Europäischer Paketmarkt: Preisdruck überlagert Wachstum durch Internethandel

Dsseldorf. Nach mehreren Jahren starker Umsatzzuwächse für Kurier-, Express- und Paketdienste (KEP) ist in Europa in den kommenden Jahren mit rückläufigen Zahlen zu rechnen. So wird das durchschnittliche jährliche Umsatzwachstum der internationalen KEP-Märkte von heute 8,6 bis 2010 auf 6,6 Prozent zurückgehen. Dies geht aus einer aktuellen Studie der Top-Managementberatung A.T. Kearney hervor. Das durch den stetig steigenden Internethandel nahezu konstante Wachstum des Transportaufkommens wird vom hohen Preisdruck überlagert. Die Kosten für den Transport werden immer stärker durch den steigenden Ölpreis getrieben, und dies könnte zukünftig zu einer signifikanten Verschiebung innerhalb der Transportmittel führen. Obwohl die Kosten steigen, wird es für sehr zeitkritische Güter wie Expresspakete auch in Zukunft keine Alternativen zum Luftverkehr geben. „Im Jahr 2007 wurden in Europa (EU 16) insgesamt 4,8 Milliarden netzwerkfähige Paket- und Expresssendungen verschickt und damit ein Umsatz von 42,7 Milliarden Euro erzielt, was etwa fünf Prozent des gesamten europäischen Logistikmarktes entspricht, der als ein zentrales Wachstumssegment der Europäischen Wirtschaft gilt“, sagt Ferdinand Salehi, Partner und Leiter des Bereichs Travel & Transportation bei A.T. Kearney: „In den Jahren 2004 bis 2007 wurde in Summe ein durchschnittliches Umsatzwachstum von 5,7 Prozent erzielt. Dabei war das Umsatzwachstum der internationalen Märkte – begünstigt durch die Globalisierung – mit 8,6 Prozent im Durchschnitt fast doppelt so hoch wie das der nationalen Märkte.“ Expressdienstleistungen machen national zwar nur einen Anteil von etwa 30 Prozent des Marktes aus, sind aber im Durchschnitt deutlich stärker als die Standarddienstleistungen gewachsen (6,6 Prozent gegenüber 3,7 Prozent). International ist der Trend genau umgekehrt: Die bisher dominante Expresssparte (60 Prozent Marktanteil) ist mit 7,8 gegenüber 9,7 Prozent bei den Standarddienstleistungen eher auf dem Rückzug. Gründe dafür sind die deutlich steigende Qualität und Geschwindigkeit internationaler Standarddienstleistungen, die den internationalen Expressversand langfristig gesehen in vielen Branchen obsolet machen könnten. Auswirkungen des hohen Ölpreises auf die weltweite Transportindustrie Für sehr zeitkritische Güter wie zum Beispiel Expresspakete oder Ersatzteile sowie feuchtigkeitsempfindliche, hochwertige Güter wird es auch in Zukunft keine Alternative zum Luftverkehr geben. Intraeuropäisch profitieren davon dennoch kurz- und mittelfristig Dienstleister, die auf ein gutes Straßennetzwerk bauen, da hier die Treibstoffkosten deutlich weniger ins Gewicht fallen als im Luftverkehr. Bei weiter steigenden Treibstoffkosten könnten jedoch weniger zeitkritische Waren von Luft- auf Seefracht verlagert werden. So haben Textilien einen Anteil von immerhin etwa 13 Prozent an der gesamten Luftfracht von Asien nach Europa und etwa 20 Prozent von Asien in die USA. Bei zeitkritischen und preissensitiven Produkten könnte eine Standortverlagerung unabdingbar werden, da die Treibstoffkosten bis zu 50 Prozent der Herstellkosten betragen können. Für kürzere Transportwege zum Beispiel innerhalb Deutschlands kann man langfristig von einer verstärkten Verlagerung von Straßentransport auf das gut ausgebaute Binnenwasserstraßennetz ausgehen. Auch die Bahn wird verstärkt eingesetzt. Weiterhin wird eine intelligentere Bündelung von Warenströmen im Landtransport nötig werden. Die Auslastungsgrade der LKW lassen noch weitere Optimierungsmöglichkeiten zu. Europäische KEP-Märkte wachsen sehr unterschiedlich Das Wachstum der EU 16 Länder ist sehr verschieden. So konnte zum Beispiel in den osteuropäischen Wachstumsmärkten (wie Polen und Tschechien) auch im KEP-Markt ein äußerst hohes Wachstum von 15 bis 25 Prozent erzielt werden, wofür neben der allgemein starken wirtschaftlichen Entwicklung vor allem strukturelle