Demografischer Wandel

Demografischer WandelMehr Möglichkeiten mit Multikulti Ausländische Mitarbeiter können ein Unternehmen bereichern – und wer auf sie setzt, hat in Zeiten des demografischen Wandels einen unschätzbaren Vorteil. Das zeigt der vierte Teil der Serie der VerkehrsRundschau.Eigentlich kann die BTG-Gruppe mit Sitz in Langweid bei Augsburg eine stolze Bilanz vorweisen: Nach ihrer Gründung 1973 ist sie bis heute auf 343 Mitarbeiter allein in Deutschland und einen Umsatz von knapp 170 Millionen Euro im letzten Jahr herangewachsen. Ausruhen will sich die Geschäftsleitung um Oswin Röming aber darauf nicht. Denn nur wer sich bewegt, bleibt. Unlängst hat BTG deshalb die Spedition P. Ressle in Schongau übernommen – und daneben arbeitet die BTG-Gruppe daran, ihr Geschäft mit Osteuropa weiter auszubauen. „Wir haben jetzt Mitarbeiter mit guten Russisch-Kenntnissen für unsere Frankfurter Niederlassung gesucht“, erzählt Marketing-Leiterin Andrea Lorenz. „Finden Sie die erst einmal.“ Ortswechsel: In der Remscheider Niederlassung der Spedition Herbert Flesche absolviert gerade ein junger Mann seine zweijährige Ausbildung zum Fachlageristen. Der Junge hat einen spanischen Vater, die Mutter spricht nur polnisch – nicht gerade ideale Voraussetzungen für einen Start in den deutschen Berufsalltag, vor allem wenn man von der Sonderschule kommt. Niederlassungsleiter Karl-Josef Dudenhausen hatte sich davon aber nicht beirren lassen: „Der Junge ist zwar aus der Sonderschule, aber er ist nicht dumm“, sagt er. Bei einer alleinerziehenden Mutter und dem Hintergrund habe er einfach nicht die Möglichkeiten wie andere (s. Kasten auf Seite 28).Die Konsequenz: Dudenhausen kümmerte sich um den Jungen weit über das übliche Maß hinaus. „Das geht teilweise in den privaten Bereich.“ Die Alternative? Solche Kandidaten abzulehnen wird sich bald keiner mehr leisten können, sagt der Firmenchef. „Der demografische Wandel ist da, viele wollen es nur nicht wahrhaben.“Egal ob es sich um Spezialisten im kaufmännischen Bereich handelt, um Mitarbeiter im gewerblichen Bereich oder um Fahrpersonal – in Zeiten des demografischen Wandels und der Globalisierung werden viele Unternehmen künftig ausländische Mitarbeiter in ihren Reihen haben – zumal der Ausländeranteil in gewerblichen Berufen fast zwangsläufig steigen wird. Zur Not wird mit Kursen nachgeholfen„Das Potenzial an jungen Menschen mit Migrationshintergrund ist sehr hoch“, erläutert Christiane Bey von der Logistik-akademie in Nordrhein-Westfalen. Denn unter den Schulabgängern ohne Hauptschulabschluss sind nach Angaben des Statistischen Bundesamtes überproportional viele Ausländer: 13,8 Prozent der ausländischen Jugendlichen in Deutschland gingen 2009 ohne Abschluss von der Schule ab gegenüber 5,8 Prozent unter den Deutschen. Auch unter den Hauptschülern sind Ausländer überdurchschnittlich stark vertreten. Denn während 19,7 Prozent deutscher Jugendlicher den Hauptschulabschluss machen, sind es unter den ausländischen Jugendlichen insgesamt 38,9 Prozent. Für die Unternehmen bedeutet das: Wer Nachwuchs sucht, kann mit einem babylonischen Sprachengewirr unter den Bewerbern rechnen – wenn es überhaupt welche gibt. „Wir haben viel akquiriert und bekommen jetzt Probleme, das zu leisten“, sagt Bernd Recht, Chef der Recht Transport GmbH in Brühl. „Wenn da weniger Hochqualifizierte auf dem Arbeitsmarkt sind, nehmen Sie eben die Qualifizierten.