Die Maut ist eine ewige Baustelle

Die nächsten Schritte beim Umbau der Lkw-Maut sind politisch beschlossen und mit der dritten Änderung des Bundesfernstraßenmautgesetzes in ein Rechtsrahmen gesetzt: Zum 1. Juli 2015 wird die Lkw-Maut zunächst auf weitere 1000 Kilometer vierspurige Bundesstraßen ausgeweitet und ab 1. Oktober fallen Fahrzeuge bereits ab 7,5 Tonnen zulässiges Gesamtgewicht unter die Mautpflicht. Ab 2018 soll die Lkw-Maut überdies auf alle Bundesstraßen ausgeweitet werden, was dem Bund mindestens eine zusätzliche Maut-Milliarde pro Jahr einbringen soll. Dies dürfte nicht die letzte Drehung an der Mautschraube sein. Das zeigt ein Blick auf einen Entschließungsantrag, der im März gleichzeitig mit dem Mautgesetz im Bundestag beschlossen wurde. Darin fordern die Fraktionen der SPD und Union die Bundesregierung unter Punkt vier auf, bei ihrem eigenen Mautgesetz die problematische Einteilung der Achsklassen nachzubessern. Konkret - so fordern es die Abgeordneten in ihrer Entschließung - soll der Bund ab 2018 nicht nur die Anzahl der Achsen zur Bestimmung des Infrastrukturanteils der Maut heranziehen, sondern den Quotienten aus zulässigem Gesamtgewicht und Anzahl der Achsen. Über eine solche Regelung würde das tatsächliche Fahrzeuggewicht in Bezug zur Achszahl gesetzt und dadurch der Verschleiß, den das Fahrzeug verursacht, stärker berücksichtigt. Nach der ab Oktober 2015 geltenden Regelung wird beim Mautteilsatz für die Infrastrukturkosten nur die reine Achszahl unabhängig vom Fahrzeuggewicht gewichtet. Dadurch kann es passieren, dass vierachsige Fahrzeuge bei voller Ausschöpfung der Nutzlast trotz höherer Achslasten und damit höherem Straßenverschleiß gegenüber fünfachsigen Fahrzeugen um 1,8 Cent pro Kilometer bei der Maut bessergestellt sind. Diese Ungereimtheit hatten Verkehrsverbände im Vorfeld heftig kritisiert. Zum Verständnis: Die Lkw-Maut setzt sich derzeit zusammen aus den Mautteilsätzen für Infrastrukturkosten (bemisst sich nach Achsklassen) und den Luftverschmutzungskosten. Bei der Festsetzung der Luftverschmutzungskosten fließt die Schadstoffnorm des Lkw ein. Je besser die Emissionsklasse des Fahrzeugs, desto geringer die Maut. Künftig ist mit noch größeren Umbauarbeiten an der Maut zu rechnen. Drei Entwicklungen zeichnen sich bereits ab: - Die ehrgeizigen Klimaschutzziele der Bundesregierung und der EU werden dazu führen, dass die Lkw-Maut künftig nach Energieverbrauch der Fahrzeuge gestaffelt wird. Das zumindest kündigt die Bundesregierung in ihrem Aktionsprogramm Klimaschutz an. - Die Anlastung von externen Kosten, beispielsweise für die vom Lkw verursachte Luftverschmutzung und für Lärm, könnte deutlich ausgeweitet werden, wenn die Deckelung der anlastbaren Kosten wegfallen sollte. - Eine Maut wird es über kurz oder lang auch für Fahrzeuge ab 3,5 Tonnen geben. Ein entsprechender Prüfauftrag für diese Legislaturperiode liegt bereits vor. Im besagten Entschließungsantrag von SPD und Union wird die Bundesregierung aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass durch die Anlastung externer Kosten nach der Wegekostenrichtlinie der Europäischen Union (EU) ein "noch höherer Kostendeckungsgrad" erreicht werden kann. Für Karlheinz Schmidt, geschäftsführendes Präsidialmitglied beim Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL), ist die Anlastung externer Kosten für die Zeit nach 2018 ein wahrscheinliches Szenario: "Die Entschließung zum geänderten Mautgesetz enthält den Auftrag an die Bundesregierung, für eine Änderung der europäischen Wegekostenrichtlinie