Containerstau in den Terminals

Die vielen Containerwände schmiegen sich eng aneinander, da passt kaum ein Mensch dazwischen. Ein mehrere Meter hohes Labyrinth von Tausenden Metallboxen haben die Containerbrücken in den Hamburger und Bremerhavener Terminals aufgeschichtet. Die Häfen platzen aus allen Nähten. Mit der Folge, dass Stellflächen immer weniger werden und die Terminalbetreiber mittlerweile außerhalb ihres Terminalgeländes Flächen dafür anmieten müssen. Sonst laufen sie Gefahr, dass sie an der Containerflut ersticken und nichts mehr geht. Für die Terminalbetreiber ist das einerseits ein Problem: Denn je mehr Boxen sie in den Containerreihen unterbringen müssen, desto komplizierter ist das Handling. An die Kisten, die ganz unten stehen, kommen die Van-Carrier schwierig heran. Damit verbunden sind zusätzliche Kosten in Form neuer Umschläge. Und für jeden Umschlag wird Energie benötigt, die immer teurer wird. Profite steigen mit Lagergelderlösen Vordergründig ist das keine angenehme Situation. Aber dennoch allemal besser, als wenn zahlreiche Plätze für die Containerreihen leer bleiben. Zumal die Terminalbetreiber sich das Abstellen der Container mit einem durchaus beachtlichen Lagergeld und einer zusätzlichen "Surcharge" entlohnen lassen. Zumindest die HHLA mit ihren Terminals verdient an dieser Abstellung ganz gut. Der Terminalbetreiber mit Sitz in Hamburg konnte die Umsätze im Segment "Container" im ersten Halbjahr 2022 deutlich um 8,4 Prozent auf 438,8 Millionen (Mio.) Euro steigern. Die HHLA macht keinen Hehl zur Ursache: "Grund hierfür war im Wesentlichen der starke Anstieg der Lagergelderlöse an den Containerterminals in Hamburg, Tallinn und Triest, der insbesondere auf die längere Verweildauer von Containern als Folge von Rückstaus in der Lieferkette zurückzuführen ist", teilt das Unternehmen mit. Im Hafen ist von 50 Euro pro Container pro Tag die Rede, die die HHLA verlangt. Zum guten Ergebnis der HHLA dürfte auch das Plus beim Containerumschlag in den drei Hamburger Terminals beigesteuert haben: Im ersten Halbjahr 2022 gingen dort 3,167 Mio. TEU (20-Fuß-Container) über die Kaikanten: 3,1 Prozent mehr im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. In Summe stieg im Hamburg das Container-Umschlagsvolumen laut Zahlen von Hafen Hamburg Marketing in den ersten sechs Monaten 2022 um 0,9 Prozent. Eine solch positive Entwicklung kann kein anderer Seehafen an der Nordsee aufweisen. In Bremerhaven wurden im ersten Halbjahr 2022 2,4 Mio. TEU umgeschlagen (siehe Tabelle Seite 26). Das waren 7,3 Prozent weniger als im Vorjahreshalbjahr. Wilhelmshaven hat noch keine Halbjahreszahlen veröffentlicht. Minus in Antwerpen und Rotterdam In Antwerpen/Brügge (zu Jahresbeginn haben die beiden Häfen fusioniert) und Rotterdam sind die Zahlen im ersten Halbjahr 2022 ebenfalls rückläufig: Rotterdam verzeichnet bei den umgeschlagenen TEUs ein Minus von 4,4 Prozent. In Antwerpen/Brügge brach der Umschlag sogar um 6,8 Prozent ein. Als Gründe dafür nennen die beiden in Europa führenden Seehäfen die weltweit gestörte Containerlinienschifffahrt, die damit verbundenen Verspätungen, ein hohes Aufkommen an Importfracht sowie der Krieg in der Ukraine und die Sanktionen gegen Russland. Alleine Antwerpen/Brügge verzeichnet im Verkehr mit Russland ein Minus von 39 Prozent. "Der Containertransport von und nach Russland kam zum Erliegen", heißt es aber auch aus Rotterdam. Dort hat man festgestellt, dass die Reedereien wenn möglich auf kleinere Seehäfen ausweichen, da in den größeren Seehäfen die Terminals stärker belastet seien und die Abfertigung dort länger dauere. Somit steht Hamburg als einziger der großen Nordseehäfen mit einem nennenswerten Plus im Containerumschlag da. Mit der HHLA und Eurogate gibt es dort zwei Terminalbetreiber. Während Eurogate keine Halbjahreszahlen verkündet, teilt die HHLA mit, dass die positive Entwicklung in Hamburg im Wesentlichen von einem Anstieg im Fahrtgebiet Fernost - insbesondere China - getragen wurde. Auch wurde eine Zunahme der Feederdienste registriert. 