„Ich will für Logistik begeistern“

Interview„Ich will für Logistik begeistern“Seit zwei Jahren ist Andreas Scheuer Koordinator für Güterverkehr und Logistik der Bundesregierung. In dieser Funktion ist er Ansprechpartner für die gesamte Logistikbranche. Im Interview spricht der CSU-Politiker über seine Aufgaben und Pläne für die Zukunft.Bedauern Sie, derzeit nicht in der FDP zu sein? Dort wären Sie eventuell schon auf dem Weg Richtung Parteivorsitz.Andreas Scheuer: Ich bin sehr zufrieden mit meiner jetzigen Funktion. Die CSU ist breit aufgestellt, hat gute Leute in ihren Reihen und wir schauen nicht auf das Alter, sondern auf Fähigkeiten und Einsatzbereitschaft. Deshalb bin ich stolz, hier zum Staatssekretär und Logistikkoordinator berufen worden zu sein.Sie sind seit gut zwei Jahren Logistikkoordinator der Bundesregierung. Damit sind Sie das politische Gesicht der Logistik. Was ist Ihr persönlicher Zugang zum Thema Logistik?Durch mein verkehrspolitisches Engagement der letzten Jahre habe ich profunde Einblicke in das Logistikgewerbe bekommen. Es ist mir ein Anliegen, der Branche – die leider oftmals unterschätzt wird – eine politische Plattform zu geben. Selbst in den Unternehmen wird der Logistiker oft als Letzter gefragt, dabei ist er die „Drehscheibe“ der Produktion und macht sie erst möglich. Deshalb sehe ich es als meine Aufgabe an, die Öffentlichkeit und insbesondere den Nachwuchs für das Thema Logistik zu begeistern. Wären Sie gerne über das Jahr 2013 hinaus im Amt?Ja.Wäre es für Sie auch eine Perspektive, den Ministerposten zu übernehmen?Ich arbeite mit Peter Ramsauer sehr eng und kollegial zusammen. Bei unseren Gesprächen steht die Arbeit im Vordergrund und nicht künftige Ämter. Die Spitze des Bundesverkehrsministeriums, also der Bundesminister und seine fünf Staatssekretäre, wollen bis zur Bundestagswahl 2013 einen guten Job machen. Wenn uns das auch in rund eineinhalb Jahren sowohl die Mitarbeiter des Hauses als auch die Branchenvertreter bestätigen, dann sind wir zufrieden, hoffen auf ein gutes Wahlergebnis und eine Vertragsverlängerung.Was macht Ihnen an der Arbeit im Verkehrsministerium Freude?10,2 Milliarden Euro, die wir 2012 in Deutschland investieren können, sind ein Pfund. Die Möglichkeit mit diesem Geld Deutschland gestalten zu können, macht Spaß. Die CSU ist als Partei traditionell immer sehr auf Bayern bezogen. Warum sind Sie in die Bundespolitik gegangen und nicht in Bayern geblieben?Schon in der Jungen Union war ich über den Deutschlandrat bundesweit vernetzt. Die Bandbreite der Themen ist in Berlin aus meiner Sicht vielfältiger als auf Landesebene. Ich fühle mich sehr wohl auf der Bundesebene. Mitte dieses Jahres möchte ich von meiner Partei wieder als Direktkandidat in Passau aufgestellt werden und möchte selbstverständlich von meinen Mitbürgern erneut in den Bundestag gewählt werden. Das ist mein Ziel. Während eine Reihe von Ministern der schwarz-gelben Koalition schlecht bewertet wird, steht Ihr Chef vergleichsweise gut da. Ist es eine Stärke Ramsauers, dass sein Team kollegial zusammenarbeitet?Wir haben im Ministerium Topmitarbeiter und in der Führung verstehen wir uns gut. Die Arbeit macht uns einfach Spaß. Das merkt man sicher. Wir konnten einen großen Teil der Aufgaben aus dem Koalitionsvertrag abarbeiten und vor allem auch mehr Geld für Verkehrsinvestitionen im Bundestag durchbringen. Eine Stärke Ramsauers ist sicher seine langjährige Erfahrung als Parlamentarier. Er kennt die Eigenheiten des politischen Betriebs in Berlin sehr gut und nimmt Rücksicht auf die Befindlichkeiten seiner parlamentarischen Staatssekretäre. Auch ich muss mich in meinem Wahlkreis den Wählern stellen. Dieses Wissen fehlte einigen seiner Vorgänger. Zudem steht das Verkehrsministerium seit Ramsauer für kooperative Dialogbereitschaft mit Wirtschaft und