Die Zeit wird immer knapper

Zum 1. Juli 2018 wird die Mautpflicht für Lkw ab 7,5 Tonnen auf alle 40.000 Kilometer Bundesstraßen ausgeweitet. Derzeit fällt die Nutzungsgebühr auf 13.000 Kilometern Bundesautobahnen und 2300 Kilometern autobahnähnlichen Bundesstraßen an. Bis zu zwei Milliarden Euro pro Jahr soll die Ausdehnung einbringen. Vor allem ländliche Regionen betroffen Die technischen und organisatorischen Vorbereitungen zur Lkw-Maut gehen aktuell in die heiße Phase. Doch während die Betreibergesellschaft Toll Collect schon relativ weit ist, gerät die Planung bei den betroffenen Unternehmen ins Stocken. Viele Transportunternehmer und Spediteure fühlen sich von der Politik hingehalten, weil immer noch feststeht, wie hoch die Lkw-Maut auf den Bundesstraßen sein wird. Josef Dischner zeigt sich enttäuscht, dass keine Klarheit besteht. "Vor allem Kunden, deren Produkte transportsensibel sind und bei denen der Transportkostanteil schon mal bis zu 15 Prozent ausmachen kann, müssen frühzeitig wissen, wie hoch die Lkw-Maut ist", sagt der Geschäftsführer und Inhaber der Dischner Spedition in Weiding im Landkreis Cham. Das Unternehmen hat 100 Mitarbeiter und verfügt über einen Fuhrpark von 70 Lkw. Die Spedition ist besonders von der Bundesstraßenmaut betroffen, weil der Landkreis Cham einer der wenigen in Bayern ist, die keinen direkten Autobahnanschluss haben. Egal, wohin es geht, bis zur nächsten Autobahn sind es 70 bis 80 Kilometer, die nahezu ausschließlich auf der Bundesstraße zurückzulegen sind. Dischner stellt eines klar: "Wir werden die neue Maut definitiv nicht tragen, da es Kosten sind, die wir nicht zu verantworten haben." Mit den meisten Kunden hat er über die neue Gebühr bereits gesprochen. "Sie waren aufgeschlossen und werden sich diesen Kosten nicht verweigern", lautet sein Fazit. Allerdings weiß er von seinen Kunden auch, dass diese so früh wie möglich die genaue Zusatzbelastung wissen wollen. "Wir führen diese Gespräche im Frühjahr. Deshalb brauchen wir die Informationen spätestens dann", so der Spediteur. Auskunft über die exakte Mauthöhe auf Bundesstraßen und Bundesautobahnen soll ein neues Wegekostengutachten geben. Es befindet sich noch in Arbeit und dient der Bundesregierung als Berechnungsgrundlage für die Jahre 2018 bis 2022. Wann die Analyse veröffentlicht wird, verriet das Bundesverkehrsministerium auf Nachfrage nicht. Nur so viel teilte es mit: "Die bestehenden Mautsätze werden auf der Grundlage der Ergebnisse des neuen Wegekostengutachtens überprüft und gegebenenfalls angepasst." Ziel sei ein Tarifmodell mit einem einheitlichen Mautsatz für das gesamte Bundesfernstraßennetz und einer Anlastung externer Kosten. Noch nicht abschließend geklärt ist außerdem, ob die Mauterweiterung später auch Lkw zwischen 3,5 und 7,5 Tonnen sowie Fernbusse betreffen wird. Die Bundesregierung will bis Ende des Jahres prüfen, ob sie diesen Schritt geht. Die Länderverkehrsminister hatten sich mehrheitlich dafür ausgesprochen. Ex-Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hatte Forderungen nach Einführung einer Bus-Maut dagegen mehrfach zurückgewiesen. Eine weitere Herabsetzung der Gewichtsgrenze würde finanziell vor allem die Kurier-, Paket- und Expressbranche (KEP) und Handwerksbetriebe treffen. Der Fuhrpark von Dischner jedenfalls ist mautpflichtig. Mit etwa zehn Euro Mehrkosten pro Tour rechnet er, wenn er den Mautsatz auf der Autobahn für die Bundesstraßen zugrunde legt. Für seine Züge im Fernverkehr wären das aufsummiert täglich zwischen 300 und 400 Euro, die da anfallen. Als Beispiel für die Belastung pro Fahrt nennt er eine Distanz von 500 Kilometer: "Da kommen jetzt noch mal knapp 50 Kilometer Bundesstraßenmaut hinzu, sodass die Mautkosten zwischen mindestens fünf und maximal zehn Prozent steigen." Ebenfalls stärker betroffen von der Ausweitung der Lkw-Abgabe ist die Weigert Transporte in Teublitz, im fränkischen Landkreis Schwandorf gelegen. Das Unternehmen mit 30 Lkw hat viele Kunden aus der Baubranche und der Agrarwirtschaft. Dort werden viele Transporte im Regionalverkehr über Bundesstraßen abgewickelt. "Die Bundesstraßenmaut ist für uns ein großer Kostenblock, der aber für uns nur ein durchlaufender Posten sein kann", sagt Inhaber und Geschäftsführer Christian Weigert. Bei den meisten Kunden geht er davon aus, dass