Lautlos und sauber liefern

Nicht nur bei Fuso ist man sich sicher: Im urbanen Lieferverkehr wird in Zukunft kaum noch ein Weg an elektrisch betriebenen LKW vorbeiführen. Auch wenn die Stromer zuletzt durch sinkende Ölpreise wieder deutlich an Fahrt verloren haben. Weshalb die japanische Daimler-Tochter jetzt die serienreife Version ihres elektrisch betriebenen Canters vorstellte, deren Prototyp erstmals auf der IAA 2010 zu sehen war. Wie alle Daimler-Fahrzeuge mit "verbrennungsfreiem" Antrieb hört auch der E-Canter auf die Bezeichnung "E-Cell". Anstelle des 3.0-Liter-Diesels arbeitet unter der unveränderten Canter-Kabine ein Elektroantriebsstrang, den Fuso allerdings von japanischen Zulieferern bezieht. 150 PS - oder elektrotechnisch korrekter ausgedrückt 110 Kilowatt - liefert der Permanent-Magnet-Motor über ein Eingang-Getriebe an die Hinterachse. Sechstonner mit fast 3000 Kilo Zuladung Die stammt, genauso wie die Kardanwelle von den "normalen" Diesel-Modellen. Von denen unterscheidet sich der E-Cell optisch nur durch die raumgreifenden Batteriepakete, die an beiden Rahmenseiten montiert sind. Letzterer ist für ein Gesamtgewicht von sechs Tonnen zugelassen. Der 4300-Millimeter-Radstand erlaubt laut Fuso Platz für bis zu 4,4 Meter lange Aufbauten, deren Gewicht aber noch von der von Fuso angegebenen Nutzlast des "nackten" Chassis von knapp drei Tonnen abgezogen werden muss. Wenn die Zuladung nicht vollständig ausgeschöpft wird, hinterlässt der E-Cell bei seinem Fahrer Licht und Schatten. Denn das ebenfalls unverändert von den Diesel-Modellen übernommene Fahrwerk gibt sich unbeladen extrem bockig und leitet jedes Schlagloch direkt an die Bandscheiben des Fahrers weiter. Da bringen auch die dürren Canter-Sitze wenig Linderung ... Für echten Fahrspaß sorgt im Stadtverkehr dafür der Elektro-Motor oder genauer gesagt dessen 650 Newtonmeter Drehmoment, die bauartbedingt bereits ab Null Umdrehungen anliegen. Der beherzte Tritt aufs Gas wird beim Anfahren mitunter in solch konsequenten Vortrieb umgesetzt, dass die Antriebsräder sogar auf trockener Straße um Gnade winseln. Und vor allem lässt man so manchen gut motorisierten Mittelklasse-PKW problemlos stehen. Der E-Cell-Lenker nimmt's mit einem breiten Grinsen beim Blick in den Rückspiegel zur Kenntnis, sollte aber seine Aufmerksamkeit tunlichst wieder auf das Geschehen vor ihm wenden. Denn das Geschwindigkeitslimit urbaner Zentren überschreitet der Fuso in kürzester Zeit. Und das so leise, dass man sich gefühlt viel langsamer bewegt. Und das fast lautlose Rollen bringt weitere Gefahren mit sich: Fußgänger hören den Elektro-Fuso einfach nicht und passieren regelmäßig nichts ahnend direkt vor dem LKW die Straße. Eigentlich eine gute Idee, solche Situationen abzulindern, ist das von Fuso erdachte akustische VSP-Warnssystem (Vehicle Sound for Pedestrians), das sich bis zu einer Geschwindigkeit von 25 km/h per Knopfdruck zuschalten lässt. Allerdings gibt VSP lediglich ein ebenfalls kaum hörbares elektrisches Summen von sich. Hier müssen die Fuso-Ingenieure bis zum Serienstart noch nachbessern. Rekuperation in zwei Stufen Besonders vorausschauend fahren und jederzeit bremsbereit sein, ist im E-Cell daher ein Muss. Ansonsten hat das Verzögerungs-Pedal aber meist Pause. Sobald man vom Gas geht, schaltet die Elektronik auf Rekuperation, deren Stärke sich in zwei Stufen am rechten Lenkstockhebel wählen lässt. Dann mutiert der E-Motor zum Generator und speist die beim Rollen erzeugte Energie zurück in die am Rahmen montierten Lithium-Ionen-Batterien. Entsprechend schnell wird der Sechstonner abgebremst. Wer die Rekuperation entsprechend nutzt, soll es mit dem E-Canter bis zu 100 Kilometer mit einer "Tankfüllung" schaffen. Nutzt man allerdings die abgeregelte und spielend zu erreichende Höchstgeschwindigkeit von 90 km/h aus oder gibt sich den erwähnten Beschleunigungsduellen mit PKW hin, kann man förmlich zusehen, wie bei der digitalen Batterieanzeige die Füllbalken nach unten fallen. Bei der Fahrt in die Zukunft der Strom-Laster ist ein ökonomischer Fahrstil also unbedingt angesagt. Technische Daten MotorPermanent-Magnet-Elektromotor, Leistung: 110 kW (150 PS), max. Drehmoment: 650 Newtonmeter ab 0/minKraftübertragungEingang-Getriebe, HeckantriebBatterienLithium-Ionen-Akkus (rechts und links am Chassis montiert), Kapazität: 48,4 kWh, Ladezeit bei leeren Akkus an 230 Volt: 7 Stunden (mit Schnellladesystem 1 Stunde)Fahrwerk & Bremsenvorn: Starrachse, Blattfedern mit Stoßdämpfer und Stabi, hinten: Starrachse, Blattfedern mit Stoßdämpfer und Stabi, Bereifung: 205/75 R 17,5MesswerteLxBxH (Fahrgestell): 5940x2170x2190 mm, Radst.: 3400 mm, zul. GG: 6000 kg, Leergew. (Fahrgest.): 3065 kg, Nutzlast: 2935 kgKurzurteil+ Extrem kräftiger Antritt, leises Fahrgeräusch, zweistufiger Rekuperationsmodus- sehr unkomfortables Fahrwerk, mäßiger Komfort, Spiegel ohne Weitwinkelfunktion Fuso Canter E-Cell im Feldversuch Acht Elektro-Canter müssen sich im Transport-Alltag bewähren Um die Praxistauglichkeit des Elektro-Fuso zu testen, schickt Fuso acht Exemplare des E-Cell in einen Feldversuch. Die Fahrzeuge sind allerdings allesamt auf den Straßen Portugals in der Nähe des Canter-Werkes in Tramagal unterwegs. Die mit Pritschen und Kofferaufbauten ausgestatteten E-Fusos werden sowohl von Kurier- und Speditionsunternehmen, als auch von Gemeinden und städtischen Gartenbaubetrieben eingesetzt. Der Feldversuch ist auf ein Jahr begrenzt. Der Hersteller will die acht Sechstonner in diesem Zeitraum regelmäßig untersuchen. Vom Ausgang des Praxistests hängt laut Fuso auch der Zeitpunkt ab, wie schnell der Canter E-Cell in die Serienproduktion findet. bj

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