zu sorgen, um den Rahmen für die Anlastung externer Kosten erweitern zu können", erklärt er. Es sei zu befürchten, dass künftig auch Kosten für Staus, Lärm und Unfälle eingepreist würden. Bisher wird nur die Luftverschmutzung angelastet, für die Einbeziehung von Lärmkosten gibt es einen Prüfauftrag. "Man will durch die Anlastung der externen Kosten zusätzliche Erträge erzielen, die über die Infrastrukturkosten hinausgehen und in den allgemeinen Haushalt fließen", glaubt Schmidt. "Damit kann man den Nutzerkreislauf Straße 'elegant' durchstoßen." Weitere Kostenbelastungen könnten auf das Transportgewerbe zukommen, wenn die EU die Methodik der Wegekostenrechnung ändert und die Höchstsätze der anrechenbaren Luftverschmutzungskosten anhebt. In Anhang drei der aktuell gültigen EU-Wegekostenrichtlinie sind Maximalsätze für die anlastbaren Kosten der Luftverschmutzung festgelegt. "Wenn die EU-Kommission die Begrenzung kippt, ergeben sich Belastungen in Milliardenhöhe für den EU-Straßengüterverkehr", warnt Schmidt. "Statt zwei Cent könnten dann dem Euro-6-Lkw auf einen Schlag zirka sechs Cent pro Kilometer angelastet werden." Blick ins Wegekostengutachten Auch die Autoren des jüngsten deutschen Wegekostengutachtens machen darauf aufmerksam, dass der Lkw aufgrund der Deckelung in der EU-Wegekostenrichtlinie nur einen Teil der von ihm verursachten Luftverschmutzungskosten über die Maut tatsächlich trägt: Für das Jahr 2013 errechnen sie externe Luftschadstoffkosten auf Autobahnen von 3,6 Milliarden Euro, wovon auf mautpflichtige Lkw rund 33 Prozent entfallen. "Es können zum Beispiel in 2013 nur rund 13 Prozent der verursachten Kosten angelastet werden", heißt es im Wegekostengutachten. (siehe Grafik). Für das Jahr 2017 kommen die Forscher auf 645 Milliarden Euro externe Kosten durch Luftverschmutzung für Lkw über zwölf Tonnen auf Autobahnen. Davon könnten wegen der Deckelung in der EU-Wegekostenrichtlinie aber nur etwa 39 Prozent (252 Milliarden Euro) angelastet werden. Zielvorgaben EU-Kommission Bis 2030 will die EU ihre Treibhausgase gegenüber 1990 um 40 Prozent reduzieren. Dieses Ziel formulierten die Regierungschefs im Europäischen Rat im Oktober 2014. Dabei wurde auch festgelegt, dass die Bereiche, die bislang vom Emissionshandel ausgenommen sind, ihre Treibhausgasemissionen bis 2030 um 30 Prozent unter das Niveau von 2005 bringen müssen - dazu gehört auch der Straßenverkehr als größter CO2-Verursacher. Welchen Senkungsbeitrag einzelne Länder innerhalb dieser Strategie konkret werden leisten müssen, ist derzeit allerdings noch nicht festgelegt. Im Weißbuch Verkehr, das derzeit überarbeitet wird, hat die EU-Kommission das Ziel formuliert, die CO2-Emissionen aus dem Verkehr bis 2050 um 60 Prozent zu reduzieren (siehe auch Brüssel-Korrespondenz auf Seite 17). Im vergangenen Dezember hat die Bundesregierung parallel ihr Aktionsprogramm Klimaschutz vorgelegt. Darin werden die ehrgeizigen Klimaziele, die sich Deutschland bereits 2007 gesteckt hatte, nochmals bestätigt: Bis 2020 will der Bund die Treibhausgas-Emissionen gegenüber 1990 um 40 Prozent reduzieren. Auf halber Strecke wird klar, dass "erhebliche zusätzliche Anstrengungen" nötig sein werden, um dieses Ziel zu erreichen, heißt es im Aktionsprogramm. Denn die aktuellen Projektionen gehen davon aus, dass mit den bisher umgesetzten und beschlossenen Maßnahmen nur etwa 34 Prozent Minderung erreicht werden könnten. Regierung stellt Aktionsplan vor Um die Lücke zu schließen, hat die Bundesregierung im Aktionsprogramm einen Fahrplan mit