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"Lage des Lkw-Fahrpersonals ist menschenunwürdig"

07.03.2017 10:31 Uhr
"Lage des Lkw-Fahrpersonals ist menschenunwürdig"
Viele Rastplätze sind vor allem am Wochenende überfüllt - vor allem osteuropäische Fahrer kommen oft monatelang nicht nach Hause
© Foto: Picture Alliance/Jens Büttner

Die Bundestagsfraktionen beraten aktuell darüber, ob das Verbringen der wöchentlichen Ruhezeit im Fahrzeug verboten werden soll. Bei einer Sachverständigen-Anhörung sorgte der Vorstoß für Diskussionen.

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Berlin. „Katastrophal und menschenunwürdig“, sei die Lage der Berufskraftfahrer, wenn sie für ihre vorgeschriebenen regelmäßigen Wochenruhezeiten in ihren Lkw auf Parkplätzen pausieren – häufig ohne Zugang zu sanitären Anlagen. Manch ein Fahrer aus dem osteuropäischen Raum sei sogar sechs und mehr Monate unterwegs, ohne in die Heimat zu kommen. So schilderte Thomas Fiala vom Polizeipräsidium Köln seine Eindrücke von der Lage an den Rastplätzen am Montag bei einer Sachverständigenanhörung des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur zu geplanten Änderungen im Güterverkehrsrecht. Aktuell berät der Bundestag über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Güterkraftverkehrsgesetzes, des Fahrpersonalgesetzes, des Gesetzes zur Regelung der Arbeitszeit von selbständigen Kraftfahrern, des Straßenverkehrsgesetzes und des Gesetzes über die Errichtung eines Kraftfahrt-Bundesamtes. Unter anderem sieht dieser Entwurf das Verbot des Verbringens der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit im Fahrzeug vor.

Die Anhörung konzentrierte sich auf die Lage des Fahrpersonals, die „tatsächlich menschenunwürdig” sei, betonte der Fernfahrer Udo Skoppeck, der sich mit der „Allianz im deutschen Transportwesen“ um seine Kollegen aus der gesamten EU kümmert. Die meisten übten ihren Job „in keinster Weise freiwillig“ aus. Skoppeck wies speziell auch auf Sprinter-Fahrzeuge hin, deren Fahrer oft quer über die Fahrersitze schliefen - und dies „bei bis zu minus 15 Grad“.

Fiala machte deutlich, dass es zu den katastrophalen Zuständen insbesondere an den Grenzen zu Nachbarländern wie Frankreich, Belgien oder die Niederlande komme, weil dort gegen die Übernachtungen im Fahrzeug restriktiver vorgegangen werde. Die Erfahrungen in diesen Ländern zeigten, dass entsprechende Regulierungen kontrollierbar wären, wenn es sie auch in Deutschland gäbe, führt er an.

Eine Frage der Definition: Was bedeutet "geeignet"?

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und Dienstleistungsgewerkschaft Verdi machten sich stark für einen Vorschlag des Bundesrats, in dem die Ansprüche an den Unternehmer bezüglich der Wochenruhezeiten ebenso klar definiert seien wie die an das Fahrpersonal – nämlich in Form einer Rückkehr zum Wohnort des Fahrers, zum Ort des Unternehmenssitzes oder einer Übernachtung in einer festen Unterkunft mit Sanitäreinrichtungen und Versorgungsmöglichkeiten. Sowohl DGB als auch Verdi bemängelten den Vorstoß der Fraktionen von CDU/CSU und SPD im Ausschuss für Verkehr Infrastruktur wonach im Gesetz eine „geeignete Schlafmöglichkeit“ für die Wochenruhezeit vorgegeben werden soll. Dies sei problematisch, weil niemand genau definieren könnte, was denn unter „geeignet“ zu verstehen sei.

BGL will Fahrer entscheiden lassen

Professor Dirk Engelhardt vom Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) stufte ein „grundsätzliches Verbot des Verbringens der regelmäßigen Wochenruhezeit im Fahrzeug“ zwar als einen „Ansatz zur Bekämpfung des Nomadentums auf Park- und Rastplätzen im Bundesgebiet“ ein. Dies könne einen Beitrag zu einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen leisten. Allerdings setzte sich der BGL dafür ein, dass es den Fahrpersonal freigestellt bleiben müsse, wo und wie es seine Freizeit verbringt. Nach Engelhardts Ansicht geht es „nicht ausschließlich darum, wo der Fahrer schläft“. Möglicherweise fühle sich ein Fahrer im eigenen, komfortabel ausgestatteten Fahrerhaus sehr viel wohler als bei einem erzwungenen Aufenthalt in einem Motel, machte er deutlich.