sie die Maut übernehmen werden. "Problematisch sehe ich es bei preissensiblen Transporte wie Schotter oder Sand: Dort ist der Transport ein großer Kostenfaktor und wird pauschal mit einem Preis pro Tonne kalkuliert", sagt der Unternehmer. Gerade zum Zeitpunkt der Einführung der Bundesstraßenmaut könne das ein Problem sein, wenn von den Vertragspartnern der Preis über einen längeren Zeitraum festgelegt worden sei. Deshalb lautet seine deutliche Forderung an die Politik: "Wir brauchen möglichst schnell die konkreten Mautsätze, weil zu Beginn des kommenden Jahres die Preisverhandlungen stattfinden." Weigert befürchtet, dass er einen Teil der Kosten vorfinanzieren muss. Zudem hat er einen höheren Aufwand, da die neue On-Board-Unit nicht mehr die gefahrenen Kilometer und damit die Tour direkt anzeigt. Die Mautkosten hatte früher der Fahrer direkt eingetragen, jetzt muss ein Mitarbeiter die Maut über das Online-Portal von Toll Collect (siehe Kasten auf Seite 15) herausfiltern. Zusätzliche Arbeitsschritte, die zusätzliche Kosten verursachen. Beträchtliche Mehrkosten Doch die Übernahme der Mautkosten kommt für ihn nicht infrage. "4,50 Euro pro Transport bei einer Strecke von 30 Kilometer hören sich zwar nach nicht viel an", sagt Weigert. Aber: Da es im Baugewerbe häufig keine Rückladung gäbe, kämen weitere 4,50 Euro hinzu. "Zu berücksichtigen ist noch die Anfahrt zur Baustelle oder dem Kieswerk. Das können weitere 30 Kilometer sein. Das summiert sich zu einem beträchtlichen Betrag", so der Unternehmer. Wie die beiden bayerischen Unternehmen, so sind nach Aussage der Speditions- und Transportverbände die meisten Dienstleister über die neue Abgabe informiert. Dass die Höhe der Maut immer noch nicht feststeht, bemängelt auch der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL). "Solange das neue Wegekostengutachten nicht vorliegt, lässt sich über die Höhe der Mautsätze nur spekulieren", sagt der BGL-Hauptgeschäftsführer Dirk Engelhardt. Aber da es derzeit so aussieht, dass eine neue Bundesregierung frühestens zum Ende des ersten Quartals 2018 im Amt sein wird, hält Engelhardt folgendes Szenario für wahrscheinlich: Die Maut auf den Bundesstraßen ab dem 1. Juli wird die gleiche Höhe haben wie aktuell auf den Autobahnen. Der Verband warnt davor, dass die Bundesstraßenmaut höher ausfällt als die auf den Autobahnen: "Würden die Berechnungen des aktuellen Wegekostengutachtens eins zu eins in die Festlegung der Mautsätze eingehen, würden die Bundesstraßenkilometer mindestens dreimal teurer als die Autobahnkilometer", sagt Engelhardt. Das hätte für revierferne Gebiete im ländlichen Raum erhebliche Wettbewerbsnachteile zur Folge. "Die Möbelspediteure und ihre Kunden benötigen die Informationen über die Mauthöhe jetzt, damit sie kalkulieren können, da Jahreskontrakte vereinbart werden", fordert Dierk Hochgesang, Geschäftsführer des Bundesverbandes Möbelspedition und Logistik (AMÖ). Er sieht die Bundesregierung in der Pflicht, aktiv zu werden: "Auch eine geschäftsführende Regierung muss den Unternehmen das Wirtschaften ermöglichen." Nach seinen Informationen benötigt Toll Collect mindestens ein Vierteljahr Vorlauf, um die Mautsätze in ihrem System zu berücksichtigen. Hochgesang hält es außerdem für sehr schwierig, wenn sich die Mautsätze innerhalb eines Jahres mehrmals ändern. "Solche Änderungen sind für die Dienstleister schwer gegenüber dem Kunden umsetzbar", warnt er. Das Mindeste, was er von der derzeitigen Bundesregierung erwartet: den Termin jetzt festlegen, wann die Mauthöhe wieder geändert wird, sofern zum 1. Juli die Bundesstraßenmaut mit den Autobahnmautsätzen startet. Nach Hochgesangs Einschätzung dürfte die Maut mit dem neuen Wegekostengutachten eigentlich nicht steigen. Als Grund nennt er den im Vergleich zum alten Gutachten derzeit deutlich niedrigeren Zinssatz. "Damit lassen sich die gestiegenen Bodenpreise nicht kompensieren", sagt Hochgesang. Bei den externen Kosten zur Luftverschmutzung sieht er angesichts der immer sauberen Lkw auch kein Erhöhungspotenzial. Eine Veränderung werde es seinen vorliegenden Informationen zufolge bei der Mautsystematik geben. Für die Vier- und Fünf-Achser gäbe es keine unterschiedlichen Mautsätze mehr. Die Fahrzeuge sollen in einer Mautklasse zusammengefasst werden. Doch wird die verladende Wirtschaft