16 Tage Verspätung von und nach China Allen Seehäfen machen die Störungen in der Linienschifffahrt zu schaffen. So vermeldete der Branchendienst Alphaliner letzte Woche, dass die Schiffe auf dem Rundtrip zwischen China und Nordeuropa durchschnittlich 16 Tage Verspätung hatten. Im Mai waren es noch 20 Tage gewesen. Es ist also eine Besserung eingetreten, aber bei einer durchschnittlichen Dauer von aktuell 97 Tagen für eine Rundreise sind 16 Tage Verspätung immer noch viel. Hinzu kommt: Die Schiffe werden immer größer. Die Containerbrücken können seeseitig die Schiffe womöglich noch beund entladen. Aber es fehlt an Abstellmöglichkeiten. Und die Kapazitäten im Hinterland (Infrastruktur wie auch Frachtraum, bei Bahn wie Lkw) sind nicht annähernd in dem Tempo mitgewachsen. Je nach Anbindung der Seehäfen sind damit unterschiedliche Folgen für die Hinterlandanbindungen verbunden. Hamburg und Bremerhaven setzen traditionell auf die Bahn und den Lkw. So entfallen in Hamburg von 5,4 Mio. TEU im Hinterland (Daten für 2021) 2,8 Mio. TEU oder 51,9 Prozent auf die Bahn. Der Lkw befördert 2,5 Millionen TEU oder 46,3 Prozent. Für die restlichen 1,8 Prozent ist die Binnenschifffahrt verantwortlich. Angesichts der ehrgeizigen Vorgaben in Deutschland für den Sektor Verkehr, den CO2-Ausstoß zu verringern, lautet in Hamburg die Maßgabe, im Hinterlandverkehr so viel Boxen wie möglich auf die Bahn zu verlagern. Das klappt ganz offensichtlich auch: Denn die HHLA vermeldet für ihr Segment Intermodal für das erste Halbjahr 2022, dass 709.000 TEU per Bahn befördert wurden - ein Plus von 4,6 Prozent. Bei den Straßentransporten hingegen gab es einen starken Rückgang um 8,2 Prozent auf 142.000 TEU. Allerdings ist die HHLA im Hinterland von Hamburg nur ein Player von vielen. Gerade im Markt der Containertrucker gibt es viele kleine Anbieter, die in Summe durchaus stärker zugelegt haben könnten, als die HHLA auf der Straße verloren hat. Auch Bremerhaven setzt auf die Schiene In Bremerhaven ist der Modal Split ähnlich wie in Hamburg. Von den 2,3 Mio. TEU im Hinterland (Daten für 2021) entfallen jeweils 47,8 Prozent auf die Bahn und den Lkw und der Rest auf das Binnenschiff. Für 2030 wird ein höherer Bahnanteil angestrebt, der aber relativ moderat ist und damit auch realistisch erscheint: Die Bahn soll "mindestens 50 Prozent" der Container im Hinterland transportieren. Der Anteil des Lkw sinkt leicht auf 46 Prozent und die Binnenschifffahrt bleibt bei ihren vier Prozent. Um dieses Ziel zu erreichen, muss der Hafen aber auch die Rahmenbedingungen für die Schiene verbessern. Dazu gibt es verschiedene Planungen: So sollen auf dem Hafengelände ein neues KV-Terminal entstehen und in Speckenbüttel eine Vorstellgruppe. Doch mehr Umschläge bedeutet auch mehr Güterzüge auf den Zulaufstrecken. Deshalb wird der Ausbau der Hinterlandanbindung durch ein drittes Gleis zwischen Bremerhaven und Bremen Nord angestrebt. Aber auch für den Straßengüterverkehr sind Verbesserungen angestrebt wie der Bremerhavener Hafentunnel. Der soll eine bessere Anbindung an den Hafen ermöglichen. Ursprünglich sollte der Tunnel schon lange fertiggestellt sein. Jetzt ist die Freigabe für Mitte 2023 geplant. Freie Kapazitäten im Jade-Weser-Port Im Jade-Weser-Port (JWP) in Wilhelmshaven war das Thema "Kapazitätsengpass" lange ein Fremdwort. Seeseitig auf jeden Fall, denn es handelt sich