Reifenabrieb gehört zu den größten Quellen von Mikroplastik – und ist doch im Alltag kaum sichtbar. Auch im Schwerlastverkehr hinterlassen Lkw-Reifen jedes Jahr Millionen Tonnen unsichtbarer Partikel in der Umwelt. Für Speditionen und Transportunternehmen ist das nicht nur ein Umweltproblem, sondern auch ein Zukunftsthema mit Blick auf Regularien, Kosten und Reputation.
Wie groß ist das Problem Reifenabrieb wirklich?
Laut dem Institut Fraunhofer Umsicht entstehen allein in Deutschland jährlich bis zu 100.000 Tonnen Reifenabrieb. Europaweit sind es mehr als 500.000 Tonnen, weltweit sogar über eine Million Tonnen. Damit macht Reifenabrieb einen der größten Anteile am Mikroplastik-Eintrag in die Umwelt aus.
Besonders betroffen sind schwere Nutzfahrzeuge: Je höher das Fahrzeuggewicht, desto stärker nutzen sich die Reifenprofile ab. Für Speditionen bedeutet das, dass sie direkt im Fokus stehen – auch wenn das Thema in der breiten Öffentlichkeit bislang kaum wahrgenommen wird.
Warum ist Reifenabrieb gefährlich für Mensch und Umwelt?
Die winzigen Partikel bestehen aus synthetischem Gummi, Ruß, Zink-Oxid und weiteren Additiven. Sie gelangen über Luft und Wasser in Böden, Flüsse und letztlich in unsere Nahrungskette. Studien zeigen, dass diese Stoffe:
- Entzündungen auslösen können
- Zellmembranen schädigen
- hormonelle Wirkungen entfalten
- und krebserregende polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAKs) enthalten
Mikroplastik wurde inzwischen sogar in menschlichem Blut, der Plazenta und im Gehirn nachgewiesen. Das Problem ist also längst Realität, keine Zukunftsgefahr.
Welche Lösungen gibt es bereits?
Die Forschung arbeitet mit Hochdruck an Möglichkeiten, den Abrieb zu verringern. Besonders interessant für Speditionen sind:
- Neue Gummimischungen: Hersteller wie Continental, Michelin, Bridgestone oder Magna Tyres setzen auf abrieboptimierte Materialien und Profile
- Runderneuerte Reifen: Verlängern die Lebensdauer und sparen Ressourcen – ökologisch und ökonomisch sinnvoll
- Straßenbeläge & Assistenzsysteme: Spezielle Beläge oder sanftes Fahrverhalten reduzieren Abrieb deutlich
Im Förderprogramm „Umweltschutz und Sicherheit“ des BALM werden sogar Reifen unterstützt, die bestimmte Umweltkriterien erfüllen (z. B. Geräuschklasse A, Rollwiderstands-Klassen A–C).
Welche Rolle spielt die Politik?
Mit der kommenden Euro-7-Norm werden erstmals auch Reifen- und Bremsabrieb reguliert. Allerdings tritt die Vorschrift frühestens 2034 für Neuzulassungen in Kraft. Kritiker sehen darin zwar einen Paradigmenwechsel, aber auch ein deutlich zu spätes Eingreifen.
Zusätzlich gibt es noch futuristisch anmutende Ideen, die in Pilotprojekten erprobt werden: Mikroplastik-Filter im Straßenbelag, Auffangsysteme am Radkasten, magnetische Partikelsammler, KI-gestützte Fahrprofile zur Abriebminimierung.
Was können Speditionen schon heute tun?
Auch wenn viele technische Lösungen noch Zukunftsmusik sind, gibt es bereits Maßnahmen, die Fuhrparkbetreiber heute umsetzen können. In unserem Podcast „Verkehrsrundschau Funk“ haben wir dazu mit Ralf Bertling, Wissenschaftler am Institut Fraunhofer Umsicht, gesprochen. Sein wichtigster Tipp: Fahrerinnen und Fahrer gezielt schulen. Ziel ist eine vorausschauende und defensive Fahrweise – das reduziert Reifenabrieb, schont Material und hilft Speditionen gleichzeitig, Kosten zu sparen (das ganze Interview finden Sie unten im Podcast). Alle Maßnahmen im Überblick:
- Einsatz von abriebarmen oder runderneuerten Reifen
- regelmäßige Fahrerschulungen für sanftes Bremsen und Beschleunigen
- Investition in moderne Assistenzsysteme
- Förderprogramme nutzen, um Kosten zu senken
Wer diese Punkte beachtet, kann nicht nur die Umweltbelastung verringern, sondern sich auch wirtschaftliche Vorteile sichern – etwa durch längere Reifenlebensdauer und geringeren Kraftstoffverbrauch.
Fazit
Reifenabrieb ist eine unsichtbare, aber massive Herausforderung für Umwelt, Gesundheit und Logistik. Für Speditionen lohnt es sich, frühzeitig aktiv zu werden. Denn
spätestens mit der Euro-7-Norm wird das Thema auch regulatorisch relevant. Wer jetzt auf nachhaltige Reifenstrategien setzt, ist nicht nur ökologisch, sondern auch wirtschaftlich besser aufgestellt.
Ewald Wagner