Lebensmittellogistik: Frust beim Food

Die Nervosität in der Lebensmittelbranche steigt. "Wir haben seit zwei Jahren ein riesiges Auf und Ab. So ging im Handel die Nachfrage erst rauf, dann wieder runter, und im Gastronomiebereich ging sie zurück", klagt Oliver Kölsch, Geschäftsführer bei der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) in Berlin. "2020 kamen wir noch mit einer schwarzen Null davon; 2021 dürften wir aber - vorsichtig geschätzt - bei einem Minus von 1,6 Prozent liegen, und in Deutschland gehen wir in der Ernährungswirtschaft sogar von minus vier Prozent aus. Das ist für uns ein Schock." Die Krise gemeinsam meistern Insbesondere die Großküchen, Event-Gastronomie und Restaurants wurden laut Kölsch durch die pandemiebedingten Lockdowns getroffen. Da sei der Umsatz 2021 im Vergleich zum Vorkrisenzeitraum, führt Kölsch aus, um 30, fast 40 Prozent und in Einzelfällen sogar um 80 Prozent gesunken. Fatal seien aber das massive Auf und Ab und die mangelnde Planungssicherheit für die Betriebe. Umso dringlicher stellt sich für den BVE-Geschäftsführer die Frage, wie Nahrungs- und Lebensmittelhersteller, Transport- und Logistikfirmen diese Krise gemeinsam meistern können. "Natürlich haben die Hersteller den Anspruch, die erforderliche Quantität und Qualität zu einem bestimmten Preis zu bekommen. Es geht uns da aber nicht ums bloße Kostendrücken", betont er. Besser wäre es vielmehr, "wenn Rohstofflieferanten, Hersteller, Händler und Logistikdienstleister die Wertschöpfungskette als Ganzes sehen und gemeinsam nach ganzheitlichen Lösungen suchen. Das würde die Prozesse in der Logistik deutlich beschleunigen und so optimieren - nicht nur kostenmäßig, sondern auch zeitlich", ist er überzeugt. "Wir müssen alle an einen Tisch - und da hilft uns sicher auch die Zusammenarbeit über eine gemeinsame digitale Plattform." "Miteinander reden ist immer hilfreich", betont Roger Schwarz. "Denn dies schafft Verständnis für die Situation des Einzelnen. Dann lassen sich auch Konzepte entwickeln, um bestimmte Prozesse effizienter zu machen", ist der Geschäftsführer von Transfrigoroute Deutschland überzeugt, in der rund 150 kleine und mittelständische Transport- und Speditionsbetriebe, die temperaturgeführte Produkte und Lebensmittel befördern, Mitglied sind (siehe Kasten). Ein Wahnsinn, der Insolvenzen treibt Aus seiner Sicht wäre ein solches Miteinander auf Augenhöhe höchste Zeit. "Denn nach wie vor dürften unsere Betriebe in diesem Segment im Schnitt nur ein bis zwei Prozent Umsatzrendite erwirtschaften", schätzt Schwarz. "Die Umsatzrenditen sind noch immer viel zu niedrig, auch weil auf der Auftraggeberseite große Konzerne Preisstrategien verfolgen." Fakt sei: Die Dieselkosten sind binnen Jahresfrist um rund die Hälfte gestiegen, die Fahrerlöhne um bis zu 20 Prozent, die LNG-Kosten haben sich bald verdreifacht, und die AdBlue-Kosten sind auf ein Mehrfaches gestiegen. Sehr deutlich erhöht haben sich auch die Anschaffungskosten für Sattelzugmaschinen und Auflieger, verbunden mit exorbitant hohen Lieferzeiten. Auch die Kosten für Reifen und Ersatzteile sowie deren Lieferfristen steigen weiter. Speziell im Kühlbereich komme hinzu, dass schon verladene Lebensmittel auch am Wochenende gekühlt oder tiefgekühlt werden müssen. "Diese Kosten für den Betrieb der Transportkälteaggregate während dieser Standzeiten am Wochenende werden vom Auftraggeber gerne ignoriert. Diese sind indes ebenso gestiegen und müssen bei der Kalkulation berücksichtigt werden." Umso dringlicher wünscht sich Schwarz im Sinne seiner Mitgliedsfirmen "die Rückkehr zu einer gewissen Normalität". Nach wie vor gebe es für diese weder bundesweit einheitliche Regelungen im Umgang mit der Pandemie noch einheitliche Vorgaben seitens der Kunden. Selbst nachweislich tagesaktuell getestete Fahrer müssten sich derzeit mehrmals am Tag testen, um zu mehreren Be- oder Entladestellen zu gelangen, weil die Tests fallweise nicht anerkannt werden. Diese Gesamtsituation sei ein Wahnsinn, der so manchem Transportbetrieb sogar das Genick brechen könnte: "Wir werden in diesem Jahr einige Geschäftsaufgaben und Insolvenzen erleben." Mehr zum Thema finden Sie unter #Kühllogistik www.verkehrsrundschau-plus.de In Kürze Die Situation der deutschen Lieferanten und Dienstleister der Lebensmittelbranche verschärft sich. "Die Zahlungsverzögerungen und Insolvenzen könnten hier jeweils um zehn Prozent steigen", warnte nun Kreditversicherer Atradius. Was die Gründe für die Situation sind, was den Beteiligten helfen könnte, zeigt der Beitrag. Roger Schwarz, Geschäftsführer von Transfrigoroute Deutschland "Völlig volatile Auftragssituation" Sie sind Geschäftsführer von Transfrigoroute Deutschland. Mit was kämpfen derzeit Lebensmitteltransporteure? Neben dem gigantischen Kostendruck, dem Fahrermangel und den Lieferengpässen bei Lkw, Sattelzugmaschinen und Anhängern frisst die steigende Unpaarigkeit der Verkehre dringend benötigte Anteile an Transportkapazitäten auf. Da viele Empfänger in der einen Woche "hamstern", was mit überdurchschnittlich vielen Transportaufträgen verbunden ist, und in den Wochen danach nichts mehr bestellt wird, sind Kapazitätsplanungen zunehmend schwierig. Zudem ist durch den weitgehenden Ausfall der Veranstaltungen und die starken Einschränkungen in der Gastronomie auch im Lebensmittelbereich eine völlig volatile Auftragssituation entstanden. eh

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