Nachhaltigkeit bei Logistikimmobilien: Eine Bestandsaufnahme

Geht es um Logistik-Neubauten, sind diese Buchstaben nicht mehr wegzudenken: ESG (Environmental, Social, Governance = Umwelt, Soziales, Unternehmensführung). Der Aspekt Umwelt steht dabei für Energie, Abwasser, Biodiversität und Lebenszyklus. Soziales meint vor allem das Mitarbeiterwohl - aber auch Akzeptanz in der Nachbarschaft, etwa aufgrund durchdachter Verkehrskonzepte. Der Governance-Aspekt schließlich betrifft die Unternehmensführung, also die Einhaltung von Werten und Standards. Im Immobilienbereich zahlen daher vor allem die ersten beiden Buchstaben in die ESG-Bilanz eines Unternehmens ein. Während die Gewinnung regenerativer Energie - meist mithilfe von PV-Anlagen - bei immer mehr Neubauten umgesetzt oder zumindest für die nähere Zukunft mitgedacht wird, gibt es "Leuchtturm-Projekte", die noch weiter gehen. Garbe Industrial Real Estate etwa plant im bayerischen Straubing nach eigenen Angaben Europas größte Logistikimmobilie in reiner Holzbauweise - mit rund 24.400 Quadratmetern Hallenfläche plus Lagermezzanine sowie Büro- und Sozialfläche. Dabei sollen nicht nur die gesamte Tragkonstruktion und die Mezzanin-Ebenen, sondern auch die komplette Fassade in einer Ausführung aus Holz errichtet werden. Interesse an ESG-Themen steigt Auch wenn ESG nach wie vor eher als Investorenthema gilt, sollten sich auch Eigentümer und Nutzer von Logistik-immobilien damit auseinandersetzen. Der Grund liegt auf der Hand: Energie-effiziente Immobilien bedeuten geringere Nebenkosten. "Insbesondere die in den letzten Jahren extrem volatilen Energiepreise haben gezeigt, dass vor Ort erzeugte preiswerte, grüne Energie den Unternehmen mehr Planungssicherheit bietet", sagt Oliver Schmitt, geschäftsführender Gesellschafter des Logistikimmobilien-Entwicklers Four Parx. Darüber hinaus könne sich heute kaum noch ein Betrieb erlauben, nicht nachhaltig zu sein - sodass Mieter neben einem nachhaltigen Fuhrpark immer größeren Wert auf nachhaltige Immobilien legten, meint Schmitt. Ein wichtiger, oft aber vernachlässigter Aspekt sei die soziale Komponente, sagt derweil Alexander Hund, Managing Director bei CTP Deutschland. Biete eine Immobilie eine ansprechende Atmosphäre, ausgestattet mit sozialen Räumen - etwa mit Kantine und Fitnessstudio - verbessere dies die Attraktivität des Arbeitsplatzes. "Da Arbeit heute zu den umkämpften Produktionsfaktoren gehört, ist auch das für Mieter besonders wichtig", so Hund. "Insbesondere die großen, teils börsennotierten Unternehmen haben ein starkes Interesse daran, als nachhaltig wahrgenommen zu werden", sagt auch Martin Birkert, Country Manager Germany des Entwicklers MLP Group. Er weist in diesem Zusammenhang auf die CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) hin, nach der ab 2026 größere Unternehmen dazu verpflichtet sind, Nachhaltigkeitsreporte zu veröffentlichen. Ein Betrieb, der sich das Thema Nachhaltigkeit auch im Immobilienbereich auf die Fahnen schreibt, ist L.I.T.. Das Logistikunternehmen aus Brake hat kürzlich eine eigene Real-Estate-Gesellschaft gegründet, die die Logistikimmobilien-Aktivitäten innerhalb der L.I.T.