Verbänden. Die Türen sind für alle offen.Warum braucht Deutschland einen Koordinator für Güterverkehr und Logistik?Dieser Wirtschaftsbereich ist einer der wichtigsten für Deutschland. Hier sind wir Weltmeister. Daher hat sich die Bundesregierung zu diesem Schritt entschlossen. Die Logistikbranche ist der drittgrößte Sektor, mit weltumspannender Bedeutung für den Standort. Außerdem sollte die gesamte Transportbranche einen Ansprechpartner in der Bundespolitik bekommen.Warum ist die Aufgabe im Bundesverkehrsministerium gelandet?Es ist eine klassische Querschnittsaufgabe, ich habe deshalb engen Kontakt zu anderen Ressorts – etwa dem Umweltministerium, dem Wirtschaftsministerium oder dem Arbeitsministerium. Doch ein Großteil der Aufgaben stammt originär aus dem Verkehrsressort. Was sehen Sie selbst als Hauptaufgabe?Ich schaffe eine politische Plattform, damit die Unternehmen und Branchenverbände mit ihren Anliegen einen festen Ansprechpartner in der Bundesregierung haben. Außerdem wirke ich intern, indem ich ressortübergreifend einen Blick auf Gesetze und Verordnungen werfe, die den Logistiksektor betreffen. Zu Letzteren gehört etwa die Harmonisierung der Umweltzonen, da vertrete ich unter anderem die Interessen des Güterverkehrs.Eine Ihrer Aufgaben ist auch die Vermarktung des Logistikstandortes Deutschland im Ausland. Wie zufrieden sind Sie mit der Initiative?Das klappt hervorragend. Die Zusammenarbeit mit unserem Förderverein und den daran beteiligten Unternehmen läuft gut. Mit jedem Auftritt sammeln wir neue Ideen für die Zukunft. Die Basis ist gelegt, dass wir im Ausland noch zielgenauer auftreten. Wenn sich das alles eingespielt hat, möchte ich die Vermarktungsinitiative zusätzlich im Inland nutzen. Neben dem Image der Branche geht es mir besonders um den Nachwuchs. Alle kämpfen um künftige Fachkräfte und da darf der Logistiksektor nicht zu kurz kommen. Trotzdem bleibt die Unterstützung im Förderverein hinter den Erwartungen zurück, sowohl was die Anzahl der engagierten Unternehmen als auch was die Höhe der Beiträge angeht.Wir nutzen unsere Auftritte im Ausland und auch die Netzwerkkonferenzen, um gezielt Unternehmen anzusprechen. Da kommen wir voran. Tatsächlich sind die 600.000 Euro aus der Wirtschaft bei Weitem noch nicht erreicht, während die Politik zu ihrem Beitrag steht. Für Ihre Aufgabe müssen Sie auch die Nähe der Branche suchen: Wie viel Nähe ist nötig und ab wann wird Nähe gefährlich?Ich bin kein Politiker, der sich im Büro verschanzt und den Kontakt zur Praxis meidet. Ich spreche gern auch mit Verbands- und Unternehmensvertretern und jeden Tag sitzen Lobbyisten bei mir am Tisch, um mir ihre Anliegen vorzutragen. Ich höre mir Kritik, Sorgen oder auch Bitten an und lerne aus diesen Kontakten jeden Tag dazu. Allerdings gehe ich nicht nur zu den Schönwetter-Veranstaltungen, sondern ich stelle mich zum Beispiel beim Fernfahrer-Stammtisch in der Autobahnraststätte den Anliegen der Praktiker. Ich definiere meine Aufgabe so, dass ich ganz nah sowohl an Arbeitgebern als auch Arbeitnehmern dran bin.Haben Sie aus solchen Kontakten schon Aufgaben mitgenommen?Mehrmals, ein Beispiel hierfür ist die Rampenproblematik. Ich habe das Thema im Aktionsplan Güterverkehr und Logistik vorangetrieben, nachdem ich von vielen Seiten auf das Problem an den Rampen angesprochen wurde. Auch die Arbeitsbedingungen der Fahrer sind mir ein Anliegen. Dieses Beispiel ist eines von vielen, welches zeigt, dass ich nicht Arbeitgeberverbandssprecher bin, sondern für alle Sorgen ein offenes Ohr habe. ➞Welches Projekt aus dem Aktionsplan Güterverkehr und Logistik bereitet Ihnen am meisten Spaß?Das hat nicht immer etwas mit Spaß zu tun, sondern manche Themen sind einfach notwendig. Der Ausbau der LKW-Stellplätze an den deutschen Autobahnen ist sehr wichtig. Die LKW-Fahrer brauchen