um Deutschlands einzigen Tiefwasser-Seehafen mit einem Schifftiefgang von 18 Metern. Anders als in Hamburg oder Bremerhaven gibt es für die großen Containerriesen keinerlei Beschränkungen bei der Erreichbarkeit des JWP. Auf dem 360 Hektar großen Hafengelände ist auch genügend Platz, um Container abzustellen. Das dortige Containerterminal wird von Eurogate betrieben. Zudem hatte die Reederei Hapag-Lloyd im Mai angekündigt, sich mit 30 Prozent an dem Terminal im JWP beteiligen zu wollen. Spekuliert wird, dass mit einer Beteiligung von Hapag-Lloyd auch neue Dienste Wilhelmshaven anlaufen könnten. Kapazitäten dafür gibt es im Terminal, denn die jährliche Umschlagkapazität von 2,7 Mio. TEU wird derzeit nur zu einem Viertel ausgelastet. Lkw stauen sich auch in Wilhelmshaven Aber: Schon im Jahr 2021 ist der Containerumschlag kräftig um 68 Prozent in die Höhe geschossen. Mit dem deutlich gestiegenen Aufkommen ist der Personalstand im Hafen nicht mitgewachsen, ist aus Kreisen der Containertrucker zu hören. Die Folge: Seit Februar müssen auch die Lkw in Wilhelmshaven drei, manchmal vier Stunden und länger auf die Abfertigung warten, so die Aussage der Fahrer. Im JWP dominiert im Hinterland die Straße. 56,6 Prozent der angelieferten oder abgeholten Container landeten im Jahr 2021 auf dem Lkw. Aber auch dort versucht man, mehr Container auf die Bahn zu setzen. "Mit der Ende 2022 fertiggestellten Elektrifizierung der Strecke Oldenburg - Wilhelmshaven wird das größte Wachstum für den Verkehrsträger Schiene erwartet", teilt der JWP auf Anfrage mit. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, wird von den deutschen Seehäfen immer wieder gefordert, stärker miteinander zu arbeiten und sich auch gesellschaftlich zu verflechten. Doch jüngst geführte Fusionsgespräche zwischen der HHLA und Eurogate wurden wieder auf Eis gelegt. Als wichtige Konkurrenten zu den deutschen Nordseehäfen gelten Rotterdam und Antwerpen. Antwerpen hat zu Jahresbeginn die Fusion mit dem Hafen Zeebrügge vollzogen und so seine Position gestärkt - auch wenn damit nicht verhindert werden konnte, dass das Containeraufkommen im ersten Halbjahr um 6,8 Prozent gesunken ist. Ein wichtiges Ziel in Antwerpen/Zeebrügge ist die Erhöhung des Modal Splits der Bahn. Der liegt derzeit bei sieben Prozent und bis 2030 soll er sich auf 15 Prozent verdoppeln. Auch der Anteil der Binnenschifffahrt soll bis dahin von 36 auf 42 Prozent steigen - zulasten des Lkw, der von 57 auf 43 Prozent abrutscht. Dieser Rückgang wird auch deshalb aus Sicht der Hafenverwaltung unausweichlich sein, weil es einen Lkw-Fahrermangel gibt. Zusammen mit dem Mangel an Hafenarbeitern sei das der größte Flaschenhals in den Seehäfen, teilt der Hafen Antwerpen/Brügge mit. Aktuell arbeiten die Container-Terminals an der Kapazitätsgrenze. In Belgien geht man davon aus, dass der Höhepunkt der Krise erreicht ist. Aber es werde sich noch bis 2023 hinziehen, bis sich die Lage wieder entspanne, so die Prognose. In Rotterdam beobachtet man mit Sorge, dass pro Schiffseinlauf mehr Container geladen und gelöscht werden. Das Volumen ist im ersten Halbjahr um 6,1 Prozent pro Einlauf gestiegen. "Das führt zu einer Spitzenbelastung der Terminals, an denen bereits Hochbetrieb herrscht", heißt es aus Rotterdam. Mehr zum Thema finden Sie unter #SeefrachtHaefen www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Wohin mit all den Containern? Das fragen sich derzeit vor allem die Container-Terminalbetreiber in den Nordseehäfen. Viele Boxen verbleiben außergewöhnlich lange in den Seehäfen. Das erschwert das Handling im Hafen. Ein Ende dieser unerfreulichen Lage ist frühestens 2023 zu erwarten.

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