Factoring: Immer flüssig

Die Zahlungsmoral von Kunden soll besser geworden sein? Von wegen. "Das europäische Ausland ist, was die Zahlungsmoral betrifft, ein schwieriges Geschäftsfeld - milde formuliert. Vor allem die südlichen Länder Europas", sagt Günter W. Nebes, Geschäftsführer der Nebes-Leasingagentur in Gilching bei München. "Da gibt es Unternehmen, die bezahlen ihren Transportfirmen erst nach 120 Tagen oder gar noch später ihre Rechnungen", weiß er. "Und je größer die Auftraggeber sind, desto schlechter ist in der Regel ihre Zahlungsmoral." Nebes weiß, wovon er spricht. Er hat sich unter anderem auf Factoring für Transport- und Speditionsunternehmen spezialisiert und arbeitet dafür eng mit einer Landesbank zusammen. Solche langen Zahlungsziele seien aber, warnt er, vor allem für Kleinbetriebe im Transportgewerbe ruinös. "Bei einem Schwer-Lkw fallen monatlich Kosten von 10.000 Euro an, die ein Transportunternehmer vorfinanzieren muss." Je weiter ein Kunde die Bezahlung seiner Rechnung also nach hinten verschiebt, desto enger wird es für kleinere Transportfirmen. Denn auf der hohen Kante haben sie meist nichts und von ihrer Hausbank erhalten sie fallweise keinen Überbrückungskredit mehr - und wenn, nur zu überteuerten Konditionen. Nebes: bis zu Überweisung am selben Tag Abhilfe kann hier Factoring leisten. Noch immer nutzen laut Nebes allerdings nur wenige Transport- und Speditionsbetriebe dieses Instrument, weil sie nicht wissen, wie es funktioniert, aber auch weil sie Sorge haben, dass sie dadurch Kunden vergraulen. "Wenn aber ein Transporteur seine Services zuverlässig erbracht hat, hat er ein Anrecht auf die pünktliche Bezahlung seiner Rechnung", betont Nebes. Und wenn er im Tagesgeschäft keine Zeit habe, sich um die Rechnungstellung, Einhaltung der Zahlungsfristen und das Mahnwesen ordnungsgemäß zu kümmern, biete sich für ihn "Full-Service-Factoring" an. Ein Transport- oder Speditionsbetrieb braucht dann nicht einmal eine eigene Debitorenbuchhaltung. Denn auch darum kümmert sich die Factoring-Firma. Er muss nur entscheiden, ob er offenes oder aber stilles Factoring bevorzugt - im ersteren Fall wird dies seinen Kunden offen kommuniziert, im letzteren nicht. Wie Full-Service-Factoring funktioniert, erklärt Nebes so: Ein Transportunternehmer verkauft dafür seine Forderungen zum Beispiel an das Factoring-Institut (Factor). Dabei ist es egal, wo seine Kunden sitzen - ob im In- oder Ausland. "Wenn er uns seine Rechnungen an einem Arbeitstag morgens bis zehn Uhr mailt, überweisen wir ihm am selben Tag, spätestens aber am nächsten Werktag 80 Prozent - zuweilen auch 100 Prozent - der ausstehenden Bruttosumme. Und den Rest dann, wenn sein Kunde (= Schuldner/Debitor) uns bezahlt hat", erläutert Nebes. Letztlich erhalte ein Unternehmer also 96Prozent seiner ausstehenden Nettosumme am selben Tag oder spätestens am nächsten Werktag auf sein Konto überwiesen. "Vor allem erhält er das Geld auch, wenn der Kunde Insolvenz anmeldet." Denn über die Factoring-Gebühr sei der Transportbetrieb auch gegen Ausfall versichert. Im Gegenzug bezahlt der Transportunternehmer bei einem Rechnungsumsatz von unter einer Million Euro im Jahr an Nebes zum Beispiel rund zwei bis drei Prozent Factoring-Gebühr, in der die Versicherungs- und die Bearbeitungsgebühr enthalten sind. Die letztliche Höhe dieser Factoring-Gebühr variiert aber und hängt laut Nebes von vielen Faktoren ab, etwa von der Kundenbonität des jeweiligen Transportbetriebs, der Höhe der einzutreibenden Rechnungssumme und dem Zeitaufwand, den Nebes damit hat. Dazu kommen für die Bonitätsbewertung pro Kunde jährlich rund 15 bis 25 Euro Kosten, die man vor Annahme jedes Auftrags von den klassischen Auskunfteien durchführen lässt. Coface: versichert gegen Zahlungsausfälle "Die Zahlungsmoral verschlechtert sich gerade wieder. Die Zahl der offenen Rechnungen steigt - vor allem wenn die Kunden außerhalb Deutschlands sitzen", beobachtet auch Christian Stoffel, Chief Commercial Officer des Kreditversicherers Coface in Mainz. Auch er rät deshalb: Schon vor der Auftragsannahme sollte sich ein Transportdienstleister über