Ein stürmisches Geschäft

Eine Konverterplattform, von der aus die Bündelung des Stroms der Offshore-Windparks in der Nordsee erfolgt, ist fast wie ein kleines Dorf. Gut, eine Kirche gibt es auf den bis zu 90 mal 30 Meter großen, mit vier Decks ausgestatteten Inseln nicht. Und eine Schule sucht man dort ebenfalls vergebens. Denn Kinder leben dort natürlich nicht, schon deshalb nicht, weil das Leben dort weit draußen auf dem Meer manchmal eine ziemlich windige und raue Angelegenheit ist. Aber bis zu 100 Menschen leben dort bei Wind und Wetter. Von der Büroklammer bis zu Gefahrgut Diese extremen Witterungsbedingungen müssen auch Björn Wittek und sein neunköpfiges Team berücksichtigen. Seit dem 1. August letzten Jahres firmiert sein Team offiziell unter dem Namen Rhenus Offshore Logistics. Aber schon deutlich länger befasst sich das Unternehmen mit der Ver- und Entsorgung großer Offshoreplattformen wie auch kleinerer Hubinseln in der unmittelbaren Nähe der Windräder. Und das Geschäft wächst. Daher hat Rhenus entschieden, eine eigene Tochter zu gründen. Aber auch deshalb, weil es ein sehr spezielles Geschäftsfeld ist. "Wir liefern alles, von der Büroklammer über Lebensmittel bis hin zu Rohbauteilen", sagt der Geschäftsführer bei Rhenus Offshore Logistics. Was halt so auf einer Plattform benötigt wird. Immerhin leben in der Hochphase, wenn das Wetter ideal ist für den Bau eines Windparks, bis zu 100 Personen auf den großen Plattformen. Die Betonung liegt dabei auf dem Wort "leben": 14 Tage dauert eine Schicht. 14 Tage, in denen gearbeitet, aber auch gegessen, getrunken oder geschlafen wird. Deshalb gehören neben Öl zum Betrieb der Motoren oder dem Transport von Abfällen auch Lebensmittel und Frischwasser zum Lieferumfang. Die Anforderungen an die Logistik sind hoch. "Wir müssen Gefahrgutvorschriften genauso beachten wie Vorgaben beim Transport von Lebensmitteln oder zur Entsorgung von Gütern", sagt Wittek. Und auch das Wetter spielt eine entscheidende Rolle in den Logistikplanungen. Denn ab einer Windstärke von mehr als 6 bis 8 ist es nicht möglich, die Plattformen anzusteuern. Doch verhungern oder verdursten muss deshalb niemand. Denn es sind immer ausreichend Lebensmittel und Wasser gebunkert. Zuständig für diese Reichweitenplanung sind die Plattformbetreiber. Aber Rhenus muss beispielsweise sicherstellen, dass genügend Abfallcontainer zur Verfügung stehen. Das Besondere bei Rhenus Offshore Logistics: Im Außendienst auf den Plattformen sind momentan ausschließlich Frauen beschäftigt. Doch eigentlich ist der Job draußen auf dem Meer eine Männerdomäne: "Der Anteil der Frauen dort ist derzeit marginal und dürfte nicht höher als ein bis zwei Prozent betragen", schätzt Wittek. Seit 2012 wächst das Geschäft Die komplette Logistik auf den Plattformen lag anfangs in der Hand der Erbauer der Windparks. Doch so nach und nach verabschieden diese sich von einem Teil der Tätigkeiten. "Wir versuchen mit unserem Angebot, den Unternehmen das Outsourcing der Logistik zu erleichtern, damit sie sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren können: die Planung, den Bau und den Betrieb von Windparkanlagen", sagt Wittek. Seit 2012 hat sich Wittek bei Rhenus auf die Offshore-Logistik fokussiert. War er damals alleine unterwegs, gehören mittlerweile neun Mitarbeiter der Rhenus Offshore Logistics an; zwei davon befinden sich derzeit regelmäßig auf einer Versorgungsplattform, um dort die Logistik zu organisieren. Alles was direkt mit dem Bau der Windanlagen zu tun hat, also die Beschaffung von Ersatzteilen und Bauteilen, bleibt in der Hand