“ Womit Recht weniger einen guten Schulabschluss meint als die Fähigkeit zu kommunizieren. „Das ist so eine Grundhürde.“ Gibt es da bei ausländischen Mitarbeitern Probleme, wird zur Not mit Kursen nachgeholfen. Zu solchen Maßnahmen hat auch BTG laut Andrea Lorenz gegriffen: „Wenn der Mitarbeiter will, wird ihm auch ein Deutschkurs ermöglicht.“„Man hat ja auch soziale Verantwortung“Auch wer Mitarbeiter mit Fremdsprachenkenntnissen braucht, hat nicht gerade die Qual der Wahl. LKW-Fahrer beispielsweise aus Polen zu bekommen ist nach Erfahrung von Christiane Bey von der Logistikakademie Nordrhein-Westfalen nicht leicht: „Da ist ja nicht nur unsere Branche auf dem Arbeitsmarkt unterwegs, sondern auch andere.“ Und die Hilfe von Agenturen, die in diesem Bereich tätig sind, wird nicht von allen geschätzt. Auch Siegfried Kiefer, Geschäftsführer der Simon Hegele Gesellschaft für Logistik und Service, hat damit erste Erfahrungen gemacht: „Agenturen, die das professionell bieten, können Sie an einer Hand abzählen“, sagt er. Und Andrea Lorenz erinnert sich an einen Fall, in dem eine Mitarbeiterin aus Osteuropa via Agentur zu BTG kam. „Die Dame ist im privaten Bereich ziemlich auf die schiefe Bahn gelangt“, erzählt sie. „Wir würden das also nicht mehr machen. Man hat ja auch eine soziale Verantwortung.“Egal in welchem Bereich eines Speditionsunternehmens – im Alltag wartet die Bewährungsprobe: Da „bekommt ein deutscher Mitarbeiter schon einmal ein Wort eines ausländischen Mitarbeiters in den falschen Hals und umgekehrt“, weiß Lorenz . „Oder man meint, vom Gleichen zu sprechen, tut es aber nicht.“ Aus dieser Mischung ein optimales Team zu gestalten, in dem alle Parteien profitieren, liege folglich für jedes Unternehmen dann die Kunst.Eine Herausforderung, die eine Firma aber unter Umständen mit geeignetem Training besser bewältigen kann: Kornelia Golombek, Geschäftsführerin der BISA Bildungs- und Serviceagentur Düsseldorf GtG e.K, ist zum Beispiel davon überzeugt, dass „die Schulung von Softskills in puncto interkultureller Standards eine Schlüsselqualifikation“ ist. Sie bietet seit über 20 Jahren Kurse in diesem Bereich und lässt „deutsche Führungskräfte ertasten, was es bedeutet, Mitarbeiter aus Polen, der Türkei und der Slowakei zu haben und dies zum Nutzen beider zu gestalten“. Ein Logistikunternehmen in Duisburg ist mittlerweile sogar so weit gegangen, den Mitarbeitern seiner Personalabteilung einen Türkisch-Kurs zu verordnen, um die Kommunikation mit türkischen Mitarbeitern zu verbessern. Karl-Josef Dudenhausen, Niederlassungsleiter von Herbert Flesche, baut dagegen vor. Er setzt den Hebel ganz früh an. „Man darf sich nicht davor sperren, nicht übliche Nationalitäten einzustellen und sich auch mit dem Thema Migranten beschäftigen“, sagt er. Deshalb kooperiert seine Firma mit einer Sonderschule vor Ort, deren Schülern er die Berufe der Logistikbranche schmackhaft macht. Interessenten dürfen ein dreiwöchiges Praktikum bei Flesche machen, wo sie Werkstatt, Lager und LKW kennenlernen. Russisch-Kenntnisse sind gefragtWer sich dort gut macht und weiter Interesse hat, kommt ein Jahr lang einmal die Woche zum Jahrespraktikum – und kann danach eine Ausbildung beginnen. Der polnisch-spanische Junge hat genau diesen Weg durchlaufen. Jetzt will er auf den Fachlageristen vielleicht sogar die Ausbildung zum Berufskraftfahrer draufsatteln. Auch die Geschäftsleitung der BTG-Gruppe ist mittlerweile fündig geworden. Doch die Suche hört nicht auf: „Wir brauchen noch weiter Speditionskaufleute mit Russisch-Kenntnissen“, sagt BTG-Marketing-Chefin Andrea Lorenz. „Am besten mit Berufserfahrung.