Klimaschutz-Sofortprogramm: Abgewatscht

Wenn die eigene Arbeit mit dem Satz "schon im Ansatz ohne hinreichenden Anspruch" bewertet wird, heißt das übersetzt so viel wie: "Setzen, sechs." Genau dieses Urteil fällte der Expertenrat für Klimafragen (ERK) über das Klimaschutz-Sofortprogramm von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP). Aber zurück zum Anfang: Am 13. Juli hatte Wissing Maßnahmen präsentiert, mittels der er die Lücke zu den gesetzlich bereits von der vorherigen Bundesregierung festgelegten Klimazielen im Verkehrsressort schnellstmöglich schließen will. Dieses sogenannte Sofortprogramm musste der FDP-Politiker vorlegen, weil der Verkehrssektor im vergangenen Jahr die im Klimaschutzgesetz festgelegte CO2-Jahresemissionsmenge um etwa drei Millionen Tonnen CO2 überschritten hat. Mit dem Maßnahmenpaket werde die Differenz vollständig ausgeglichen, versprach Wissing. Das vorgelegte Programm des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDV) umfasst sechs Sofortmaßnahmen. Neben Ausbauinitiativen für die Radverkehrsinfrastruktur und den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) enthält es auch Maßnahmen, die den Straßengüterverkehr betreffen. So wird etwa der Auf- und Ausbau der Tank- und Ladeinfrastruktur für Nutzfahrzeuge als eine Maßnahme genannt. Auch die Förderung umweltfreundlicher Lkw-Trailer will das BMDV gemäß dem Sofortprogramm verbessern. Zu diesem Zweck soll das Förderprogramm "Flottenerneuerungsprogramm für schwere Nutzfahrzeuge" künftig als Komponentenförderung ausgestaltet sein. Damit soll insbesondere die Anschaffung von CO2-senkender Zusatzausstattung bei neuen Anhängern und Aufliegern bezuschusst werden. Das hört sich zwar erst mal gut an; so wirklich etwas Neues enthält das Programm aber insgesamt nicht. Und: Es erfüllt auch die Vorgaben des Klimaschutzgesetzes nicht. "Minimallösung" und "Stillstand" "Das Sofortprogramm für den Verkehrssektor spart nach Angaben des Verkehrsministeriums nur 14 Megatonnen an Treibhausgas-Emissionen ein, sodass sich rechnerisch immer noch eine Erfüllungslücke von 261 Megatonnen bis 2030 ergibt", sagte die stellvertretende Vorsitzende des ERK, Brigitte Knopf. Der ERK ist ein unabhängiges Gremium von fünf Sachverständigen verschiedener Disziplinen. Ihre Aufgabe war es, zu prüfen, ob die Sofortprogramme der Sektoren Verkehr und Gebäude - auch hier wurde zu viel CO2 ausgestoßen - ausreichen, um genug Emissionen einzusparen. Das Urteil über die geplanten Maßnahmen des Verkehrs fiel vernichtend aus. Die gestellten Anforderungen seien nicht erfüllt worden; zu einer tiefergehenden Prüfung, ob die vorgeschlagenen Maßnahmen sich eignen und ob sie realistisch sind, sei es daher gar nicht erst gekommen. Die Deutsche Umwelthilfe hat die Beurteilung des ERK als Steilvorlage aufgefasst und am 5. September eine Klage gegen die Bundesregierung eingereicht. Das Klimaschutz-Sofortprogramm sei rechtswidrig, findet der Verband. Auch das Netzwerk Europäischer Eisenbahnen (NEE) übt scharfe Kritik. Einziger positiver Punkt sei die Andeutung, dass künftig auch die nachträgliche Kranbarmachung von Lkw-Sattelaufliegern gefördert werden soll. "Der rasende Stillstand in der deutschen Verkehrspolitik ist atemberaubend", lautet das Fazit von Agora Verkehrswende. Das vorgelegte Sofortprogramm bezeichnet der Thinktank als "Minimallösung". Hoffnung ruht auf Gesamtprogramm Das verantwortliche Ministerium zeigt sich auf Nachfrage der VerkehrsRundschau wenig selbstkritisch: "Das BMDV hat im Juli 2022 ein den Anforderungen des Bundes-Klimaschutzgesetzes entsprechendes Sofortprogramm vorgelegt." Mit diesem könne die festgestellte Zielverfehlung des vergangenen Jahres in den nächsten Jahren ausgeglichen werden. Wenn es um die Erreichung langfristiger Klimaschutz-Ziele bis 2030 geht, verweist das BMDV auf das sektorübergreifende Klimaschutzprogramm der Bundesregierung, das sich derzeit in der Abstimmung befinde. Ursprünglich sollte es bereits bis zum Sommer beschlossen werden. Einen ungefähren Termin, wann es nun kommen soll, nannte das BMDV nicht. Mehr zum Thema finden Sie unter #Verkehrspolitik www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Das Klimaschutz-Sofortprogramm des Bundesverkehrsministeriums soll dafür sorgen, die Lücke zu den gesetzlichen Klimazielen für den Verkehr zu schließen. Doch bei dem für die Prüfung zuständigen Expertenrat ist es glatt durchgefallen. Und auch sonst fällt die Kritik ziemlich deutlich aus.

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