die Zahlungsfähigkeit seiner Kunden informieren, idealerweise mittels professioneller Bonitätsauskunft, eine Basisinfo gebe es für unter 20 Euro. Auch der Abschluss einer Warenkreditoder aber Forderungsausfallversicherung schütze Betriebe vor finanziellen Verlusten - egal ob sich die Abnehmer im Inland oder im Ausland befinden. Und wer stets flüssig bleiben wolle, könne seine offenen Forderungen an einen Factoring-Anbieter verkaufen oder im Falle eines Zahlungsverzugs einen Inkassoanbieter engagieren, der überfällige Forderungen gegen eine Gebühr bei säumigen Zahlern eintreibt. "Alles das sind Services", wirbt Stoffel, "die wir als Coface Firmen anbieten - allerdings ausschließlich im B2B-Geschäft, nicht im B2C." Besonders beliebt sei im Transport- und Speditionsgewerbe einerseits das Full-Service-Factoring und andererseits das Inhouse-Factoring, weiß der Coface-Mann. Unterschied hier ist: Beim Full-Service-Factoring übernimmt die Factoring-Gesellschaft auch das kaufmännische Mahnwesen inklusive Inkasso und gerichtlicher Beitreibung, während beim Inhouse-Factoring das kaufmännische Mahnwesen in den Händen des Factoring-Kunden verbleibt. Die Höhe der Factoring-Gebühr bewegt sich dabei, abhängig von einigen Faktoren, zwischen 0,2 und 1,2 Prozent der Forderungssumme. Dazu kommt ein Vorfinanzierungs-Zinssatz zwischen 1,5 und 3,5 Prozent, dessen konkrete Höhe von der Bonität des Forderungsverkäufers abhängt. "Zugegeben, das ist verglichen mit dem reinen Kontokorrentkredit nicht ganz billig", räumt Stoffel ein. Factoring leiste aber mehr als der klassische Überziehungskredit der Hausbank, neben der direkten Liquidität etwa die Übernahme des Ausfallrisikos und die Übernahme von Inkassokosten. Zudem würden Forderungen durch den Verkauf aus der Bilanz genommen. Nur eines macht Coface derzeit nicht: "In der Ukraine übernehmen wir wegen des geltenden Kriegsrechts keine Ausfallrisiken. Auch in Russland zeichnen wir derzeit kein Neugeschäft." Mennewisch & Co.: alle Factoring-Varianten "Wir helfen Unternehmen bei Wachstum und Liquidität" - damit wirbt auch das Unternehmen Mennewisch & Co. in Hamburg, das sich auf Factoring und Supply Chain Finance spezialisiert hat. "Egal ob offenes, stilles, Fullservice-, Inhouse-, echtes oder unechtes Factoring - wir bieten grundsätzlich alle Varianten und Verfahrensarten an", erläutert der geschäftsführende Gesellschafter Dirk Mennewisch. Kleineren und mittleren Transportbetrieben würde er auf jeden Fall zu Full-Service-Factoring raten. Sprich: Gegen Bezahlung einer gewissen Factoring-Gebühr, die von vielen Faktoren abhängt - zum einen von der Bonität des Transporteurs, zum andern von der seines Auftraggebers -, übernimmt Mennewisch dessen Forderungsausfall-Risiko sowie sein Mahnwesen und überweist ihm binnen 48 Stunden die ausstehende Forderung. Alternativ könne ein Transportbetrieb, der einen Transport erbracht und die Rechnung an den Kunden erstellt hat, in einem Online-Portal von Mennewisch seine Rechnung hochladen, und das Unternehmen überweist ihm binnen 48 Stunden die ausstehende Forderung. Standardmäßig bietet das Unternehmen jedem Factoring-Kunden zudem eine Forderungsausfall-Versicherung für den Fall, dass ein Auftraggeber zahlungsunfähig wird. Zur Höhe der Gebühren für eine solche Full-Service-Factoring-Lösung befragt, gibt sich Mennewisch bedeckt. Grund sei, dass diese von sehr vielen Faktoren abhängen, etwa von der Höhe der einzutreibenden Rechnungssumme, der Anzahl und Bonität der Kunden, deren Forderung eingetrieben werden muss, aber auch von der Bonität des jeweiligen Transportbetriebs. Um diese Werte zu ermitteln, prüfe Mennewisch zum Beispiel die Jahresabschlüsse, betriebswirtschaftliche Kennzahlen im Zeitverlauf sowie in größeren Unternehmen vor Ort auch bestimmte Prozesse. "Und natürlich prüfen wir, um unser eigenes Risiko zu minimieren, ob der Transportdienstleister den Transport zuverlässig und schadenfrei erbracht hat", erläutert er. Denn ansonsten bezahle ja ein Auftraggeber zu Recht seine Rechnung nicht. "Alles in allem aber sind wir beim Full-Service-Factoring von den Konditionen her absolut