Effekte wie das Outsourcing von Werksverkehren oder die Dekonsolidierung von Stückgutsendungen verantwortlich sind. In den gesättigten westeuropäischen Märkten, wie Frankreich, Großbritannien oder Deutschland, dagegen fielen die Umsatzsteigerungen mit vier bis sechs Prozent deutlich moderater aus. Die Zukunft des europäischen KEP-Marktes „Außer im nationalen Standardversand ist in Zukunft jedoch in allen Segmenten von einem spürbaren Rückgang der Umsatzsteigerung auszugehen“, sagt der Autor der Studie Walter Maderner von A.T. Kearney: „Betroffen sind hier vor allem die Expressbranche, für deren bisherigen Wachstumsmotor „Internationaler Versand“ es zukünftig keine neuen Wachstumsimpulse mehr zu geben scheint. Überdies ist vor allem innereuropäisch mit einer deutlichen Preiserosion zu rechnen, da es für die KEP-Dienstleister bei gefallenen europäischen Grenzen schwer sein wird, bei gleicher Distanz international und national stark unterschiedliche Preise aufrecht zu erhalten.“ Für die Zukunft prognostizieren die A.T. Kearney-Experten fünf wesentliche Treiber, mit denen wesentliche strukturelle Veränderungen des KEP-Marktes einhergehen werden: Internethandel (E-Commerce), Differenzierungsdruck in der Expresssparte, Erweiterung der internationalen Netzwerke und zonales Pricing sowie geschlossene Versorgungsketten. Zudem wird die Konsolidierung der europäischen Marktteilnehmer, die vor allem durch Netzarrondierungen und Gebietsexpansion getrieben ist, auch in den kommenden Jahren europaweit insgesamt weiter voranschreiten. Dennoch fällt die Konsolidierung von Land zu Land unterschiedlich aus. Während es in den stark fragmentierten Ländern Spanien, Großbritannien und Italien aller Voraussicht nach anhaltende Konsolidierungstendenzen gibt, ist dies in den großen Märkten Deutschland und Frankreich, wo die ehemals nationale Postgesellschaft noch immer eine bedeutsame Stellung innehat, sowie in vielen kleinen Märkten eher nicht der Fall. Darüber hinaus erwarten die A.T. Kearney-Experten in den gesättigten Märkten eine unaufhaltsam fortschreitende Annäherung der Express- und Standardleistungen. „Neben den operativen Erfolgsfaktoren, einer guten Netzwerkauslastung und hoher operativer Qualität existieren vier zentrale marktseitige Faktoren, die für eine nachhaltig erfolgreiche Positionierung der Anbieter am Markt wesentlich sind“, erklärt Autor Maderner von A.T. Kearney: „Dies sind die Exzellenz an der Kundenschnittstelle, eine Fokussierung auf die operativen Stärken sowie das Thema Convenience. Auch das Thema Nachhaltigkeit spielt – im Hinblick auf die KEP-Anbieter vor allem mit entsprechenden Umweltauflagen – eine immer größere Rolle. Hier ist es für die Paketbranche allerhöchste Zeit, bei der hohen Bedeutung von Straßen- und Luftnetzwerken über mögliche Alternativen nachzudenken, um so auch für die fernere Zukunft gerüstet zu sein.“ KEP-Zukunft ist gespickt mit Herausforderungen „Die europäischen KEP-Anbieter bewegen sich derzeit in einem extrem dynamischen Marktumfeld“, so Salehi: „Sie werden sich nicht mehr länger auf den stabilen Wachstumszahlen des Marktes der letzten Jahre ausruhen können – zu groß wird der steigende Preisdruck. Sich diesem mit striktem Kostenmanagement bei gleichzeitigen Faktorkostensteigerungen zu stellen und parallel die eigene Marktpositionierung und das Angebotsprofil gemäß der jeweiligen nationalen Anforderungen zu schärfen, wird zur zentralen strategischen Aufgabe der europäischen KEP-Anbieter.“ Im Mittelpunkt der aktuellen A.T. Kearney KEP-Markt Studie steht die Untersuchung aller netzwerkfähigen Standard- und Expressleistungen in 16 Ländern des paneuropäischen KEP-Marktes für den Zeitraum 2004 bis 2010. Der Fokus liegt dabei auf nationalen und internationalen Sendungen bis 1000 kg – differenziert nach nationalem und internationalem sowie Express- und Paketgeschäft. Die Studie beruht auf Interviews mit mehr als 400 KEP-Dienstleistern, Industrieexperten und großen B2B-Paketkunden.