konkreten Zielen für alle Wirtschaftsbereiche aufgezeigt - auch für den Verkehrssektor. "Angesichts des prognostizierten Wachstums des Güter- und Individualverkehrs ist das vorgesehene CO2-Minderungsziel mehr als ambitioniert", bemerkte der Deutsche Speditionsund Logistikverband (DSLV) in einer Mitteilung. Laut Aktionsprogramm soll der Verkehr in den nächsten fünf Jahren mit bis zu zehn Millionen Tonnen CO2 zu der geplanten Reduktion von insgesamt 62 bis 78 Millionen Tonnen CO2 beitragen. Um den CO2-Ausstoß bei Nutzfahrzeugen zu reduzieren und einen Anreiz zur Flottenerneuerung zu bieten, sieht der Maßnahmenkatalog unter anderem eine Staffelung der Lkw-Mautsätze in Abhängigkeit vom Energieverbrauch des jeweiligen Fahrzeugs vor. Bemessungsgrundlage wäre letztlich der Kraftstoffverbrauch, der mit den CO2-Emissionen direkt korreliert. Konkret schlägt die Bundesregierung vor, die CO2-Emissionen als Basis einer Mautspreizung heranzuziehen und bis 2017 eine neue Systematik zu erarbeiten. Dazu wäre allerdings eine Überarbeitung der europäischen Wegekostenrichtlinie notwendig. Fehlende Datengrundlage bei Lkw Auch die Europäische Kommission will das Instrumentarium der EU zur Minderung der Treibhausgas-Emissionen aus dem Verkehr in den nächsten Jahren systematisch ausbauen. Nachholbedarf sieht man vor allem beim Lkw. Allerdings denkt man in Brüssel gegenwärtig nicht daran, verbindliche Grenzwerte für die CO2-Emissionen von Lkw einzuführen. Umweltschützer fordern dies mit Verweis auf die USA oder Japan, wo es solche Werte bereits gibt (siehe Kasten). Zur Begründung ihres Zögerns verweist Brüssel auf die fehlende Datengrundlage. Diese soll in den nächsten Jahren zunächst einmal geschaffen werden. Geplant ist die Einrichtung eines Bestimmungs- und Berichtssystems auf Basis der CO2-Simulierungssoftware Vecto (Vehicle Energy Consumption Calculation Tool). Eine entsprechende Verordnung will die Kommission im Frühjahr 2016 vorlegen. Nach Verabschiedung durch den Ministerrat und das Europäische Parlament könnte die rechtliche Grundlage für Vecto 2017 in Kraft treten. Das Monitoringsystem wäre dann 2018 oder 2019 arbeitsfähig. Mit belastbaren Ergebnissen wäre aber nicht vor 2020 zu rechnen. Welche politischen Maßnahmen die Kommission aus den gewonnenen Informationen ableitet, ist offen. Ein Grenzwert für schwere Nutzfahrzeuge sei ebenso denkbar wie der Umbau der EU-Wegekostenrichtlinie zur Erhebung von Nutzergebühren nach CO2-Emissionen, heißt es aus Brüssel. Industrie will keinen Grenzwert Vecto, darüber herrscht Einigkeit, wäre zumindest eine brauchbare Grundlage für eine Mautstaffelung nach Kraftstoffverbrauch. Die deutschen Lkw-Hersteller können mit Vecto offenbar gut leben. "Der Ansatz, ein Simulationsprogramm zu nutzen, ist aus unserer Sicht sinnvoll", sagt VDA-Präsident Matthias Wissmann. "Der Nutzfahrzeugmarkt ist vielfältig und variantenreich, diese Komplexität kann mit einem Simulationsprogramm am besten beherrscht werden." Die Pläne, die Lkw-Maut langfristig nach Energieeffizienz zu staffeln, sind dem VDA bekannt. "Aus unserer Sicht wäre Vecto zumindest ein brauchbares Werkzeug, um die Effizienz für den Kunden sichtbar auszuweisen. Am sinnvollsten wäre hier ein europäischer Ansatz", so dessen Präsident. Bei der Erhebung der Lkw-Maut will die Kommission stärkere Anreize für den Einsatz emissionsarmer Fahrzeuge setzen. Schon Anfang nächsten Jahres will sie im Rahmen eines "Straßenpaketes" die Überarbeitung der EU-Wegekostenrichtlinie vorschlagen, nach der die Mitgliedstaaten Straßenbenutzungsgebühren