Das Diesel-Dilemma

Die Frage, ob die grüne Logistik das Ende des Diesels darstellt und wie es umweltfreundlich auf der Straße weitergehen kann, ist von enormer Bedeutung. Dies hat auch die große Anzahl an Teilnehmern am gleichnamigen Symposium von BWVL und VerkehrsRundschau am 2. Dezember 2020 gezeigt. Die Politik hatte kurz zuvor mit dem Nutzfahrzeug- sowie dem Autogipfel zwei wichtige Termine durchgeführt, die zu dieser Thematik richtungsweisend sind und eine nähere und kritische Betrachtung erforderlich machen. Unternehmen investieren in Lösungen Auf dem Weg zu effektiverem Klimaschutz hat die Bundesregierung zehn Jahre verloren, indem sie einen globalen Lösungsansatz verfolgt hat. Erst 2019 wurden mit dem Green Deal in der EU eigene Fakten mit Zielvorgaben geschaffen, die es jetzt zu erreichen gilt. Der Druck auf unsere Unternehmen der Transport- und Logistikbranche wächst dadurch enorm. Seit Langem stehen sich Politik und Fahrzeughersteller gegenüber mit der Frage, welche Technologie(n) die ökologisch sinnvollen sei(en) - ohne belastbares Ergebnis. Für die Unternehmen aus Industrie und Handel ist die Reduzierung der CO2-Belastung längst primäres Interesse, das nicht nur der Herstellung eines oberflächlichen grünen Images dient. Umweltfreundlicher Handel und Produktion sind Wettbewerbsfaktoren, die für die Investitionen der Unternehmen eine große Rolle spielen. Diese Erkenntnis liegt auch dem "Gesamtkonzept klimafreundliche Nutzfahrzeuge" der Bundesregierung zugrunde. Zwar werden darin neben den (Nutz-)Fahrzeugherstellern und den Infrastrukturanbietern (Energieversorgern) auch die Unternehmen der Logistik- und Transportbranche einbezogen, jedoch sollte aus Sicht des BWVL nicht vergessen werden, dass die Wahl der künftigen Antriebstechnologie in erster Linie eine Markt- und Geschäftsfeldentwicklung für die Hersteller von Fahrzeugen darstellt. Denn nach über 100 Jahren Erfolgsgeschichte des Diesels soll dieses Produkt nun weichen. Bislang gab es den Dieselantrieb, egal von welchem Hersteller, für sämtliche Einsatzprofile. Der Diesel geht im Rahmen seines Produktzyklus' nunmehr aus seiner Phase der Marktsättigung in die Verfallphase über. Parallel dazu entwickelt sich die Einführungsphase für das Nachfolgeprodukt. Hier aber liegt das Problem: Es gehen mehrere Nachfolgeprodukte ins Rennen. Anders aber als bei einer kundenorientierten Produktentwicklung sind bei der Frage nach der richtigen Fahrzeugtechnologie nicht die Nutzer, sondern die politisch festgesetzten Rahmenbedingungen ausschlaggebend. So kommt es, dass das "Gesamtkonzept umweltfreundliche Nutzfahrzeuge" weiterhin - auch noch 2023 zum Zeitpunkt der sogenannten Pfadentscheidungen - auf Technologieoffenheit setzt. Diesem Wort liegt ein gewisser Zauber inne, signalisiert es doch eine Zukunftsorientierung. Aus heutiger Anwendersicht heißt das aber nichts anderes als "schaun wir mal!" - für längerfristige Investitionen eine suboptimale Entscheidungsgrundlage! Neben der Frage nach der richtigen Technologie stellt sich auch die der Finanzierung. Bis 2023 stellt der Staat für die Förderung von Nutzfahrzeugen mit alternativen Antrieben rund 1,16 Milliarden Euro und für den Ausbau der Tank-, Lade- und Oberleitungsinfrastruktur (Pkw und Nutzfahrzeuge) rund 4,1 Milliarden Euro zur Verfügung - das ist sehr viel Geld und die Bereitschaft zur Unterstützung ist deutlich erkennbar. Gleichwohl fragen sich auch hier die Mitgliedsunternehmen des BWVL, warum bis Ende 2022 zwar eine Mautbefreiung für Gas-Lkw in nationales Recht umgesetzt wurde, aber für die Fortsetzung der seit 2018 bestehenden Kaufpreisförderung keine verlässliche Aussage vorliegt. Technologieoffen erscheint das nicht wirklich, insbesondere wenn diese sogenannten Brückentechnologien auf dem Weg zu den Klimaschutzzielen als erforderlich angesehen werden. Das jedenfalls sagte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) bei der Vorstellung des Gesamtkonzepts. In dem Papier steht dazu bislang nichts. Die Signale scheinen auch an anderer Stelle nicht eindeutig. Während der Diesel im "Gesamtkonzept klimafreundliche Nutzfahrzeuge" als Option für die Zukunft keine Rolle spielt, auch nicht durch Einführung einer Euro-7-Abgasnorm, hört sich das im Rahmen des Flottenerneuerungsprogramms der Bundesregierung anders an. Danach soll neben der Anschaffung von Lkw mit Elektro- und Wasserstoffantrieb auch die Anschaffung von fabrikneuen Lkw mit konventionellen (Diesel-)Antrieben gefördert werden, die die Anforderungen der aktuellen Abgasstufe Euro VI erfüllen und zusätzlich bestimmte Umweltvorteile aufweisen (z.B. niedrige CO2-Emissionen), falls gleichzeitig ein alter Lkw der Abgasstufen Euro III, IV oder V verschrottet wird. Beide Aussagen trennen gerade einmal eine Woche. Hier bleibt der "Diesel als alternativer Antrieb" salonfähig, also als ein Antriebskonzept, das mit der neuen CO2-orientierten Mautberechnung ab 2023 durch eine höhere Mautbelastung gegenüber anderen Antriebsarten unattraktiv gemacht werden soll. Investitionssicherheit fehlt Die Schlüsselfrage ist, wie die (Gipfel-)Erkenntnisse in praktisches Handeln umgesetzt werden können, planungs- und investitionssicher - auf die üppige Verteilung von Fördergeldern kommt es aus Nutzersicht nicht vorrangig an. Im Sog des Strukturwandels der deutschen Automobilindustrie ist die deutsche Transport- und Logistikbranche jedenfalls unmittelbar von der Neuausrichtung des Fahrzeugmarktes betroffen. Je weiter der Blick dabei in die Zukunft gerichtet wird, desto eindeutiger werden die Aussagen der Hersteller und politischen Entscheider - ein Paradoxon. Die zeitnahe und damit bessere Orientierung wäre für die Nutzer viel wichtiger. Seinen Mitgliedsunternehmen empfiehlt der BWVL, die Entwicklung der Rahmenbedingungen für den Einsatz der unterschiedlichen Technologiearten vorsichtig zu beobachten. Die Roll-out-Phasen für die Fahrzeuge mit den klimafreundlichen Antriebstechnologien beginnen laut Gesamtkonzept der Bundesregierung, Stand heute, überwiegend im Jahr 2024 - die Veränderungen zulasten des Diesels erfolgen früher! ImpressumBWVL-Forum, eine Information des Bundesverbandes Wirtschaft,Verkehr und Logistik e.V., Lengsdorfer Hauptstraße 75, 53127 Bonn, Telefon 0228/92535-0, Fax 0228/9253545, www.bwvl.de, E-Mail: Info@bwvl.de, Schriftleitung: Hauptgeschäftsführer Markus Olligschläger (verantwortlich), Verlag: Springer Fachmedien München GmbH, Aschauer Straße 30, 81549 München

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