Wie sich die neuen ESG-Richtlinien auf Unternehmen auswirken

Die Masse an Daten, mit der sich Unternehmen konfrontiert sehen, nimmt ständig zu. Auch in der Logistik werden immer mehr Kennzahlen genutzt und ausgewertet. Die Liefergenauigkeit, die Auslastung des Fuhrparks, der aktuelle Lagerbestand oder die Lagerumschlagsrate sind nur einige. Hinzu kommen Daten, die für die Berichterstattung nach Environmental, Social and Governance (ESG; Umwelt, Soziales, Unternehmensführung)-Kriterien relevant sind. 2024 tritt außerdem die erste Phase der CSRD-Berichterstattungspflicht in Kraft (siehe Seite 30). Die neue Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) der Europäischen Union (EU) verlangt, dass Unternehmen darlegen, welchen Einfluss Nachhaltigkeitsaspekte auf ihre wirtschaftliche Lage haben und wie ihre Betriebsabläufe die Nachhaltigkeit des Unternehmens beeinflussen. Um das alles zu gewährleisten, müssen Unternehmen neben einer definierten Nachhaltigkeitsstrategie auch viele interne und externe Daten auslesen, analysieren und konsolidieren können. Doch gerade an dieser Aufgabe scheitern aktuell viele Unternehmen. Denn die notwendigen Daten liegen häufig nur sehr verteilt oder in Datensilos vor und sind schwierig miteinander vergleichbar. Neue Regularien - nicht nur für Große Zwar betrifft die CSRD im ersten Schritt nur große Unternehmen, dennoch sollten sich auch kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) schon jetzt mit der Thematik befassen. Selbst wenn einige Regularien aufgrund der Unternehmensgröße derzeit noch nicht für alle verpflichtend sind, kann sich belegbar nachhaltiges und soziales Handeln schon heute positiv auf den Geschäftserfolg auswirken - zum Beispiel weil man zusätzliche, nachhaltig ausgerichtete Kunden anzieht. Zusätzlich können kleine und mittelständische Unternehmen, unabhängig von ihrer Größe, ebenfalls von der neuen Richtlinie betroffen sein. Das kann schon der Fall sein, wenn sie Teil einer Liefer- und Wertschöpfungskette von größeren Unternehmen sind und die Partner im Netzwerk die Einhaltung der Regularien einfordern. Richtig planen Als erster Schritt steht immer eine dezidierte Planung der Nachhaltigkeits-Bemühungen. Um erfolgreich zu sein, sollten Unternehmen klare Ziele in den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung festlegen und umsetzen. Dazu sollte eine solide Datengrundlage im gesamten Unternehmen zum Einsatz kommen. Es gibt dafür bereits passende Software am Markt, die die Mammutaufgabe des Datenauslesens und der Datenanalyse übernimmt. Sie löst Datensilos auf, führt alle relevanten Daten zusammen und erstellt einen sauberen Report auf Basis der neuen Anforderungen. Wenn Nachhaltigkeit und Datenmanagement im Unternehmen (inhouse) nicht zu den Kernkompetenzen zählen, kann Hilfe von außen kommen. Ein strukturiertes Vorgehen ermöglicht dann, den aktuellen Status quo zu ermitteln. Die Momentaufnahme hilft, eine Strategie und Roadmap zu definieren - individuell auf das jeweilige Unternehmen zugeschnitten. Eine strategische Nachhaltigkeits-Roadmap, die Daten in Abläufe, Prozesse und Workflows einbindet, ist ein wichtiger erster Schritt. Stehen Ziele und Roadmap fest, kann es an die Umsetzung der neuen Maßnahmen gehen.? Für die meisten Unternehmen gehören Transparenz, Zusammenarbeit zwischen mehreren Parteien und Rückverfolgbarkeit zu den größten Herausforderungen. Heutige Lösungen, die auf Künstlicher Intelligenz (KI) basieren, ermöglichen es, die Lieferkette zu optimieren, zu automatisieren und so die Resilienz zu stärken und die Agilität zu erhöhen. Unterschiedliche Datensätze werden konsolidiert, intelligentere Workflows vorangetrieben und die Problemlösung beschleunigt. Die Kombination aus Geschäftsregeln, fortschrittlichen Analysen, KI und Automatisierung ermöglicht Supply-Chain-Experten eine bessere Planung und Reaktion auf die komplexesten Herausforderungen in der Lieferkette. Gleichzeitig haben sie durch die Automatisierung von wiederkehrenden Prozessen mehr Zeit, sich auf unerwartete Probleme zu konzentrieren und diese zu lösen. Mehr Transparenz in Lieferketten Schätzungsweise 80 Prozent der Treibhausgas-Emissionen eines Unternehmens entfallen auf die globalen Lieferketten. Da-rüber hinaus können die Beschäftigungspraktiken in vielen Entwicklungsländern und Unternehmen weit unten in der Wertschöpfungskette ausbeuterisch sein. Das Resultat sind oft niedrigere Löhne, längere Arbeitszeiten und gewerkschaftlich schwach organisierte Belegschaften. Das Lieferketten-Sorgfaltspflichtengesetz (LkSG) verpflichtet deutsche Unternehmen, ihre Beschaffungsstrategien transparent zu gestalten und für die Arbeitsverhältnisse in ihrer gesamten Lieferkette Verantwortung zu übernehmen. Dieser Schritt erfordert ein Überdenken des Begriffs "Lieferantenbeziehungen". In Verbindung mit dem zunehmenden