Dem Beginn meiner Tätigkeit für die AMÖ waren sehr gute Gespräche mit dem Präsidium vorausgegangen. Ich war geübt in der Beratung von Private Equities und kannte mich mit den üblichen Due Diligence-Prozessen (Stärken-Schwächen-Analysen) bei Unternehmensbeteiligungen aus. Das kam mir zugute. Denn zunächst habe ich die AMÖ von außen betrachtet. Als Kunde von Mitgliedsunternehmen und aus unternehmerischer Perspektive. Ich glaube, das unterscheidet mich von anderen Verbandschefs: Ich sehe und leite die AMÖ als Unternehmer für Unternehmer.
Schon vor meiner Anstellung teilte ich meine Erkenntnisse und Gedanken offen mit dem Präsidium. So kam es von Beginn an zu tiefen Gesprächen. Meine Analyse der „alten AMÖ“ schloss ich vor meiner Anstellung weitestgehend ab. Zwar wusste ich, was es braucht. Dennoch war und bin ich stets offen für neue Erkenntnisse. Wie ich die gewinne, will ich nun näher ausführen.
Direkter Austausch mit Mitgliedsunternehmen als Schlüssel
In den ersten drei Jahren meines Wirkens habe ich mehr als 330 der rund 800 AMÖ-Mitgliedsunternehmen besucht, führte unzählige Gespräche, viele dauerten mehrere Stunden. Auf Veranstaltungen suchte ich stets den Kontakt. Ich kommuniziere gerne direkt, telefoniere viel. Dadurch lernte ich schnell viele Menschen aus den Mitgliedsunternehmen, ihre Herausforderungen und ihre täglichen Probleme kennen.
So wurde mir schnell klar, mit wem ich gerne enger zusammenarbeiten möchte. Ich wusste, auf wen ich bei der Transformation der AMÖ zählen kann. Wichtig ist mir die Partizipation vieler und nicht nur weniger. Das heißt, dass wir auf AMÖ-Veranstaltungen gemeinsam arbeiteten. Das war für viele ungewohnt. Trotz Digitalisierung wissen mittlerweile alle, wie man Post-its abreißt und so beschriftet, dass wir sie auch nach Monaten noch auf einem Fotoprotokoll lesen können.
Andreas Eichinger ist seit 2021 Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Möbelspedition und Logistik (AMÖ) e.V. Zuvor war er in der Luftverkehrsbranche und in der europäischen Verbandsarbeit tätig. In seiner Funktion treibt er die Modernisierung der AMÖ und den Wandel der Branche mit unternehmerischem Blick voran.
Wandel braucht Menschen – nicht nur Strukturen
Was ich hier schildere, sind meine persönlichen Erfahrungen, Einsichten und Ausblicke. Obgleich die Transformation der AMÖ untrennbar mit mir als Person verbunden ist, weiß ich sehr wohl, dass viele Menschen zu dieser Transformation beigetragen haben. Nie hätte ich das allein bewältigen können. Ich bin sehr dankbar für die tägliche, breite Unterstützung: die Hilfe von den Menschen in unseren Mitgliedsunternehmen, von Partnern in der Verbandswelt und in Unternehmen, von den Kollegen in der Geschäftsstelle der AMÖ in Hattersheim und noch vielen anderen mehr.
Es liegt mir fern, mich in den Vordergrund zu stellen. Ich denke aber, dass es jemanden von außerhalb der Branche brauchte, um der AMÖ neues Leben einzuhauchen. Ob das stimmt, das müssen andere beurteilen – am liebsten die Menschen in unseren Mitgliedsunternehmen. Und ich, nein wir, müssen uns an den Ergebnissen messen lassen. Noch ist nicht alles erreicht, was wir uns vorgenommen haben, aber wir sind auf einem guten Weg. Wie der bisher aussah? Das schildere ich im Folgenden.
"Als Branche stehen wir vor vielen Herausforderungen: Antriebswende, Arbeitskräfte- und Fahrermangel, überbordende Bürokratie, Digitalisierung, schlechte Infrastruktur, Nachhaltigkeit, und, und, und …"
Alte Realität: Die Möbelspedition zwischen Tradition und Wandel
Das „rollende Känguru“ war einst ein identitätsstiftendes Symbol der Möbelspediteure. Wer kennt es nicht? Als es Mitte der 1970er Jahre vorgestellt wurde, bedeutete es etwas. Heute haben immer weniger AMÖ-Mitgliedsunternehmen „rollende Kängurus“ auf ihren Lkw. Wofür genau stand es eigentlich? Und wofür steht es heute? Um ehrlich zu sein: Ich kann es bis heute nicht genau sagen. Und genau da beginnt das Problem. Wenn das „rollende Känguru“ keinen für die breite Gesellschaft bekannten Inhalt transportiert, welchen Nutzen hat es dann noch?
