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Logistik-Start-Ups: Wie sehr trifft sie das Debakel um die Silicon-Valley-Bank?

17.03.2023 10:03 Uhr | Lesezeit: 4 min
Geld für Startup, Startkapital für Geschäftskonzept
Mit viel Geld wurden die Jungunternehmer in den letzten Jahren unterstützt. Doch die Investoren werden vorsichtiger, das bekommen auch digitale Start-ups in der Logistik in Deutschland zu spüren
© Foto: iStock/ anyaberkut

Lange Zeit war es cool, ein Start-up zu gründen – auch in der Logistik. Das Investorengeld saß locker, und der Medienhype war groß. Tatsächlich ist das Geschäft knallhart, wie auch das Bank-Debakel im Silicon-Valley zeigt. Droht nun eine Krise, und was heißt das für die Logistikbranche?

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Beben in der Tech-Start-up-Branche: die Silicon Valley Bank (SVP) in den USA ist am Ende. Diese Meldung verbreitete sich wie ein Lauffeuer in der Szene. Hintergrund war: Die SVP, die sich auf die Finanzierung von Tech-Start-ups spezialisiert hat, wurde laut Medienberichten am 10. März von den dortigen Aufsichtsbehörden geschlossen, weil die SVP-Aktien am Vortag Rekord-Tagesverluste gemacht hatten.
Wie es mit der Silicon Valley Bank weiter geht (möglicherweise soll es nun doch ein Stützpaket für die SVP geben), welche weiteren Kreise das Debakel ziehen wird, ob möglicherweise gar eine neue Finanzkrise droht, weiß bislang keiner (Stand: 16.3.2023).

300 deutsche Start-ups sind wohl betroffen

„In der Start-up-Branche geht im Moment die nackte Angst um. Allein in Deutschland dürften rund 300 Start-ups direkt von dem SVP-Debakel betroffen sein“, sagt Start-up-Kenner Michael Löhr. Als Gründer von Tiramizoo in 2010, das sich seinerzeit im Same-Day-Segment positionierte, zählt er hierzulande zu den Pionieren der digitalen Start-up-Szene in der Logistik. Heute ist er CEO von Ambleside Ventures und berät digitale und Climate-Tech-Start-ups, um diese für Finanzierungsrunden fit zu machen.
Deshalb weiß er auch, wie es um das Management und die betriebswirtschaftlichen Kennzahlen vieler Junggründer wirklich aussieht: „Nur zehn Prozent der Start-ups funktionieren herausragend. Da passt das Geschäftsmodell, die sind gut im Markt positioniert, da funktioniert das Management, und die Zahlen sehen gut aus“, erläutert Löhr. In 90 Prozent der Start-ups habe das Management dagegen nur wenig Erfahrung. Wenn das Marktumfeld schwierig werde, dann seien viele überfordert „Ohne das Risikokapital von Investoren“, fürchtet Löhr, „wird es für solche Betriebe jetzt schwierig.“

Ernüchterung bei Investoren

Zumal sich der gesamte Risikokapitalmarkt (Venture Capital; VC) laut Löhr schon vor dem Absturz der Silicon Valley Bank deutlich abgekühlt hat. „Vor allem am Ende der Corona-Pandemie ist da, auch im Last-Mile-Segment und hier vor allem im ultraschnellen Zustell-Segment Gorillas & Co, eine gewisse Ernüchterung eingezogen.“ So flossen in Deutschland, wie Zahlen von Statista zeigen, noch vor zwei Jahren rund 17,36 Milliarden Euro Wagniskapital in Start-ups, im vergangenen Jahr waren es nur mehr 9,85 Milliarden Euro – also fast die Hälfte weniger.
„Die Investoren schauen nun viel stärker darauf, welchen besonderen Wert die Unternehmen durch ein digitales Geschäftsmodell tatsächlich entwickeln und wie sie diesen Vorteil monetarisieren“, sagt auch Franz-Joseph Miller, einst Gründer und CEO von TimeMatters und Liefery, der heute parallel mit VC-Gebern in Start-ups investiert und als Board Advisor berät. „Sprich: Sie achten nun neben Wachstum viel genauer darauf, welche Gewinnmarge mit einer Lösung realisiert werden kann.“ Noch vor ein, zwei Jahren habe der Fokus der Investoren viel stärker auf dem Wachstum eines Start-ups gelegen und weniger auf der Cash-Burn-Rate, sprich wie viel Geld ein Start-up für das Wachstum monatlich verbraucht.
„In der digitalen Logistik-Szene trennt sich deshalb gerade die Spreu vom Weizen. Der Markt wird sich da ein gutes Stück konsolidieren; fallweise werden sicher auch Unternehmen ausscheiden“, fürchtet Miller, ohne konkrete Namen nennen zu wollen. So seien etliche Player darauf ausgerichtet gewesen, sehr schnell zu skalieren unter der Annahme, ab einer gewissen Größe Margenvorteile zu realisieren oder auch mit einer kleinen Marge ein attraktives Modell zu haben. „Das hat sich gedreht. Da findet gerade eine Kurskorrektur statt – nicht nur in Deutschland, sondern weltweit“, weiß er. „Jetzt gilt es, früher zu zeigen, dass man profitabel wird und trotzdem interessant wachsen kann.“