Bedarf an Transparenz in der Lieferkette sollten Unternehmen nicht nur ihre eigenen Lieferketten verstehen. Sie sollten auch Branchenplattformen und Ökosysteme schaffen, in denen die notwendigen Daten ausgetauscht werden können und in denen alle beteiligten Partner gleichberechtigt und vertrauensvoll zusammenarbeiten. Eine Blockchain kann die hierzu notwendige technische Grundlage liefern. Sie verbessert die Zusammenarbeit, den Datenaustausch und die Transparenz in einem Lieferketten-Ökosystem. Sie funktioniert, indem sie überprüfte und zugelassene Teilnehmer mit einem gemeinsamen, verteilten Ledger, also einer Art digitalem Hauptbuch, verbindet, das alle Informationen über die Waren auf ihrem Weg durch die Lieferkette erfasst. Die Teilnehmer fügen dem Ledger ihre Daten und unterstützende Dokumente wie Zertifizierungen hinzu und kontrollieren, wer was sehen darf. Einmal in das Hauptbuch aufgenommen, können die Daten dann nicht mehr manipuliert, geändert oder gelöscht werden. Diese Eigenschaften machen die Blockchain zu einer vertrauenswürdigen Plattform für den Austausch von Daten zwischen verschiedenen Unternehmen. Die Teilnehmer können Materialien und Produkte von der Quelle bis zum Endkunden und schließlich bis zum Verbraucher verfolgen. Zum Beispiel nutzt die Plattform "Farmer Connect" IBM Food Trust für mehr Transparenz und um Kaffeeanbauer und Kaffeetrinker miteinander zu verbinden. Mit führenden Unternehmen der globalen Lieferkette für Kaffee wurde die Plattform Farmer Connect entwickelt, die IBM Blockchain einsetzt. Die mobile App "Thank My Farmer" zeigt Konsumenten, wo ihr morgendlicher Kaffee genau herkommt. Damit können sie ihren Kaffee entlang der gesamten Lieferkette zurückverfolgen und die Bauern unterstützen, die die Bohnen anbauen. Management von Nachhaltigkeitsdaten Mit den steigenden Anforderungen und der Priorität, die Unternehmen auf die Verbesserung der betrieblichen Einblicke legen, steigt natürlich auch der Bedarf an robusten, prüfbaren Datenmanagement-, Berechnungs- und Berichterstattungs-Prozessen. Fortschrittliche Analyseplattformen ermöglichen ein besseres Management der Nachhaltigkeitsdaten über Wertschöpfungsketten hinweg. Das ist wichtig für eine verantwortungsvollere Beschaffung und transparentere Lieferketten, die in der Regel noch nicht überall überschaubar sind: Unternehmen kennen zwar ihre direkten Zulieferer, aber es fehlt der durchgängige Blick auf Rohstoffe, Komponenten und Waren bis zum Endprodukt - und darüber hinaus. Hier gibt es intelligente und zuverlässige Lösungen, um Daten entlang der gesamten Wertschöpfungskette auszutauschen und allen Partnern im Netzwerk zugänglich zu machen. Liefertreue und Engpässe lassen sich so rasch feststellen, jedes Produkt ist identifizierbar und auf seinen Ursprung zurückzuverfolgen. Vorteil datenbasierter Entscheidungen Eine solche Lösung ist die "IBM Envizi ESG Suite", die Unternehmen bei der Erfassung, Berechnung, Analyse und Berichterstattung von Treibhausgas-Emissionen unterstützt. IBM Envizi deckt alle 15 Scope-3-Kategorien ab und verwendet ein Rechenmodul zur Anwendung von GHG-Protokoll-Berechnungsmethoden, die durch ein robustes Datenmanagementsystem unterstützt werden. Dieses umfasst eine automatisierte Datenerfassung, was ebenso die erforderlichen Angaben von Lieferanten inkludiert, Bibliotheken für Scope-3-Emissionsfaktoren, Vorlagen für regulatorische Vorgaben, ein spezielles Scope-3-Analyse-Dashboard, Audit-Tools und Funktionen zur Unterstützung der Lieferanten-Benchmarking-Analyse. Durch die zusätzliche Integration von Natural Language Processing (NLP) können die Erfassung, Berechnung und Analyse von Scope-3-Treibhausgas-Emissionen (THG) beschleunigt werden. (Hinweis der Redaktion: NLP ermöglicht es, Maschinen-, Text- oder Sprachdaten zu verstehen und zu beantworten.) Unternehmen erhalten einen einheitlichen und aktuellen Datensatz, der länder- und branchenspezifischen Emissionsfaktoren entspricht und eine homogene Berechnung von Scope 3 für gekaufte Waren und Dienstleistungen ermöglicht. Emissionsberechnungen können schneller, genauer und effizienter durchgeführt werden. Um eine Balance zwischen nachhaltigem Handeln und Profitabilität zu erreichen, müssen die Strategien für mehr Nachhaltigkeit sinnvoll vorangetrieben werden. Anstatt also nach Gefühl zu handeln, sollten die Entscheidungen datenbasiert erfolgen - schließlich geht es um einen nicht unerheblichen Zeit- und Kostenaufwand. Festzuhalten ist ebenfalls, dass die endgültige, allumfassende Entscheidung nach wie vor beim Menschen liegt - nicht bei einer Künstlichen Intelligenz. Technologie ist allerdings ein entscheidender Faktor, um die ESG-Ziele sowohl intern als auch extern schneller zu erreichen. Oliver Gahr, Sustainability Leader, IBM Technology EMEA

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