Erst Mitte Februar hatte der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) regelmäßigen Wochenruhezeit von Lkw-Fahrern in ihren Fahrzeugen als rechtswidrig bewertet. Das EU-Recht erlaube solche Praktiken nicht, hieß es in den Schlussanträgen zu einer Klage eines belgischen Transportunternehmens gegen den belgischen Staat. Maßnahmen, die einzelne Staaten gegen das Verbringen der regelmäßigen Wochenruhezeit in den Fahrzeugen ergriffen hätten oder ergreifen könnten, seien laut des Generalanwalts vollkommen gerechtfertigt. Die Schlussanträge der Generalanwälte am EuGh sind noch keine Urteile, gelten aber als richtungsweisend. In Frankreich und Belgien sind Verbote zur Verbringung der wöchentlichen Ruhezeit im Fahrzeug bereits länger in Kraft.

Am kommenden Donnerstag berät der Verkehrsausschuss des Bundestages in zweiter und dritter Lesung über den deutschen Entwurf. (sno)

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KOMMENTARE


Paul Fierek

07.03.2017 - 12:30 Uhr

Bevor der Bundesrat das Gesetz zur Wochenruhezeit verabschiedet, muss sichergestellt sein,dass genügend Unterkünfte mit LKW Stellplätzen im näheren Bereich der Autobahnen vorhanden sind.Man stelle sich vor das im Großraum München ca. 500 Fahrer mit Ihren LKWs am Wochenende eine geeignete Unterkunft suchen!das Chaos ist perfekt.


Karl A. Selig

07.03.2017 - 15:14 Uhr

Es geht, so sehe ich das, wir im Bericht oben erwähnt gar nicht darum ob der Fahrer in seinem Führerhaus das Wochende verbringt oder in einem Hotel. Manche Führerhäuser sind sehr komfortabel eingerichtet. Es geht darum, dass die Führerhäuser entsprechend auf eine bequeme Übernachtung ausgelegt sind und die Fahrer nicht auf den Sitzen oder gar am Boden schlafen müssen. Vor allem scheint es in meinen Augen wichtig zu sein, dass hier keine Cargo-Nomaden herangezüchtet werden, die Monatelang in ungeeigneten Fahrzeugen hausen um den Unternehmern im Ausland Geld zu sparen und dass geeignete Plätze zum Abstellen der Fahrzeuge über das Wochende vorhanden sind, wo die Fahrer sich auch in ihren gut ausgestatteten Führerhäusern streßfrei erholen können. Hier würden sich sicherlich Übernachtungsplätze mit entsprechenden Sozialräumen und Freizeitangebot anbieten, die nicht zu überteuerten Preisen angefahren werden können. HIer würde es sich anbieten in den Industriegebieten solche Plätze auszuweisen oder Firmen die vom und mit dem Transport leben, wie Großlager der Diskounter, Produktionsstätten mit viel LKW frequenz oder Speditionen und Werkstätten Parkplätze mit ausreichenden Sozialräumen und Freizeiträumen vorzuhalten und zu unterhalten. Können ja steuerlich geltend gemacht werden und somit den Steuerzahler entlasten. Es gibt genug Firmen deren Parkplätze am Wochenende eh leer stehen und somit genutzt werden könnten. Die Ausrede der Versicherung oder und der Gefahren sind eh nichts anderes als Ausreden, damit man sich nicht in dieser Richtung engagieren muss.


Kurt Boy

07.03.2017 - 20:04 Uhr

am WE ist sehr Viel Platz auf Rasthöfen und Autohöfen , wenn man bereit ist die Parkgebühren zu zahlen hat man auch ausreichend sanitäre Anlagen, bekommt man zu 90 Prozent von der Firma bezahlt


Luik

08.03.2017 - 11:23 Uhr

Also ich finde das gut das das genauso gemacht werden soll wie in den Nachbarländern Belgien u Frankreich. Ersten können die Spediteure die Fahrer nicht weiter unter druck setzen und die Parkplätze werden dann nicht über das Wochenende nicht als öffentliche toiletten benutzt. Das ist auch so ein problem. Desweiteren sollen sich die Politiker auch mal über die Sozialvorschriften gedanken machen denn da werden die Lkw Fahrer auch noch betrogen mit 60-70 Std un der woche obwohl nur 48 Std erlaubt sind. Die Spediteure geben kein ausgleich dafür geschweige den bezahlen sie die Überstunden . Und da wir Fahrer den Job beauchen und auch gerne machen wehren wir uns nicht dagegen weil wir an unsere Familien und kinder denken . Darum müsste sich mal gekümmert werden. Nochwas der Herr von der BGL hat keine ahnung wovon er spricht mit seiner Äuserung der ist selbst noch nie gefahren . Sollte er mal machen.. wir lkw Fahrer sind froh wenn wir in einem vernünftigen Bett schlafen können. Ich mache den Job schon über 20 Jahre und weiß wovon ich rede.