Platz, um sich auszuruhen und ihre vorgeschrieben Lenk- und Ruhezeiten überhaupt einzuhalten. Da müssen wir manchmal auch gegen lokale Bürgerinitiativen kämpfen, die diesen Ausbau nicht wollen. Spaß machen mir Netzwerktermine wie die Nationale Logistikkonferenz, die Vermarktung des Standorts im Ausland oder das Fördern des Logistiknachwuchses.Die zweite Nationale Konferenz Güterverkehr und Logistik findet dieses Jahr in Hamburg statt. Was wollen Sie bei der Neuauflage verbessern?Ich hatte letztes Jahr viele positive Rückmeldungen. Vor allem die Möglichkeit zum direkten Austausch mit Vertretern unseres Ministeriums wurde gelobt. Dieses Jahr bauen wir das Programm aus und stärken den politischen Part, indem wir die verkehrspolitischen Sprecher der Bundestagsfraktionen einbinden. Ein umstrittenes Thema aus dem Aktionsplan ist der Lang-LKW. Nach langem Vorlauf rollen jetzt die ersten Fahrzeuge im Rahmen des Feldversuchs. Ist das ein persönlicher Erfolg?Der Lang-LKW war eine schwierige Geburt. Jetzt läuft der Feldversuch endlich, aber ich würde mir eine regere Teilnahme wünschen. Durch die lange Diskussion im Vorfeld sind die Unternehmen verunsichert und haben noch nicht in das Equipment investiert. Im April sind Gespräche mit den teilnehmenden Unternehmen und auch den Bundesländern geplant. So wollen wir Sorgen, Nöte und Probleme, aber auch Erfolge erfahren. Dann werden diese ersten Erfahrungen mit den Lang-LKW in den Feldversuch einfließen und das weitere Vorgehen abgesprochen.Ein Hindernis für die Teilnahme ist sicher, dass nur sieben Bundesländer am Feldversuch teilnehmen. Planen Sie auch noch Gespräche mit den Gegner-Ländern? Wir reden jetzt erst einmal mit den Teilnehmern, den Branchenverbänden, den Teilnehmer-Ländern und auch mit den kommunalen Verbänden. Doch wir laden weiterhin jeden herzlich ein, am Feldversuch teilzunehmen. Gespräche mit bisherigen Gegnern schließe ich also keinesfalls aus. Spannend wird hier gegebenenfalls die Situation in den beiden Stadtstaaten Hamburg und Bremen. Ob sich durch die Blockade Bremens Nachteile für den Hafenstandort ergeben, wird sich zeigen und ich bin gespannt darauf.Ärgert es Sie, dass die Kritik am Lang-LKW von den Massenmedien teilweise unreflektiert aufgegriffen wird und von „Monster-Trucks“ die Rede ist?Knallige und Schock-Botschaften verkaufen sich leider immer gut. So wurden schon viele Innovationen tot geredet. Hier ist sehr viel Emotion und Unwissen im Spiel. Bei den Gesprächen zum Aktionsplan Güterverkehr und Logistik haben verkehrsträgerübergreifend 99 Prozent aller Beteiligten konstruktiv, zum Teil auch kritisch mitgewirkt. Einzige Ausnahme war die Allianz pro Schiene, wo aus ideologischen Motiven nur gegen den Feldversuch gearbeitet wird. Es benötigt viel Mut und Ausdauer, Themen wie den Lang-LKW umzusetzen. Wir brauchen deshalb nicht nur Wutverbände, sondern auch Mutverbände! Ein Thema, bei welchem die Politik ebenfalls Mut zeigen müsste, sind die Nachtflugverbote. Was ist aus dem nationalen Flughafenkonzept geworden?Der Bund möchte das Thema gerne vorantreiben, doch die Flughäfen sind in Länderverantwortung. Die Nachtflüge sind für die Wirtschaft von enormer Bedeutung. Die deutschen Unternehmen brauchen Flughäfen, die ihre Waren in die Welt hinaus fliegen. Deshalb haben wir ein hohes Interesse daran, diese Drehscheiben weiter zu stärken. Das Beispiel Nachtflüge zeigt doch das Dilemma: Die Anwohner wollen für ihre Flughäfen nachts Ruhe und verweisen auf die Möglichkeiten in anderen Ländern. Wenn alle so argumentieren und die Verantwortung abschieben, fliegt nachts gar kein Flugzeug mehr.Diesen Trend sehe ich bei allen Verkehrsträgern. Heute ist es genauso schwierig, eine neue Schienentrasse zu bauen wie einen Autobahnabschnitt, eine Landebahn oder eine Wasserstraße. Die Menschen haben vergessen, dass ihr