konkurrenzfähig zu einem Kontokorrentkredit. Und binnen 48 Stunden", wirbt er für seinen Service, "hat ein Transportbetrieb seinen fälligen Rechnungsbetrag auf dem Konto." Mehr zum Thema unter #Unternehmensfuehrung www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Die Zahlungsmoral verschlechtert sich wieder. Mit der Folge, dass vermehrt Transportbetriebe über zu hohe Außenstände klagen, vor allem wenn die Auftraggeber außerhalb Deutschlands sitzen. Höchste Zeit, sich mit Factoring als Alternative auseinanderzusetzen. "Wir prüfen regelmäßig die Bonität unserer Kunden" In das Klagelied etlicher Transport- und Speditionsbetriebe, dass die Zahlungsmoral von Kunden außerhalb Deutschlands schlechter wird, stimmt Harald Kostial nicht ein. Er ist Geschäftsführer der Kostial Spedition (zwölf Lkw) in Schwabach, die sich insbesondere auf Frankreich-Verkehre spezialisiert hat. Er stelle sogar fest, dass Verlader wegen des Laderaummangels im internationalen Güterverkehr pünktlicher bezahlen, vermutlich um Frachtführer enger an sich zu binden. Aus Erfahrung weiß Kostial aber, dass es auch schon andere Zeiten gab. Daher überprüft er regelmäßig, fallweise auch mit Wirtschaftsauskunfteien, die Bonität seiner Kunden und wie zuverlässig sie Rechnungen bezahlen."Fallen mir dann säumige Zahler auf, müsse man sich notfalls von einem Kunden trennen. Zum Glück waren das bei uns nur wenige Einzelfälle." eh "Wir sehen einen deutlichen Anstieg der Nichtzahlungsmeldungen" Wie steht es derzeit um die Zahlungsmoral von Firmen außerhalb Deutschlands?Wir sehen bei den Nichtzahlungsmeldungen für den Sektor Transport innerhalb Deutschland im ersten Halbjahr 2022 einen deutlichen Anstieg der Meldungen um über 45 Prozent im Vergleich zum gleichen Vorjahreszeitraum. Schaut man über Deutschland hinaus und bezieht Unternehmen weltweit ein, liegt der Anstieg sogar bei über 55 Prozent.Wie lange warten deutsche Speditions- und Transportbetriebe im Schnitt auf die Bezahlung ihrer Rechnung, und welche Länder fallen da besonders negativ auf?Diese aktuellen Zahlen erscheinen leider erst im November. 2021 gaben deutsche Transportunternehmen an, dass 54 Prozent des Gesamtwerts aller B2B-Rechnungen bei Fälligkeit noch offen waren. Wir haben zudem gesehen, dass sich die Wartezeit bis zum Zahlungseingang von überfälligen Rechnungen erhöht hat. Im Schnitt warteten die Unternehmen rund 105 Tage von der Rechnungstellung bis zum Eingang der ausstehenden Zahlung. Grund für die lange Wartezeit ist unter anderem die große Anzahl von B2B-Kunden mit anhaltenden Liquiditätsproblemen, die ihre Rechnungen nicht fristgerecht begleichen können. Im Vergleich dazu waren es in China 90 Tage, in Österreich 63 Tage, in der Schweiz 61 Tage, in Dänemark 50 Tage und in Bulgarien 48 Tage. Welche Folgen hat es gerade für kleinere Unternehmen, wenn ihre Kunden die Rechnungen nicht pünktlich bezahlen?Für kleinere Betriebe kann es besonders schwierig werden, mit schwindender Liquidität zu arbeiten oder gar zu überleben. Hohe Forderungen in den Büchern zu halten, ist, zusätzlich zu den Umsatzeinbußen durch Corona oder auch Lieferkettenprobleme, besorgniserregend. Denn offene Rechnungen können die Generierung von Cashflow erschweren und den Geschäftsbetrieb beeinträchtigen, aber auch die Investitionspläne für Entwicklung und Wachstum. Im Extremfall können Liquiditätsengpässe ein Unternehmen aus dem Markt drängen, vor allem bei knappen Gewinnspannen. Wir sahen schon in 2021, dass sich der Prozentsatz der Firmen, die eine Verlängerung von Überziehungskrediten beantragt haben, mehr als verdoppelt hat. Um ihre Liquidität zu sichern, nahmen viele Betriebe auch vermehrt neue Kredite auf. Das stützt zwar den Cashflow, erhöht aber auch die Kosten. Problem ist ja, dass sich viele Firmen im Verlauf der Corona-Krise stark verschuldet haben. Zudem werden Banken in der aktuellen Situation bei der Neukreditvergabe noch genauer auf die Bonität schauen. ehInterview mit Thomas Langen, Senior Regional Director Deutschland, Mittel- und Osteuropa von Atradius Krediversicherung in Köln

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