Moser Franz

02.04.2017 - 22:03 Uhr

eine Petition sollte veranlasst werden, weil wir junge Menschen finden dieses System mehr als asozial. Leider war ich so "bled" und habe mich nach der Realschule für diesen Job begeistert, jedoch ist die wahrheit mehr schein als sein. Ich kann jedem jungen Menschen nur raten sich etwas anderes zu suchen, weil diese Misere eine der menschen unwürdigsten formen hat.Lieber gehe ich in Zeitarbeit als, dass ich 60-70 Std. mich nervlich fertig machen lasse. Viele Schulen bei uns lassen bereits keine Speditionen mehr vorsprechen für Nachwuchs.Ich wünsche trotzdem alle Berufskraftfahrer nur das beste...


Dieter Lubsch

26.05.2017 - 19:53 Uhr

Den LKW-Fahrern werden immer mehr Verbote auferlegt, es sind ja nicht nur die Lenk- u. Ruhezeiten, da sind auf der anderen Seite auch die immer kürzer werdenden Lade u. Entladezeiten so wie die dadurch längeren Wartezeiten, auch die Verkehrssituationen hindern LKW-Fahrer oft daran zum WE zu Hause (oder an einem Entsprechenden Ort) zu sein um Seine Wochenendruhezeit einhalten zu können, da bleiben dann Lenkzeitüberschreitung oder was ??? was bleibt denn ??? Der Unternehmer kann und wird einen z.B. leeren LKW nicht zum Standort über hunderte von Km holen und auch nicht können wenn z.B. in der Nähe der letzten Entladestelle die Beladestelle ist. Ich bin nicht generell gegen dieses Verbot. aber man kann nicht einfach Verbote erlassen und alles unter Strafe stellen ohne das Umfeld anzupassen. So könnten zum Beispiel viel einfacher Lenk und Ruhezeiten eingehalten werden, wenn bei allen (etwas Übertrieben) rund um die Uhr Be- und Entladen werden könnte.. Dann können auch die Disponenten anders planen. Ich kann mich noch dran erinnern, wie es früher war, so die Zeit wo es noch nicht die 40 to gab sondern 38 to zul Ges. Gewicht. In Fabriken war die 45 Std. Woche, Fahrerzeit war: 4-1-4-8 Std. dann kam die 35 Std. für Fabrikarbeiter bei vollem Lohnausgleich... auf kosten der LKW-Fahrer denn kurz danach hieß es dann (aus Verkehrssicherheitstechnischen Gründen ) nun 4 1/2 - 3/4 - 4 1/2 - 8 Std. ohne Ausgleich. Dann wurden die Gewichte noch auf 40 to angehoben. Anschließend Nachtruhe 9 Std. die 3/4 Std konnte aufgeteilt werden. Schichtzeit war nicht. Alles einhalten innerhalb 24 Std. war nicht. Dann kamen Begrenzer, durch die verkürzten Arbeitszeiten der Fa.-Arbeiter verkürzten sich die Be- u. Entladezeiten. Somit waren die Fahrer wieder angehalten die Lenk- u. Ruhezeiten zu missachten. Im Grunde alles damit die anderen Arbeiter Ihre kürzeren Arbeitszeiten genießen können. Lohnerhöhung bei Kraftfahrern ??? vergesst es, Lohnkürzungen ja. Das kann man noch lange so weiterführen. Das würde ins unendliche führen. Die LKW-Fahrzeuge sind mittlerweile so gut ausgestattet das die Betten großenteils wesentlich besser sind als die in einem Motel (ich spreche aus Erfahrung). Warum sollte es einem LKW-Fahrer nicht gestattet sein, Seine Ruhezeit in dem Bett im LKW zu verbringen ?? Denn dann dürfte Er ja eigentlich gar nicht mehr im LKW schlafen, wenn für das WE die Betten nicht gut genug sind, dann sind sie auch nicht gut genug um die Fahrtüchtigkeit unter der Woche wieder her zu stellen. Meiner Meinung nach sollten mehr Rastplätze mit Sanitären Anlagen gebaut werden, ähnlich Campingplätzen. Denn ein LKW ist doch irgendwo auch ein Wohnmobil. Andere verbringen zur Erholung Ihren ganzen Urlaub in solchen Fahrzeugen.


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