Berlin. Die Auseinandersetzung über den Börsengang der Deutschen Bahn und Versuche der Einflussnahme auf die politische Entscheidung nehmen an Schärfe zu. Verkehrspolitiker von Union und SPD wiesen am Freitag Schulden-„Drohungen“ aus dem Bahn-Vorstand für den Fall einer Herauslösung des Schienennetzes aus dem Konzern zurück. Zugleich kam es zum Konflikt zwischen den Bahn- Gewerkschaften. So wandten sich die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) gegen Behauptungen von Transnet-Chef Norbert Hansen, bei der Abtrennung des Netzes vom Fahrbetrieb seien bis zu 80.000 Bahn-Stellen gefährdet. „Hier werden bewusst Ängste geschürt“, sagte GDL-Chef Manfred Schell in der Tageszeitung „Die Welt“ (Freitag). Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) bekräftigte unterdessen seinen Vorstoß für einen möglichen (integrierten) Börsengang mit Netz unter bestimmten Bedingungen. Dies wird von den Verkehrspolitikern des Bundestages dem Vernehmen nach kritisch beäugt. Angesichts sich liberalisierender Schienenmärkte in Europa müsse die Politik entscheiden, ob ausländische Unternehmen auf deutschen Schienen fahren sollten oder ob ein starker Bahnkonzern international Marktanteile erobern könne, zitiert die „Leipziger Volkszeitung“ (Freitag) den Minister von einer Veranstaltung des Verbandes Allianz pro Schiene. „Sollten Bundestag und Bundesregierung einen Börsengang mit Netz beschließen, ginge dies nur unter sehr strengen Voraussetzungen, zu denen etwa eine Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung, eine starke Bundesnetzagentur sowie ein umfassender Netzzustandsbericht gehört.“ „Wir gehen weiterhin davon aus, dass es keine Vorentscheidung der Bundesregierung geben wird“, sagte der verkehrspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Dirk Fischer, der dpa. Dies habe kürzlich auch Regierungssprecher Ulrich Wilhelm betont. „Und diese Aussage aus dem Kanzleramt ist besonders wertvoll.“ Die Bundesregierung bereitet die für September geplante Entscheidung über Art und Umfang des Börsengangs gemeinsam mit den Parlamentariern vor, die mit dem Bundesrat das letzte Sagen über das Projekt haben. Fischer und der verkehrspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Uwe Beckmeyer wandten sich gegen den Hinweis von DB-Vorstand Otto Wiesheu, wonach im Falle einer Privatisierung des Unternehmens ohne das Schienennetz 15 Milliarden Euro Schulden auf den Bund übergehen. „Ein solches Bedrohungsszenario für den Bundeshaushalt existiert nicht“, sagte Beckmeyer im dpa-Gespräch. Diese Schulden habe der Bund, dem die Bahn zu 100 Prozent gehöre, heute schon. „Das schreckt niemanden hier.“ Wiesheu hatte die Schuldenlasten für den Bund in der „Wirtschaftwoche“ als Argument für eine Privatisierung der DB mit Netz verwendet. Gehe die Bahn mit dem Schienennetz an die Börse, bleibe diese Verschuldung bei der Bahn, so Wiesheu. „Der Bund wäre im Fall der Trennung finanziell noch erheblich stärker gefordert als im integrierten Konzern, wo die DB AG einen Teil der Lasten trägt.“ Hinter dieser Argumentation steht laut Beckmeyer die Vorstellung, dass bei einer getrennten Privatisierungs-Lösung das Netz wieder auf die „alte Behördenbahn” übergehen würde. „Das ist falsch. Es würde in diesem Falle zu einer bundeseigenen Netz-Aktiengesellschaft kommen, die wie bisher die Bahn auch die Schulden trägt.“ Diese würden durch Einnahmen der AG bedient: aus den Erträgen durch Trassenvergabe an die verschiedenen Bahngesellschaften. Auch Fischer wies „eine solche Drohung der Bahn“ zurück. „Davon lassen wir uns bei den parlamentarischen Beratungen keineswegs beeinflussen. Und der Bund entscheidet, was mit der Bahn passiert und nicht etwa umgekehrt.“ Am Vortag hatte bereits FDP-Verkehrsexperte Horst Friedrich die Argumentation von Wiesheu als „Nebelkerze“ kritisiert. Wiesheu solle sich lieber mit dem Bundesrechnungshof- Vorwurf auseinandersetzen, die Bahn habe gesetzeswidrig Immobilien der Konzernholding zugeordnet. (dpa)
Koalition und Gewerkschafter weisen „Stimmungsmache“ der Bahn zurück
Auseinandersetzung über Börsengang der Deutschen Bahn und Versuche der Einflussnahme auf die politisch Entscheidung nehmen an Schärfe zu.