Das ‚rollende Känguru‘ ist das traditionelle Erkennungszeichen der AMÖ-Möbelspediteure – ein seit den 1970er-Jahren genutztes Symbol für zuverlässige, professionelle Umzugs- und Speziallogistik.
Schwieriger Wettbewerb trifft auf Fahrermangel
Als Branche stehen wir vor vielen Herausforderungen: Antriebswende, Arbeitskräfte- und Fahrermangel, überbordende Bürokratie, Digitalisierung, schlechte Infrastruktur, Nachhaltigkeit, und, und, und … Zudem gibt es kaum Markteintrittsbarrieren. Prinzipiell kann jeder eine neue Spedition eröffnen – der Wettbewerb kann erbarmungslos sein. Zumal Umzüge oft das letzte Thema sind, das Menschen beim Kauf einer neuen Immobilie bedenken.
Viele dieser Herausforderungen wurden endlos diskutiert, gelöst hat sie keiner. Warum etwa ist das Thema Fahrermangel nicht geklärt? Häufig höre ich – nicht nur unter Möblern –, dass die Bundeswehr wieder Lkw-Fahrer ausbilden muss. Die Wehrpflicht endete am 1. Juli 2011, jetzt schreiben wir 2025. Warum ist es in 14 Jahren nicht gelungen, eine adäquate Versorgung der Branche mit Lkw-Fahrern sicherzustellen? Wenn wir ehrlich sind, kennen wir die Gründe – und es liegt nicht an der Bundeswehr...
"Genau deshalb müssen wir positiv kommunizieren. Was machen wir anders? Was unterscheidet uns? Und zwar positiv! Denn niemand hat Lust für Menschen zu arbeiten, die nur das Negative sehen."
Verbände im Wandel: Mitgliederzahl, Nachfolge, neue Rollen
Fast alle Verbände verzeichnen schrumpfende Mitgliederzahlen und kämpfen mit sich stark verändernden Marktbedingungen. Auch die AMÖ. Unserer Branche ist geprägt von klein- und mittelständischen Strukturen. Das heißt, sie ist prädestiniert für Konsolidierungen und Übernahmen. Beides ist in vollem Gange. Darauf müssen wir uns als Verbände einstellen. Aber ist die Mitgliederzahl wirklich entscheidend? Sind es nicht andere Größen, etwa die Zahl der Menschen, die unsere Unternehmen beschäftigen und die wir vertreten? Der Umsatzanteil?
Gleichzeitig haben viele Unternehmer das Problem, Nachfolger zu finden. Viele Ältere können oder wollen ihr Unternehmen nicht mehr fortführen. Geschäftsaufgabe ist die Ultima Ratio.
Leistung und Vielfalt der AMÖ-Mitglieder
Dabei sind die AMÖ-Mitglieder sehr vielfältig in ihren Geschäftsmodellen. In aller Regel liegen ihre Wurzeln in der Umzugslogistik. Zahlreiche Mitgliedsunternehmen sind mehrere Jahrzehnte am Markt, manche an die zweihundert Jahre. Als Umzugslogistiker sind sie vielfältig aufgestellt. Manche fokussieren sich auf Privat-, andere auf Projektumzüge. Dazu gehören hochspezialisierte Unternehmen, die beispielsweise komplette Labore mit temperaturgeführten Transporten bis minus 200 Grad Celsius umziehen oder jene, die komplette Betriebe inklusive Fertigungsstraßen und tonnenschweren Maschinen verlagern.
Auch der Transport und die Installation medizinischen Großgerätes, die Neumöbellogistik oder der Transport radioaktiver Quellen für die Bestrahlung von Krebspatienten sind Geschäftsbereiche der AMÖ-Spediteure. Und noch vieles mehr. So haben sich aus den ursprünglichen Umzugslogistikern Speziallogistiker entwickelt. Was AMÖ-Mitglieder eint, ist der sorgsame Transport abseits des Standards. Fast jedes Gut benötigt eine besondere Verpackung und spezielles Handling. Im europäischen, aber auch im weltweiten Vergleich ist das etwas ganz Besonderes. Ich kenne keinen anderen „Möblerverband“, der so diversifizierte Mitglieder hat.