Bahnreform 2025: "Nichts wird schnell gehen"

Mit angepassten Pünktlichkeitszielen und einem Fokus auf Sauberkeit und Sicherheit will Verkehrsminister Patrick Schnieder die Krise der Deutschen Bahn angehen. Das am 22. September vorgestellte "umfassende Reformpaket" - so die Bezeichnung des Bundesverkehrsministeriums - widmet sich denn auch in erster Linie dem Personenverkehr. Titel des gut 30-seitigen Papiers: "Agenda für zufriedene Kunden auf der Schiene". "Die Bahn muss pünktlich, sicher und sauber sein. Der Konzern muss schneller, schlanker und wirtschaftlicher werden", sagte Schnieder. Während die Pünktlichkeit im Personenfernverkehr ein Mammutprojekt werden dürfte - Schnieder hat die Zielvorgabe bereits auf 70 Prozent bis Ende 2029 herabgesetzt - manifestiert sich das Stichwort Verschlankung in ersten Entscheidungen. Nach dem Rauswurf von Richard Lutz wird Evelyn Palla neue Bahnchefin. Der Vorstand wird von derzeit acht auf künftig maximal sechs Vorstandsressorts verkleinert. Das Ressort Infrastruktur soll wegfallen, um die DB InfraGo stärker vom Mutterkonzern zu entflechten. Die Aufgaben des Technik-Ressorts sollen auf die Geschäftsfelder übertragen werden. Das Aufgabenfeld Güterverkehr soll künftig auch den Aspekt der Logistik umfassen, heißt es in dem Papier. Vor allem aber soll die Netzsparte eigenständiger und unabhängiger agieren: Der Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag zwischen Bahn und InfraGo kommt auf den Prüfstand. Eine Entscheidung darüber soll im ersten Halbjahr 2026 fallen. "Wir räumen auf: Bürokratie, Doppelstrukturen und unnötige Beteiligungen werden wir abbauen", sagte die neue Bahnchefin bei der Bundespressekonferenz. "Ab sofort gilt: Qualität ist Chefinnensache", so Palla. Im nächsten Atemzug bremste sie aber allzu ambitionierte Erwartungen: Es gebe keinen Qualitätsschalter, den man einfach umlegen könne. "Nichts wird schnell gehen. Die Sanierung der Infrastruktur ist kein Sprint, sondern ein Marathon." Posse um InfraGo-Chefposten Auch bei der InfraGo sollte der Vorstand neu aufgestellt werden - was in den Tagen nach Schnieders ausgerufenem "Neustart" passierte, wird allerdings als schwere Niederlage für den Minister gewertet. Schnieder wollte den Österreicher Philipp Nagl als InfraGo-Chef ablösen und durch den Unternehmensberater und ehemaligen Bahnmanager Dirk Rompf ersetzen. Der Wunschkandidat des Verkehrsministers war jedoch weitaus umstrittener als die vielerorts als positiv empfundene Personalie Palla. Vor allem die EVG lief Sturm gegen Rompf, der in den 2010er-Jahren Netz-Chef unter dem damaligen Konzernvorstand Ronald Pofalla war und daher von der Gewerkschaft für den jetzigen Zustand der Infrastruktur mitverantwortlich gemacht wird. Nur drei Tage nach seiner offiziellen Vorstellung als Kandidat für den InfraGo-Chefposten gab Rompf dem Druck nach und verzichtete. Wenige Stunden später erklärte das Ministerium: Der aktuelle Amtsinhaber Nagl bleibt. Die ersten Reaktionen der Logistikbranche auf Schnieders Bahn-Agenda fallen verhalten aus. Die Vorhaben seien zu sehr auf den Personenverkehr ausgerichtet, moniert der DSLV Bundesverband Spedition und Logistik. Eine Gesamtstrategie für den Schienengüterverkehr sei ebenso wenig Teil wie ein verbindlicher Umsetzungsmechanismus für die angekündigten Maßnahmen, so der Verband. "Eine Agenda für zufriedene Kunden darf sich nicht auf das Reiseerlebnis, pünktliche ICEs und saubere Bahnhöfe beschränken. Speditionen und Industrieverlader sind auch Kunden der Bahn und müssen auf eine pünktliche, zuverlässige und bezahlbare Schiene vertrauen können", sagte DSLV-Hauptgeschäftsführer Frank Huster. Doch auf die Frage nach Pünktlichkeitszielen für den Güterverkehr gebe es in der Agenda keine Antwort. "Agenda ist unterkomplex" Auch der Verband Die Güterbahnen spart nicht mit Kritik und bezeichnet Schnieders Agenda als "unterkomplex". Sie enthalte keine konkreten verkehrlichen Ziele und kaum messbare Zahlen. "Dass man sich einseitig am Personenverkehr abarbeitet und dem Güterverkehr auf der Schiene praktisch keine Bedeutung beigemessen wird, sehen wir als Warnsignal, dass man sich auf populäre Themen konzentriert, ohne den gesamten Eisenbahnverkehr in den Blick zu nehmen", schreibt der Verband in einem Statement. Auch auf dem BME/VDV-Intermodalkongress in Duisburg war die Bahn-Strategie von Verkehrsminister Schnieder Gesprächsthema. Evelyn Palla im Porträt Evelyn Palla, Jahrgang 1973, startete ihre Laufbahn 1997 bei Infineon Technologies. Ab 2003 war die gebürtige Südtirolerin bei E.ON tätig, bevor sie 2011 zu den Österreichischen Bundesbahnen wechselte. Dort war sie ab 2015 als Vorständin für den Regionalverkehr zuständig. Im Februar 2019 wechselte Palla zur Deutschen Bahn (DB), zunächst als Finanzvorständin der DB Fernverkehr. Seit Sommer 2022 verantwortete sie als Vorständin den Regionalverkehr. Pallas Bilanz hier gilt als ausgesprochen positiv: Die DB Regio verbuchte im ersten Halbjahr 2025 wieder schwarze Zahlen. Am 23. September 2025 wurde Palla vom Aufsichtsrat der DB zur neuen Vorstandsvorsitzenden berufen - als erste Frau in der 190-jährigen Bahn-Historie. Ein Gespür für die alltäglichen Herausforderungen der Mitarbeitenden dürfte sie übrigens haben: Evelyn Palla besitzt seit vergangenem Jahr einen Lokführerschein.