Eben erst angekommen

Michael Cramer macht kein Geheimnis daraus, dass der Verkehrsausschuss des Europäischen Parlamentes am liebsten Maros Sefcovic als Verkehrskommissar gesehen hätte. Das habe er Jean Claude Juncker auch im Namen aller Fraktionen geschrieben, sagte der Ausschussvorsitzende zu Beginn der Anhörung von Violeta Bulc am Montag Abend in Straßburg. Leider habe er bislang aber keine Antwort erhalten. Als herzliches Willkommen konnte die künftige slowenische Kommissarin das nicht verstehen. Aber davon lässt sich die 50-jährige Unternehmerin, die erst seit ein paar Wochen ein politisches Amt bekleidet, nicht entmutigen. Geduldig beantwortet sie die Fragen der Abgeordneten. Ihre Antworten kreisen um zwei Schwerpunkte: Innovation und Infrastruktur. Als Unternehmerin habe sie sich immer für neue Lösungen, für den technischen Fortschritt interessiert: "Ich bin ein lösungsorientierter Mensch", hat sie den Abgeordneten bereits vor der Anhörung aufgeschrieben. TEN-V hat Vorrang Den Ausbau der transeuropäischen Netze (TEN-V) hat Violeta Bulc zu einem Schwerpunkt der europäischen Verkehrspolitik der nächsten fünf Jahre erklärt. Die Gelegenheit dafür sei gut, schließlich gebe es eine Menge Geld zu verteilen. 30 Milliarden Euro sollen alleine in die transeuropäischen Netze fließen, hinzu kommt Geld aus der europäischen Regionalförderung, vor allem für Verkehrsprojekte in Osteuropa, und dann sind da natürlich noch jene 300 Milliarden Euro, mit denen die neue Kommission die Konjunktur anschieben will. Auch davon wollen die Verkehrspolitiker etwas abhaben. Damit das Geld schnell und wirksam eingesetzt wird, setzt die slowenische Politikerin auf den Grundsatz "Einsatz oder Verlust" ("use or loose"). Projekte, die Geld beantragen aber nicht schnell genug realisiert werden, sollen den Anspruch auf zugesagte Mittel verlieren. Diese sollten dann in andere Projekte aus demselben Land fließen. Für Verkehrsprojekte, wendet der lettische Abgeordnete Roberts Zile ein, sei das ein Problem. Er und andere Abgeordnete wollen unverbrauchte Mittel lieber innerhalb der TEN-Korridore verteilen. Dann bekämen die Länder das meiste Geld, die Autobahnen oder Eisenbahnstrecken am schnellsten bauen. Ausbau und Modernisierung der Infrastruktur seien ein wichtiger Beitrag zu einem "effizienteren und nachhaltigeren" Verkehr, sagt die künftige Verkehrskommissarin. Deswegen wolle sie sich dafür besonders einsetzen und auch private Mittel mobilisieren. Die Maut könne ebenfalls einen Beitrag leisten. Die Berücksichtigung externer Kosten sei dabei allerdings eine ferne Vision. Bulc will zunächst durchsetzen, dass sich die Maut an den tatsächlichen Kosten orientiert. Dabei werde sie an dem Grundsatz der EU-Verträge festhalten, dass kein Autofahrer oder Spediteur gegenüber anderen benachteiligt werden dürfe. Weitere Liberalisierung ist angestrebt Die slowenische Konservative verhehlt den Abgeordneten nicht, dass sie in einer weiteren Liberalisierung die Lösung vieler Probleme sieht. Die Öffnung der Verkehrsmärkte für mehr Wettbewerb sei allerdings kein Selbstzweck, sondern "ein Instrument, um den Verkehr zu optimieren, damit er zum Wachstum beitragen und neue Arbeitsplätze schaffen kann". Ihre Aufgabe sieht sie darin, für einen "fairen Wettbewerb" zu sorgen, der nicht zulasten der Arbeitsbedingungen in der Verkehrswirtschaft geht. Sozialdumping sei keine Lösung. Violeta Bulc Wenig politische Erfahrung Violeta Bulc ist in Brüssel weitgehend unbekannt und bringt nur wenig politische Erfahrung mit. Ihre politische Karriere begann im Sommer dieses Jahres mit einer Kandidatur für das slowenische Parlament. Im September avancierte sie in der neuen slowenischen Regierung zur Entwicklungsministerin und stellvertretenden Ministerpräsidentin. Anfang der 80er-Jahre war sie Mitglied der jugoslawischen Basketball-Nationalmannschaft. In den 90er-Jahren studierte sie Elektrotechnik an der Universität Ljubljana und in San Francisco. Danach arbeitete sie für die staatliche slowenische Telefongesellschaft und gründete 2000 eine Beratungsfirma für Unternehmen. Als erfolgreiche slowenische Unternehmerin erhielt sie mehrere Preise für innovative und nachhaltige Geschäftsmodelle. Sie interessiert sich für asiatischen Kampfsport und absolvierte eine Ausbildung als Schamanin. tw