“ ❙❚■ Florian Beck, freier JournalistSie kommen in Speditionen – langsam, aber gewaltig: Junge Leute mit MigrationshintergrundDemografischer Wandel – was nun?Wege aus dem Fachkräftemangel zeigt die neue VR-SerieVR 41: Folgen des demografischen WandelsVR 43: Gesundheitsmanagement für LKW-FahrerVR 44: Frauen – sind sie der Ausweg aus der Fahrerkrise?VR 45: Das Miteinander verschiedener Kulturen nutzenVR 47: Hauptschüler – besser, als viele Firmen glaubenDemografischer WandelDie bundesweite Nachwuchsinitiative für die Transport- und Logistikbranche„Hallo, Zukunft!“ ist eine Nachwuchsinitiative des Verlags Heinrich Vogel unter der Schirmherrschaft von Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer. Ihr Ziel ist es, den Kontakt zwischen Unternehmen und Schülern zu fördern, die Berufsbilder aus dem Transport- und Logistikbereich bekannt zu machen und deren Image zu verbessern.Die Bausteine von „Hallo, Zukunft!“:www.hallo-zukunft.info: das Weblog„Hallo, Ausbildung!“: der jährlich erscheinende Jugendratgeber„Hallo, Karriere!“: die bundesweite Veranstaltungsreihe agDie Initiative im Netz: www.hallo-zukunft.infoHallo, Zukunft!Demografischer Wandel„Der Teufel steckt im Detail“Warum Karl-Josef Dudenhausen, Niederlassungsleiter von Herbert Flesche, jungen Leuten mit Migrationshintergrund eine Chance gibt.Hat Ihr Speditionsunternehmen schon Deutschkurse oder Kommunikationskurse für Mitarbeiter mit Migrationshintergrund angeboten?Karl-Josef Dudenhausen: Nein, das haben wir noch nicht gemacht.Das liegt aber doch nahe, wenn man den größten Problemen mit ausländischen Mitarbeitern begegnen und die sprachliche Barriere abbauen will.Da steckt der Teufel im Detail. Bei einem Mitarbeiter mit Migrationshintergrund durften wir zurückblickend feststellen, dass das Deutschverständnis in Wort und Schrift uns immer wieder „vorgegaukelt“ wurde.Aus welchem Grund?Aus Angst zu versagen? Aus Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren? Ehrliche Antworten bekommen Sie da nicht. Damit stößt aber die Bereitschaft, ausländische Mitarbeiter oder Mitarbeiter mit Migrationshintergrund ins Unternehmen zu integrieren, an ihre Grenzen. Wie lösen Sie das Problem?Zunächst bleibt festzustellen, dass wir Speditionsunternehmer und keine Psychologen sind und es im Tagesgeschäft immer schwerfallen wird, genau herauszufinden, wo ein Ansatz zu suchen ist. Der betroffene Mitarbeiter muss sich schon ein gutes Stück weit öffnen und die jeweilige Geschäftsleitung ist gefordert, dafür Vertrauen zu schaffen. fbInterviewKarl-Josef Dudenhausen

Demografischer Wandel

Aufkommen im vierten Quartal 2024 im Vergleich zum Vorquartal

Erwartete Preisentwicklung für das kommende halbe Jahr

MEISTGELESEN

Nutzfahrzeughersteller: Volvo Trucks hat 5000 Elektro-Lkw verkauft

Logistik: DB schließt Schenker-Verkauf an DSV ab

Möglicher Ersatzneubau für Carolabrücke

WEITERLESEN

NEWSLETTER