tatsächlich die Maut komplett übernehmen? "Das ist immer eine individuelle Frage, die sich nach dem jeweiligen Vertragsverhältnis richtet", sagt Christian Labrot, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Wirtschaft, Verkehr und Logistik (BWVL), in dem viele Handels- und Industrievertreter organisiert sind. Grundsätzlich betrachtet er die Maut jedoch als einen normalen Kostenbestandteil. "Wenn sich Kostenfaktoren ändern, muss man darüber reden, wer was trägt", sagt Labrot. "Reden" bedeutet also: zum einen verhandeln, zum anderen aber auch, dass das Ergebnis offen ist. Im Gegensatz zu Hochgesang geht Labrot davon aus, dass die neuen Mautsätze etwas höher ausfallen werden. Er bezieht sich auf Informationen aus dem Kreise der Gutachter, die die Wegekostenrechnung erstellen. Danach soll der Anteil der externen Kosten steigen. "Letztlich ist es aber auch eine sehr politische Entscheidung: wie die kommende Regierung aussieht und welche Ziele sie verfolgt", sagt Labrot. Sechs Monate vor Einführung der Lkw-Maut auf Bundesstraßen besteht eine große Unsicherheit in der Wirtschaft. Der Prozess zur Regierungsfindung kommt also für das Transportgewerbe zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier "Lkw-Maut" www.verkehrsrundschau.de/dossiers Technische Umstellung Das OBU-Display ändert sich Für die Lkw-Maut-Ausweitung auf allen Bundesstraßen werden derzeit die Fahrzeuggeräte vorbereitet. Dazu erhalten sie schrittweise neue Software. Die ersten 25.000 On-Board-Units (OBU) werden laut Toll Collect seit Ende Oktober automatisch aktualisiert. Transportunternehmen und Lkw-Fahrer müssen dafür nichts tun. Sichtbar wird die Aktualisierung durch eine neue Anzeige auf dem Display. Zudem entfällt das übliche akustische Signal bei der Durchfahrt eines Streckenabschnitts. Auf dem Display erscheinen während der Fahrt zukünftig drei Angaben:- die Achszahl,- die Abkürzung DE, wenn der Lkw in Deutschland unterwegs ist,- eine Gewichtsangabe. Angezeigt wird, ob in der OBU ein zulässiges Gesamtgewicht unter 7,5 Tonnen oder größer/gleich 7,5 Tonnen eingestellt ist.Lkw mit eingebauter OBU, die den Service Toll2Go nutzen und in Österreich unterwegs sind, wird auf dem Display das Mautgebiet "AT" angezeigt. Es erscheint keine Gewichtsangabe.Über die grüne LED wird dem Fahrer wie bisher die korrekte Mauterhebung signalisiert. Informationen zu den einzelnen Fahrten sind im Kunden-Portal zu finden. Nicht mehr angezeigt werden der aktuell befahrene Abschnitt, der dafür erhobene Mautbetrag und der Gesamtbetrag zur Tour. ag Statement Quo vadis Lkw-Maut?Die nachhaltige Stärkung der Verkehrsinfrastruktur muss auch künftig zu den Prioritäten einer Bundesregierung gehören. Der Bundesverband Wirtschaft, Verkehr und Logistik (BWVL) steht dabei weiterhin zu einer Nutzerfinanzierung. Es darf jedoch nicht nur die Straßenverkehrswirtschaft, sprich der Lkw, diese Last tragen. Die Kosten müssen anteilsmäßig auf alle Nutzer der Infrastruktur - auch den Pkw und den Bus - verteilt werden.Im Zuge der Ausweitung der Lkw-Maut auf alle Bundesstraßen sind einheitliche Mautsätze für alle Bundesfernstraßen unabdingbar. Die Versorgung der Bevölkerung in der Fläche und die Wirtschaftsstandorte in ländlichen Regionen dürfen nicht künstlich verteuert werden.Keine weiteren externen KostenEine politische Umsetzung der Ergebnisse des zu Jahresbeginn zu erwartenden neuen Wegekostengutachtens hat mit Augenmaß und unter Beachtung der Wettbewerbsverhältnisse am Wirtschaftsstandort Deutschland erfolgen. Dies gilt insbesondere für die Berücksichtigung externer Kosten. Die Mautdifferenzierung nach Achsklassen und Schadstoffausstoß muss hier auf einer langfristig berechenbaren Basis erfolgen, die auf die Investitions- und Nutzungszyklen der transportierenden Unternehmen Rücksicht nimmt, damit Entwertungen der bestehenden Fuhrparks vermieden werden. Die Anlastung weiterer externer Kosten wie Nachtzuschläge oder von Staukosten schließt der BWVL als praxisfremd und nicht zielführend aus. Jede Änderung der Mautsätze sollte von einem ausreichenden Vorlauf bis zur Inkraftsetzung begleitet sein.Der BWVL vertritt die Interessen von rund 1200 Unternehmen aller Größenordnungen aus Industrie und Handel in puncto Transport und Logistik. Mehr unter:www.bwvl.de

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