-Gruppe steuern soll. Derzeit befinden sich 850.000 Quadratmeter im Bestand, 150.000 Quadratmeter werden an sechs Standorten im Moment entwickelt. "Bei L.I.T. sind ESG-Kriterien nicht nur Trend, sondern fundamentaler Bestandteil unserer Strategie zur Entwicklung und Verwaltung zukunftsorientierter, ökologisch nachhaltiger Logistikzentren", betont Mats-Ole Slowak, Geschäftsführer der L.I.T. Real Estate. Und das nicht nur bei Neubauten, sondern auch im Bestand (siehe Interview auf Seite 30). Apropos Bestand: Wie sieht es dort aus in puncto ESG? "Das Thema Nachhaltigkeit spielt im Bestand eine wichtige Rolle", sagt Kuno Neumeier, CEO der Logivest-Gruppe. "Gerade durch den massiven Preisanstieg im Neubau-Sektor haben Bestandsimmobilien nochmals an Relevanz gewonnen - und energieeffiziente Immobilien haben natürlich die Nase vorn." Allerdings sei schwer zu sagen, wie hoch der Prozentsatz an bereits energetisch sanierten Logistikimmobilien in Deutschland ist. Laut Neumeier läuft gerade ein Projekt des Fraunhofer-Instituts für Integrierte Schaltungen zur automatisierten Identifikation von PV-Anlagen auf großflächigen Hallendächern, das die Bundesvereinigung Logistik (BVL) gemeinsam mit anderen Unternehmen beauftragt hat. "Erste Ergebnisse erwarten wir im zweiten Quartal 2024", so Neumeier, der auch Sprecher des BVL-Themenkreises Logistikimmobilien ist. Sanierung oder Abriss? Die Frage, ob es sich immer lohnt, Gebäude zu sanieren und so ESG-fit zu machen, ist dagegen eine andere. "Die Bestandsmodernisierung ist dem Abriss stets vorzuziehen", sagt Schmitt von Four Parx. Grund dafür sei, dass die gebundene Energie und die enthaltenen Emissionen gesichert werden müssten. "Denn auch beim besten Abriss fällt Abfall an, den es zu vermeiden gilt", so Schmitt. Bestandsimmobilien hätten zudem den Vorteil, dass ihre Standorte meist äußerst attraktiv sind. Tore, Türen, Fenster Aber auch er weiß: "Die Architektur muss den aktuellen Anforderungen - etwa hinsichtlich Andienung, Stützenraster und lichte Höhe - entsprechen. Tut sie dies nicht, sind ein Redevelopment und Retrofitting mit großem Aufwand verbunden und wirtschaftlich schwer umsetzbar." Entscheidet man sich für eine Sanierung, dann seien Tore, Türen und Fenster vergleichsweise einfach, aber mit großer Wirkung in Bezug auf die Energieeffizienz zu ertüchtigen, sagt Schmitt. "Häufig sind hier die Wärmeverluste am größten." Dach und Fassade könnten im Idealfall in Verbindung mit dem Ende der Lebensdauer von beispielsweise Dachfolien auf den neuesten Stand der Technik gebracht werden. "Hierfür ist jedoch immer die Einzelfall-Betrachtung ausschlaggebend", betont der Four-Parx-Geschäftsführer. Nicht zuletzt sei auch die anspruchsvoll anmutende Umrüstung von fossilen Energieträgern auf Luft-Luft-Wärmepumpen bei einem Mindeststandard der Gebäudehülle unter Berücksichtigung der Statik einfach umsetzbar. "Idealerweise wird die Umrüstung direkt mit einer Photovoltaik-Anlage für Mieterstrom kombiniert", so Schmitt. "Wenn ein Gebäude am Ende doch abgerissen werden muss, liegt das oft an einzelnen, wichtigen Kriterien", sagt derweil Hund von CTP, und nennt etwa den Brandschutz oder auch die wärmetechnischen Anlagen. "Große Bedeutung hat auch der Zustand des Daches, das gegebenenfalls erneuert werden muss, und insbesondere bei geplanter Installation einer Photovoltaik-Anlage auf seine Traglast hin zu prüfen ist", so Hund. Auch kleine