Start-ups bauen massiv Stellen ab

Kein Wunder, dass vielerorts anstelle von Euphorie nun der Rotstift regiert. Denn viele junge Unternehmen sind gerade während der Corona-Pandemie stark gewachsen und haben schnell sehr viele Mitarbeiter aufgebaut. Ein Beispiel: Medienberichten zufolge baute die US-amerikanische Digitalspedition Flexport im Januar 2023 in der globalen Belegschaft jede fünfte Stelle ab. Auch die digitale Spedition Forto, die noch im März 2022 in einer Finanzierungsrunde umgerechnet 230 Millionen Euro einsammeln konnte, soll in diesem Jahr ihre Belegschaft angeblich um zehn Prozent reduziert haben; wobei der größte Teil davon Ende 2022 erfolgt sein soll.

„Seit Frühjahr 2022 hat sich Stimmung im VC-Markt gedreht“, sagt auch Philipp Ortwein, Mitgründer und Geschäftsführer der digitalen Spedition Instafreight. „Wir selbst haben unsere letzte Finanzierungsrunde Ende 2021 abgeschlossen und sind damit von der aktuellen Situation zum Glück weniger betroffen.“

Digitale Start-ups haben eine Zukunft

„Digitale Start-ups haben trotzdem in der Logistik eine Zukunft, gerade weil die Logistik noch immer in vielen Bereichen sehr manuell arbeitet“, sagt Miller. Konkrete Potenziale sehe er hier zum Beispiel bei digitalen Geschäftsmodellen, die mehr Transparenz und Visibilität in die Geschäftsprozesse bringen oder aber komplizierte Prozesse stark vereinfachen. Wie gesagt stets unter der Prämisse, dass das Start-up profitabel arbeite.

„Wie sich dieser neue Druck der Investoren auf die digitale Start-up-Szene in der Logistik auswirken wird und ob es dadurch in diesem Segment vermehrt Marktaustritte in nächster Zeit geben wird, lässt sich bislang nicht abschätzen“, meint indes der Start-up-Kenner Tim Brühn. Zumal die Geschäftsmodelle der digitalen Logistik-Start-ups sehr unterschiedlich seien. Brühn ist CEO von Cargo Digital World (CDW), das der Stückgutverbund Cargoline gegründet hat, um die Entwicklung neuer digitaler Transport- und Logistik-Start-ups bis zur Marktreife zu fördern. Fest steht für ihn aber: „Sogenannte ,digital sales‘, also digitale Vertriebslösungen, die etwa Speditionen den Kundenzugang vereinfachen, haben in der Transport- und Logistikbranche ihre Berechtigung und weiter eine große Zukunft – zumal dies Kunden von ihren Dienstleistern zunehmend erwarten.“ Die Bereitschaft, Aufträge online zu buchen, sei heute größer als vor Jahren – im B2B und im B2C.“ Auch für „smart operations“ sieht Brühn weiter eine große Zukunft, also für digitale Lösungen, die Firmen etwa Effizienzvorteile in der Logistik oder aber bessere Planbarkeit generieren.

„Wichtig ist, dass die Logistik-Start-up-Szene in der aktuellen Konsolidierungsphase – Stichwort auch Silicon Valley Bank – nun nicht ausgebremst wird“, betont Brühn. „Gerade in Deutschland ist in den letzten Jahren viel Positives und Lebendiges passiert. Diesen Spirit und diesen Gründermut gilt es zu bewahren – Innovationen bringen ja unsere gesamte Wirtschaft voran.“

Befindet sich die Logistik-Start-up-Szene in Insolvenz-Gefahr?

Alles in allem aber dürfte es aber für Junggründer, auch Marktbegleiter, die wegen der aktuellen Marktlage kein frisches Geld bekommen, schwierig werden, befürchtet Instafreight-CEO Ortwein. „Da schaffen es sicher nicht alle in die Ziellinie. Wir werden wohl leider auch Marktaustritte und vermehrt Zusammenschlüsse zwischen Start-ups und Scale-ups oder aber strategischen Investoren erleben.“ Zumal man als digitales Start-up gerade in der Anfangsphase viel Kapital brauche, um schon früh in Technologie investieren zu können.

„Die Logistik-Start-up-Szene ist aber nicht in der Krise“, betont Unternehmer Navid Thielemann, CEO der Thielemann Group, der zuletzt durch mehrere Beteiligungen an Start-ups in der Logistik für Schlagzeilen gesorgt hat. Es gebe viele Start-ups, die Innovations-Ideen kreieren, betont der 37-Jährige. „Und in solche Start-ups investieren wir. Denn es gibt in der Logistik immer noch sehr viel Nachholbedarf in puncto Innovationen.“ Die VerkehrsRundschau hat Thielemann noch mehr Fragen zum Thema "Krise in der Logistik-Start-up-Szene" gestellt, das Interview finden Sie hier.

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