Künftiger Verkehrskommissars Tajani kündigt Wegekostenrichtlinie an

17.06.2008 17:25 Uhr
Tajani
Antonjo Tajani musste sich dem EU-Parlament drei Stunden lang für kritische Fragen stellen (Bild: EP)
© Foto: EP

Designierter Barrot-Nachfolger nimmt klare Postitionen bei umstrittenen Verkehrsprojekten ein: Neue Wegekostenrichtlinie wird Anfang Juli vorgestellt

von Dieter Wahl

Brüssel. In einer dreistündigen Anhörung stellte sich der designierte EU-Verkehrskommissar Antonio Tajani gestern Abend in Straßburg den Fragen des Verkehrs- und des Haushaltsausschusses des Europäischen Parlaments (EP). Diese nach dem EG-Vertrag vorgeschriebene Eignungsprüfung des neuen Mitglieds der EU-Kommission ist die Grundlage für eine Abstimmung im Plenum, die für morgen vorgesehen ist. Tajanis Vorgänger Jacques Barrot, der nach knapp vier Amtsjahren als Verkehrskommissar und Vizepräsident der Kommission zum Ressort für Justiz, Sicherheit und Inneres wechseln soll, wurde zuvor vom Innen- und Rechtsausschuss befragt. Die Neubesetzung der Ressorts durch den 54-jährigen christdemokratisch-konservativen EU-Parlamentarier Tajani - ebenfalls nominiert als Kommissions-Vize - und den 71-jährigen Franzosen Barrot wurde nötig durch die Ernennung des bisherigen italienischen EU-Justizkommissars Franco Frattini zum Außenminister Italiens. Breiten Raum im Tajani-Hearing nahmen das brisante Thema der Wegegebühren und das Problem der umstrittenen externen Transportkosten ein. Die EU-Kommission beabsichtige am 8. Juli die Vorlage eines „allgemeinen Modells zur Bewertung der externen Kosten“, einer „Strategie zu ihrer Anlastung bei allen Verkehrsträgern“ und einer „Folgenabschätzung“, kündigte Antonio Tajani an. Die Strategie werde „den Merkmalen des jeweiligen Verkehrsträgers angepasst“, die typisch für die von ihm verursachten externen Kosten seien. Da dies im Bahnverkehr vor allem den Lärm betreffe, werde die Kommission dazu auch „eine Mitteilung über Anreize zur Verringerung der Lärmemissionen von Schienenfahrzeugen“ vorlegen. Den größten Anteil an den „externen Effekten“ des Verkehrs sieht Tajani beim Straßentransport. Deshalb werde das Juli-Paket auch einen „Rechtsvorschlag zur Überarbeitung der geltenden Maut-Richtlinie - der so genannten Eurovignetten-Richtlinie - über die Erhebung von Entgelten für Lastkraftwagen“ enthalten. Die neue Direktive wird es Tajani zufolge ermöglichen, „die Zahlungen in Abhängigkeit von Straßenüberlastung, Luftverschmutzung und Lärmemissionen transparent zu berechnen und anzupassen“. Sie werde „die Begleichung der Gebühren mit Hilfe elektronischer Systeme fördern, um den Verkehrsfluss zu gewährleisten“. Der Italiener ist überzeugt, dass „differenzierte Autobahngebühren unmittelbare Auswirkungen auf den Kraftstoffverbrauch und dadurch auch auf die CO2-Emissionen haben“. Die Einnahmen aus der LKW-Maut müssen seiner Ansicht nach zweckgebunden für Transportprojekte, Verkehrsinfrastrukturen und Verkehrssicherheit verwendet werden, auch wenn mancher Finanzminister darüber traurig sei. Die österreichische Grünen-Abgeordnete Evelin Lichtenberger verlangte die Einbeziehung von Klima- und Unfallfolgekosten in die künftige LKW-Maut. Sie zeigte sich „erstaunt“, dass dem Kraftverkehr zwar Kosten für von ihm verursachte CO2-Emissionen, Luftverunreinigungen, Staus, Lärmbelästigungen und Umweltschäden angelastet werden sollen, nicht aber für Unfallfolgen, die nicht von Versicherungen gedeckt seien. Auf ihre Frage, ob die Gesellschaft weiterhin die außerhalb der persönlichen Unfallschäden liegenden Folgekosten für Maßnahmen wie Verkehrsregelungen oder Umleitungen bezahlen soll, wusste Tajani keine plausible Antwort. Er erklärte, die Revision der Mautrichtlinie 2006/38 sei „keine Bestrafung“ für den Güterkraftverkehr. Vielmehr sollten die Straßentransporteure durch die neuen, ökologisch orientierten Gesetzesregeln „alternative Wege suchen, um weniger Lastwagen in die Städte zu bringen“, sagte der designierte Kommissar. Er könne sich vorstellen, dass ein EU-Basismautbetrag von acht Cent pro Kilometer festgelegt werde, dem die Mitgliedsländer nach bestimmten Fahrstrecken-Kriterien wie Bevölkerungsdichte oder sensible Bergregionen nach eigener Entscheidung weitere Kosten zuschlagen könnten. Zugleich sei er für die Festlegung einer Gebührenobergrenze, um Fairness im Wettbewerb zu wahren. Grundsätzlich gelte weiterhin, dass die Einführung eines nationalen Mautsystems eine Kann-Bestimmung und kein Zwang sei.

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