Maßnahmen wirken Es gibt allerdings auch weniger aufwendige Maßnahmen, mit denen man "minimal-invasiv" schon viel für die Energieeffizienz älterer Logistikimmobilien tun kann. "Einfach realisierbar und dennoch sehr wirksam ist der Austausch der Beleuchtung gegen energiesparende LED-Leuchten, die idealweise mit einer intelligenten Steuerung verknüpft sind", sagt Neumeier von Logivest. Etwas kostspieliger sei der nachträgliche Einsatz von Oberlichtern oder Tageslichtbändern. "Diese natürliche Beleuchtung zahlt jedoch auch auf das Wohlbefinden der Mitarbeitenden ein und spart langfristig Stromkosten", so Neumeier. Generell sei eine Optimierung des Energieverbrauchs gerade bei Bestandsimmobilien ein wichtiger Hebel. "Um hier zielführend nachzubessern, muss man jedoch wissen, wann wo wie viel Energie verbraucht wird", betont der Logivest-Chef. Eine Verbrauchsdaten-Messung decke Ineffizienzen wie offene Ladetore, suboptimale Heiz- und Kühlsysteme oder Beleuchtung in ungenutzten Hallenbereichen auf. So könnten auch Lastspitzen vermieden werden. Aber auch die Steigerung der Biodiversität sei leicht zu realisieren, sagt Schmitt von Four Parx. "Ein eintöniger Grün-rasen kann zum Beispiel ohne Aufwand durch eine artenreiche Blühwiese ersetzt und mit attraktiven Aufenthaltsbereichen für die Mitarbeitenden kombiniert werden." Abgerundet mit Totholz- und Steinhaufen entstünden so zudem Habitate für Tiere und Pflanzen auf den Außenanlagen. Interview: "Rigorose Analyse der energetischen Performance" Bei Neubauten spielen ESG-Kriterien eine tragende Rolle. Was machen Sie mit Ihrem Bestand? Im Bestand setzen wir auf eine umfassende Modernisierung, um ESG-Standards zu erfüllen. Neben der Installation von Photovoltaik-Anlagen und dem Einsatz von Wärmepumpen legen wir Wert auf nachhaltige Baumaterialien und verbessern die Gebäudeisolierung, um den Energiebedarf zu minimieren. Zudem implementieren wir Wassermanagement-Systeme, um den Verbrauch zu reduzieren und die Effizienz zu steigern. Haben Sie ein konkretes Beispiel? Ein jüngst prägnantes Beispiel ist die umfassende Sanierung eines älteren, 5000 Quadratmeter großen Logistikzentrums in Wolfsburg, bei dem wir durch die Installation einer Photovoltaik-Anlage und die Umstellung auf eine Wärmepumpen-Heizung signifikante Verbesserungen in puncto Energieeffizienz und Nachhaltigkeit erzielt haben. Welche Kriterien sind ausschlag-gebend, ob eine Sanierung überhaupt machbar ist? Die Entscheidung zwischen Sanierung und Neubau basiert auf einer rigorosen Analyse der energetischen Performance, der strukturellen Eignung für moderne Umwelttechnologien und der Wirtschaftlichkeit der Maßnahmen. Ein entscheidender Faktor ist dabei, ob die Anpassung an die neuesten ESG-Standards und Green-Building-Zertifizierungen möglich und sinnvoll ist. Bremsen die hohen Finanzierungskosten die Modernisierung aus? Trotz der Herausforderungen durch aktuell hohe Finanzierungskosten bleiben die Modernisierung und der Neubau von Logistikimmobilien unter ESG-Gesichtspunkten für uns prioritär. Durch strategische Planung, effiziente Ressourcen-Nutzung und den Einsatz von Fördermitteln gelingt es uns, Projekte umzusetzen, die eine langfristige Wertsteigerung und Nachhaltigkeit versprechen.

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