für Lkw kalkulieren. Die Maut soll stärker als bisher von der zurückgelegten Strecke (use pay) und von den verursachten Umweltschäden (polluter pay) abhängig sein. Straßenpaket der EU-Kommission Für die Verkehrspolitiker in Berlin - das zeigt eine VerkehrsRundschau-Umfrage - ist das Thema Lkw-Maut derzeit nicht besonders aktuell: Die verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Kirsten Lühmann, stellt das klimapolitische Ziel in den Vordergrund, im Verkehrsbereich zehn Millionen Tonnen CO2 bis 2020 einzusparen. Die Ausweitung der LKW-Maut auf alle Bundesstraßen ab 2018 bilde in der jetzigen Form nur die Kosten ab, die LKW aufgrund ihrer höheren Achslast verursachten. Eine minimale Lenkungswirkung werde durch die Einteilung in Schadstoffklassen erzielt, was aber als Beitrag für das Erreichen des Klimazieles nicht ausreiche, betonte Lühmann. "Dieses werden wir nur erreichen, wenn alternative Antriebsformen gefördert und ihr Einsatz auch im Straßengüterverkehr wirtschaftlich attraktiv wird". Beim der Reduktion der Treibhausgase spielen auch für die Oppositions-Fraktionen Linke und Grüne neben der Lkw-Maut alternative Transportmöglichkeiten eine wichtige Rolle. "Nur durch eine konsequente Verlagerungsstrategie auf die umweltfreundlicheren Verkehrsträger Bahn und Schiff sind die Klimaziele überhaupt noch erreichbar", meint der Linken-Verkehrspolitiker Herbert Behrens. Entscheidend sei, dass sich die Umweltbelastung der Verkehrsträger auch in den Preisen widerspiegele. "Dazu muss die Mauthöhenbegrenzungs-(Wegekosten-)Richtlinie endlich so geändert werden, dass die externen Kosten vollumfänglich angelastet werden können. National ist die Ausweitung der Lkw-Maut auf alle Bundesstraßen und perspektivisch auf alle Straßen unabdingbar". So machen es die USA Für amerikanische Trucks gelten bereits CO2-Grenzwerte In den USA wurde 2011 die Richtlinie"Greenhouse Gas Emissions Standards and Fuel Efficiency Standards for Medium- and Heavy-Duty Engines and Vehicles" veröffentlicht. Sie enthält Grenzwerte für CO2-Emissionen und Verbräuche von Lkw. Das amerikanische Modell ist zweigeteilt und betrachtet einerseits das Fahrzeug als Ganzes (fahrzeugbezogene Grenzwerte) und andererseits den verbauten Motor mit entsprechenden Grenzwerten. Der Grund: In den USA ist es nicht unüblich, dass Fahrzeugkäufer Lkw und Motor von verschiedenen Herstellern beziehen. Die festgelegten Grenzwerte unterscheiden zwischen:- Kraftstoffverbrauch (Angabe in"gallon per brake horsepower-hour" [gal/100 bhp-hr])- und maximalen CO2-Emissionen (Angabe in "grams per brake horsepower-hour" [g/bhp-hr]).Die aktuelle Regelung macht keine Vorgaben für Trailer. Künftig sollen aber auch die Anhänger in die Regelung einbezogen werden. In den USA wird gewichtsbezogen zwischen acht Nutzfahrzeugklassen unterschieden, vom Light-Duty Vehicle (Klasse 1) bis zum Heavy-Heavy-Duty Vehicle (schwere Nutzfahrzeuge).Die CO2-Grenzwerte gelten für die Klassen 2 bis 8. Die im Güterfernverkehr eingesetzten Sattelzug-Kombinationen sind den Klassen 7 (bis 15 Tonnen Gesamtgewicht) und 8 (über 15 Tonnen Gesamtgewicht) zugeordnet. Die Gewichtsangabe bezieht sich auf die Fahrzeugbruttomasse, also Fahrzeuggewicht inklusive Nutzlast. Die fahrzeugbezogenen Grenzwerte für Sattelzugmaschinen sind seit 2014 in Kraft und werden 2017 verschärft. Innerhalb der Klassen 7 und 8 wird noch zwischen Fahrzeugen mit Tageskabinen und Fahrzeugen mit Schlafkabinen unterschieden. Zusätzlich werden verschiedene Kabinentypen berücksichtigt (Niedrig-/Hochdach). diwi