Brüssel. Mit viel Lob, aber auch einigem Tadel haben die Mitglieder des Verkehrsausschusses im EU-Parlament die Verkehrspolitik der spanischen EU-Ratspräsidentschaft bewertet, als der spanische Verkehrsminister José Bianco diese Woche vor dem Gremium Bilanz der eigenen Aktivitäten zog. Die Kritik richtete sich vor allem gegen die aus europäischer Sicht unzureichenden Beschlüsse beim Open-Skies-Abkommen mit den USA, der nicht zufrieden stellenden Behandlung des Themas Eurovignetten-Richtlinie (LKW-Maut) und die jüngsten Entwicklungen bei der Überarbeitung des Ersten Eisenbahnpakets.
Gelobt wurden die Spanier grundsätzlich dafür, dass sie der Verkehrspolitik einen großen Stellenwert eingeräumt, die Europäische Verkehrsnetzwerkpolitik mit einer Konferenz in Saragossa weiter vorangebracht und nicht zuletzt die Krise der europäischen Luftfahrt aufgrund der Aschewolke Mitte April ordentlich gemeistert hätten.
„Wir hätten mal mit den Muskeln spielen sollen", bemängelte der Sprecher der bürgerlich-konservativen EVP-Fraktion, der Belgier Mathieu Grosch, die Ergebnisse des Open-Skies-Abkommens. Den Europäern sei es nur gelungen, die USA zum Versprechen zu bewegen, die europäischen Forderungen in Zukunft zu behandeln. Stattdessen hätte man darauf bestehen müssen, sie direkt als Beschlüsse festzuschreiben. „Die USA müssen mal erkennen, dass es bei diesen Verhandlungen nicht nur um ihre Interessen geht, sondern dass es ein bilaterales Abkommen zwischen zwei gleichberechtigten Partnern ist", kritisierte Grosch die seiner Meinung nach zu lasche Haltung auch der Spanier bei den Verhandlungen.
„Die Eurovignette haben wir in einer Arbeitssitzung zwischen EU-Rat und EU-Kommission am 22. Juni behandelt", wehrte sich Bianco gegen die Vorwürfe, bei diesem Thema untätig gewesen zu sein. Es sei wichtig gewesen, einmal zu schauen, wie die Praxis bei den Mitgliedsstaaten aussehe. Dass dabei die Neugestaltung der Eurovignette mit der Einbeziehung externer Kosten in die Mautgebühr für LKW nicht angesprochen wurde und dadurch auch keine Fortschritte erzielt werden konnten, kommentierte Bianco nicht.
Zu geringes Durchsetzungsvermögen bemängelte der deutsche Abgeordnete Michael Cramer (Die Grünen) hinsichtlich der jüngsten Entwicklungen bei der Überarbeitung des Ersten Eisenbahnpakets von 2001, das im Kern die Liberalisierung des Güterschienenverkehrs vorsieht. Hier wollte die EU-Kommission ursprünglich eine überarbeitete Fassung noch vor der Sommerpause vorstellen. Angeblich auf Druck eines EU-Mitgliedslandes bei EU-Kommissionspräsident Manuel Barroso wurde dieser Termin auf nach der Sommerpause verschoben. Solch ein Vorkommen hätte Spanien im Rat verhindern müssen, so Cramer.
Spanien hatte die EU-Ratspräsidentschaft vom 1. Januar bis 30. Juni ausgeübt und dann turnungsgemäß an Belgien übergeben. Es war die erste EU-Ratspräsidentschaft eines Landes unter den neuen Regeln des Lissabon-Vertrags. Diese haben das Amt eines auf zwei Jahre gewählten EU-Ratspräsidenten geschaffen. Erster EU-Ratspräsident in ist der Belgier Herman Van Rompuy. Wie die Kompetenzverteilung zwischen ihm und dem jeweiligen Land aussieht, das die Ratspräsidentschaft stellt, muss sich in der Praxis noch zeigen. Die spanische Ratspräsidentschaft war mit vielen Vorschusslorbeeren gestartet, hat in der Bilanz aber viele EU-Beobachter enttäuscht. (kw)