der Errichterfirmen. Aber um den Transport oder die Bestellung von Gütern des täglichen Bedarfs, aber auch von Werkzeugen, darum kümmert sich Rhenus Offshore Logistics. Dabei greifen Wittek und sein Team auch auf die Leistungen der Schwesterunternehmen im Konzern zurück wie Cuxport als Hafendienstleister oder Remondis als Abfallexperte. "Wir glauben, dass wir als die Logistikexperten diese Aufgaben besser erledigen können als die Windpark-Erbauer, da wir alle Leistungen aus einer Hand anbieten können", nennt Wittek einen Vorteil. Zudem hat er beobachtet, dass in der Vergangenheit die Logistik auf den Plattformen zum Teil sehr "hemdsärmelig" abgewickelt wurde. "Eine solche Logistik erfordert jedoch profunde Kenntnisse. Das ist die Lücke, in die wir gestoßen sind", sagt Wittek. Er führt unter anderem die Verzollung an. Denn die Plattformen befinden sich zwar auf deutschem Hoheitsgebiet, werden jedoch zollrechtlich wie Ausland behandelt. Doch nicht nur bezüglich des Logistik-Know-hows glaubt er punkten zu können. Zudem setzt er auf einen Vorteil, mit dem fast alle Logistikdienstleister werben: auf den Bündelungseffekt. Rhenus Offshore Logistics versucht möglichst viele Windkraftanlagen-Bauer für sich zu gewinnen. Auf eigene Kosten und auf eigenes Risiko wird dann ein Versorgungsschiff gechartert. Eine geschickte Disposition vorausgesetzt, läuft das Schiff dann Plattformen verschiedener Kunden an: das typische Milkrun-Prinzip. Enorme Auftragsschwankungen Doch das Geschäft ist durchaus mit Risiko behaftet: Denn die einzige Konstante ist, dass es keine Konstanz gibt. "Die Schwankungen sind enorm, da es ein sehr saisonales Geschäft ist", sagt Wittek. Im Sommer, wenn Hochbetrieb herrscht, kann es sein, dass so ein Versorgungsschiff mit 25 Containern den Hafen verlässt. Aber manchmal hat es auch nur eine Box an Bord. Und das Wetter ist ebenfalls immer für Überraschungen gut. Wittek sieht im Offshore-Geschäft einen wachsenden Markt. "Den Höhepunkt, als phasenweise sechs bis sieben Windparks parallel installiert wurden, den werden wir in dieser Größenordnung wohl nicht wiedersehen", vermutet er. Aber er geht davon aus, dass nach einer kleinen Konsolidierungsphase spätestens 2016 wieder mehrere Windparks errichtet werden. Und zudem will er die Fühler in das benachbarte Ausland ausstrecken. "In den Niederlanden sind wir bereits vertreten, aber dabei wird es sicher nicht bleiben", blickt er optimistisch in die Zukunft und nennt Großbritannien und Belgien als weitere Märkte. Offshore-Windenergie: Ein Markt mit Zukunft? 2016 ist Baubeginn für 17 weitere Windanlagen Bei der Errichtung von Windparks in Nordund Ostsee ist erst ein Anfang gemacht. Denn Stand Oktober 2014 waren in Deutschland 916 Megawatt (MW) Offshore-Windleistung am Netz. Doch nach den Plänen der Bundesregierung sollen die Windräder auf See bis 2030 deutlich mehr Energie erzeugen: 15.000 Megawatt sollen es dann sein.Derzeit erzeugen in der Nordsee sechs Windparks mit 204 Windenergieanlagen 865,5 MW Strom. Hinzu kommen in der Ostsee zwei weitere Windparks mit 22 Windenergieanlagen, die es zusammen auf eine Leistung von 50,8 MW bringen.Im Bau befinden sich derzeit acht Windparks mit 570 Windenergieanlagen und einer Gesamtleistung von 2400 MW. Weitere Windparks mit einer Leistung von 9000 MW haben eine Genehmigung erhalten. 2015 ist der Baubeginn von nur zwei weiteren Windparks geplant, beide in der Nordsee. 2016 sollen es dann deutlich mehr sein: Alleine in der Nordsee ist der Baubeginn von 17 weiteren Windparks geplant. Hinzu kommen drei weitere Windparks in der Ostsee. cd