Lieferscheine des Versenders oder nicht? Die Richter führten aus: Da "im kaufmännischen Verkehr eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass an den gewerblichen Kunden exakt die bestellten und sodann berechneten Waren versandt wurden", wären diese Belege ausreichend. Schon früher hatte der BGH entschieden, dass – sofern die Güter in verschlossenen Behältnissen zum Versand gebracht wurden – bei kaufmännischen Absendern anzunehmen sei, dass die im Lieferschein oder dem Kommissionierbeleg und in der Rechnung aufgeführten Waren enthalten waren.In einem der 14 Fälle handelte es sich um einen "multimodalen Frachtvertrag". Keiner wusste, wo das Paket verschwunden war. Umstritten war, ob überhaupt deutsches Recht gilt oder ob aufgrund der verschiedenen Beförderungsmittel auch unterschiedliche Rechtssysteme greifen. Da aber in Deutschland verladen worden war und Versenderin sowie Paketdienst ihren Hauptsitz in Deutschland hatten, gingen die Richter trotz der Grenzüberschreitung von deutschem Recht aus. In einem weiteren Fall war gleich ein ganzer LKW samt Inhalt gestohlen worden. Auch hier sollte der Paketdienst der Versicherung das Geld erstatten. Voraussetzung für diesen Anspruch wäre auch hier das so genannte qualifizierte Verschulden. Doch der beklagte Transporteur konnte beweisen, dass sich das Paket in dem gestohlenen LKW befunden hat. Somit musste er trotz fehlender Schnittstellenkontrolle nicht für den Paketverlust einstehen. Die Konsequenz für die Praxis: Der Verladevorgang ist so genau wie möglich zu dokumentieren, um später Zeugen benennen zu können. ❙❚■Tobias Sommer ist Rechtsanwalt in Berlin und berät zu den Themen Arbeits-, Marken-, Wettbewerbs- und Vertragsrecht.

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