Berlin. Nach dem erwarteten verfassungsrechtlichen Veto des Präsidenten kündigten die schwarz-rote Koalition sowie FDP und Grüne am Dienstag an, dass die Kapitalprivatisierung mit Hilfe gesetzlicher Änderungen doch noch durchgesetzt werden soll. Union und SPD wollen dazu entsprechend dem Hinweis von Köhler das Grundgesetz ändern, während die Liberalen hier abwarten wollen und die Grünen dies ablehnen. Experten rechnen mit einem Abschluss der neuen Gesetzgebung spätestens in einem Jahr. Die Privatisierung sollte dem Bund eine Milliarde Euro einbringen. Köhler nannte als Grund, dass das Grundgesetz (Artikel 87d Abs. 1) nur eine Organisationsprivatisierung (Aufgaben-Delegation an eine Gesellschaft) zulasse, jedoch keine Anteilsverkäufe (Kapitalprivatisierung). Der Bund wollte nur 25,1 Prozent Anteile behalten. Damit und mit anderen Gesetzespassagen verliere der Bund seine Steuerungs- und Kontrollrechte über die polizeihoheitliche Aufgabe der Flugsicherung, argumentierte Köhler. Im Artikel 87d des Grundgesetzes heißt es: „Die Luftverkehrsverwaltung wird in bundeseigener Verwaltung geführt. Über die öffentlich-rechtliche oder privat-rechtliche Organisationsform wird durch Bundesgesetz entschieden.“ Eine Kapitalprivatisierung wird in dem Artikel nicht erwähnt. Dazu Köhler: „Sinn und Zweck der grundgesetzlichen Vorschrift ist die Sicherstellung der jederzeitigen Durchsetzung des staatlichen Willens bei der Wahrnehmung sonderpolizeilicher Aufgaben. Artikel 87d Abs. 1 Satz 2 erlaubt daher lediglich eine Organisationsprivatisierung.“ Auch könne der Bund Steuerung und Kontrolle nicht auf Dauer garantieren, denn es solle ja die Möglichkeit geben, die Hauptbetriebsstätte ins Ausland zu verlagern. „Die Aufsicht über die Tätigkeit der Flugsicherungsorganisation wäre in einem solchen Fall erheblich erschwert, realistischerweise ausgeschlossen.“ Außerdem verfüge der Bund mit nur noch 25,1 Prozent Anteilen an der Flugsicherungsorganisation gesellschaftsrechtlich „nicht über die verfassungsrechtlich zwingenden Instrumente zur operativen Steuerung des Unternehmens“. Mit dieser Sperrminorität könnten allenfalls Satzungsänderungen verhindert werden. Zudem gebe es nach einer Übergangszeit von 16 bis 20 Jahren keine Vorkehrung für eine obligatorische Bundesbeteiligung. „Folglich wäre dann eine Kapitalprivatisierung zu 100 Prozent möglich.“ Der Bund hätte keinen gesellschaftsrechtlichen Einfluss mehr. Das Gesetz halte damit den Grundgesetzanforderungen nicht stand, argumentiert der Bundespräsident. Experten der Koalition schlossen nicht aus, dass nach Köhlers Beschluss die Anteilsverkäufe an die Anleger - in Frage kommen unter anderem Flug- und Flughafengesellschaften - von geplanten 74,9 Prozent in Richtung von weniger als 50 Prozent gehen könnten.
Nach Köhler-Veto: Neuer Anlauf für Privatisierung der Flugsicherung
Bundespräsident Horst Köhler hat das Gesetz zur Teilprivatisierung der Deutschen Flugsicherung (DFS) abgelehnt, damit aber die Verkaufspläne der Bundestagsfraktionen neu angeheizt.