Wohlstand zum großen Teil auch von gut funktionierenden Verkehrswegen abhängt. Deshalb hat die Bundesregierung erst Ende Februar ein Gesetz für mehr Bürgerbeteiligung auf den Weg gebracht. Den Dialog mit den betroffenen Bürgern können wir sicher verbessern. Doch ich warne vor endlosen Diskussionen. Deutschland muss wieder fähig werden, Infrastrukturprojekte umzusetzen.Wie viel Güterverkehr braucht der Standort Deutschland?Die deutsche Wirtschaft kann nur erfolgreich sein, wenn wir mobil bleiben. Wir Politiker müssen deshalb dafür Sorge tragen, dass Güterverkehr möglich bleibt. Für Schiene und Straße investieren wir prioritär in Erhalt und Engpassbeseitigung. Es geht darum, das vorhandene, gut ausgebaute Netz in Schuss zu halten, damit der Güterverkehr ungestört fließen kann. Natürlich hat in den letzten Jahren der Straßengüterverkehr gerade auf den Ost-West-Relationen zugenommen. Hier müssen wir sicher noch regelnd eingreifen. Auch die Schnittstellen zwischen den Verkehrsträgern wollen wir verbessern, um die Straßen zu entlasten.Grüne und SPD haben jeweils eigene Infrastrukturkonzepte vorgelegt. Auch diese Parteien richten den Fokus auf Erhalt und Engpassbeseitigung. Wo liegen die Unterschiede?Tatsächlich verliert die Verkehrspolitik immer mehr an ideologischer Prägung. In den grundsätzlichen Linien gibt es zwar noch Unterschiede, doch im Einzelfall kommen die Fachpolitiker doch zu einem ähnlichen Ergebnis. Wegen der Schuldenbremse konzentrieren wir uns zwangsläufig auf die Kernnetze und schauen bei jedem Projekt noch genauer hin. Trotz zusätzlichem Geld im Verkehrsetat müssen wir stark gewichten. Auch die Unionsfraktionen arbeiten an einem Infrastrukturkonzept. Im Gegensatz zu den Kollegen anderer Parteien wollen wir weiterhin die Bürger von Verkehr und Abgasen entlasten, indem wir auch als Bund Ortsumfahrungen finanzieren.Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer hat zu Beginn seiner Amtszeit verkündet, er wolle die Zuwächse im Güterverkehr möglichst vollständig auf die Schiene bringen. Wie wollen Sie das erreichen?Das hat Peter Ramsauer im übertragenen Sinne gemeint. Wir wollen so viele Güter auf die Schiene bringen wie nur möglich. Angesichts der prognostizierten Zuwächse brauchen wir künftig alle Verkehrsträger, jeder soll seine Stärken an seinem Platz beweisen. Wichtig ist, dass wir schon am Beginn des Prozesses verkehrsträgerübergreifend planen. ❙❚■ Sebastian BolligVerkehrsRundschau-Redakteur Sebastian Bollig im Gespräch mit Andreas ScheuerInterviewVitaAndreas Scheuergeboren am 26. September 1974 in Passau, ist seit Januar 2010 Koordinator der Bundesregierung für Güterverkehr und Logistik. Scheuer studierte zunächst in Passau für das Lehramt für Realschulen, nach dem ersten Staatsexamen wechselte er 1998 ins Magisterstudium der Politikwissenschaft sowie Soziologie und Wirtschaft. Anschließend promovierte er an der Karlsuniversität in Prag. Der CSU-Politiker sitzt seit 2002 im Bundestag, seit 2005 als direkt gewählter Abgeordneter des Wahlkreises Passau. Scheuer war zwischen 2005 und 2009 Mitglied im Verkehrsausschuss des Bundestags. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer holte ihn 2009 als parlamentarischen Staatssekretär in sein Ministerium. Darüber hinaus ist Scheuer derzeit Vorsitzender der CSU-Verkehrskommission. sbAndreas Scheuer ist seit zwei Jahren Koordinator der Bundesregierung für Güterverkehr und LogistikInterviewStandpunkteHerr Scheuer, sind Sie für oder gegen ... mehr Bürgerbeteiligung bei Infrastrukturprojekten?  PKW-Maut?  Ausweitung der Maut auf LKW unter 12 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht?  Mautspreizung zugunsten Euro-6-LKW vor Ende 2013?  EU-Emissionshandel für den Flugverkehr?  mehr Güterverkehr auf die Schiene? Interview

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