Brüssels Pläne für den Güterverkehr

Pünktlich am ersten Juli hat Tschechien die EU-Ratspräsidentschaft von Frankreich für die zweite Jahreshälfte übernommen. Der tschechische Verkehrsminister Martin Kupka stellte im Verkehrsausschuss (Tran) des Europaparlaments folgende Themen als Schwerpunkte der Tschechen im Bereich Gütertransport vor: Maßnahmen, um den CO2-Ausstoß zu verringern; Förderung des Schienengüterverkehrs; Aufbau einer Lade- und Tankinfrastruktur für alternative Treibstoffe; intelligente Verkehrssysteme; Überarbeitung des Transeuropäischen Kernnetzwerks (TEN-V). Entscheidung über Tankinfrastruktur Alles keine Überraschung. Denn alle Themen sind bei der EU bereits in Arbeit. Der Vorteil: Damit steigen die Chancen, dass Fortschritte erzielt werden. Monatelange Blockaden im EU-Rat, dem Gremium der EU-Mitgliedstaaten oder bei den oft entscheidenden Trilog-Verhandlungen zwischen EU-Rat, -Parlament und -Kommission werden weniger wahrscheinlich. Los geht es nach der Sommerpause im September mit dem Thema Infrastruktur für alternative Kraftstoffe. Hier hat der EU-Rat im Juni seine Position gefunden. Die Abstimmung im Parlament ist für Oktober geplant. "Angesichts des de facto Verbrennerverbots ab 2035 erhält die Verordnung nochmals größere Bedeutung", unterstreicht der Europa-Abgeordnete und Tran-Mitglied Markus Ferber (CSU) die Wichtigkeit dieser Abstimmung. Ebenfalls im September sollen die Trilog-Verhandlungen zu neuen CO2-Grenzwerten für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge starten. Neue CO2-Normen für schwere Lkw werden von der EU-Kommission derzeit vorbereitet. Sie könnten laut Ferber zum Jahresende veröffentlicht werden. Er warnt vor "unverhältnismäßigen Verschärfungen", die die Logistikbranche vor "erhebliche Schwierigkeiten" stellen könnten. Auch beim europäischen Dachverband für Spedition und Logistik Clecat befürchtet Geschäftsführerin Nicolette van der Jagt Übereifer beim Thema CO2. "Clecat ist der Meinung, dass flexible Mechanismen bessere Anreize für die Anschaffung von Fahrzeugen mit wenig oder gar keinem CO2 liefern, als Vorschriften, die der Wettbewerbsfähigkeit des Transport- und Logistiksektors schaden", sagt sie. Ähnlich sind die Vorbehalte gegenüber der neuen Abgasnorm Euro 7, zu der die EU-Kommission sehr wahrscheinlich im Oktober ihre Vorstellungen präsentieren wird. "Der Vorschlag ist Teil des "Fit for 55"-Pakets, und in der neuen Abgasnorm werden vermutlich weitere Abgase reglementiert und strengere Werte gesetzt", erklärt Ferber. Bis Ende des Jahres will die EU-Kommission als Reaktion auf den Lkw-Fahrermangel eine Überarbeitung der EU-Führerscheinrichtlinie vorlegen. Clecat begrüßt das außerordentlich. Der Fahrermangel sei "ein großes Problem", und es sei wichtig, Verbesserungen beim Führerscheinerwerb zu machen und auch "mehr Frauen und junge Menschen für den Beruf zu gewinnen", so Clecat-Geschäftsführerin van der Jagt. Neue Maße und Gewichte für Lkw? Aus Sicht des Kombinierten Verkehrs (KV) stehen die Entscheidungen zum TEN-V im Zentrum des Interesses. Denn TEN-V beinhalte ja auch KV-Strecken, erinnert Akos Ersek vom europäischen KV-Dachverband UIRR. Und dann wirft bereits jetzt das "Greening Freight"-Paket seine Schatten voraus. Die Vorhaben der EU-Kommission befinden sich in Vorbereitung. Ferber erwartet die Vorschläge für Ende 2022/Anfang 2023, Ersek für März oder April. Das Paket soll sowohl eine neue Version der KV-Richtlinie enthalten - 2018 war eine Neuerung gescheitert - als auch neue Vorgaben für Maße und Gewichte von Lkw. Das könnte Einsatzmöglichkeiten für den Lang-Lkw betreffen und auch die grundsätzliche Erhöhung der Maximalmaße und -gewichte für Lkw in der EU. Außerdem sollen Güterzugkorridore verbessert und Systeme zur Messung von Emissionen für die verschiedenen Gütertransportträger vorgeschlagen werden. Neben diesen Gesetzesvorbereitungen beobachtet die EU-Kommission die Umsetzung der neu geltenden Regeln aus dem Mobilitätspaket. Gegen mehrere EU-Staaten laufen Mahnverfahren, weil sie die Regeln noch nicht in nationales Recht umgesetzt haben oder in der Praxis nicht (richtig) anwenden. EU-Verkehrspolitik in der zweiten Hälfte 2022 auf einen Blick (Aufstellung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit) Zeit Thema Betroffene EU-Einrichtungen geplant ab September Neue CO₂-Flottengrenzwerte (Pkw und leichte Nutzfahrzeuge (Nfz)) Trilog-Verhandlungen EU-Parlament, -Rat, -Kommission (letzte Etappe vor Verabschiedung) Ab September Infrastruktur für alternative Krafstoffe EU-Parlament, danach Verhandlungen mit EU-Rat Oktober Intelligente Straßenverkehrssysteme Abstimmung EU-Parlament, danach Verhandlungen mit EU-Rat 12. Oktober 2022 Abgasnorm 7 (Teil von Fit for 55) Vorschlag EU-Kommission Ende November 2022 Überprüfung CO₂-Emissionsnormen für schwere Nfz Vorschlag EU-Kommission bis Dezember 2022 Überarbeitung Führerscheinrichtlinie für Lkw-Fahrer Vorschlag EU-Kommission Komplette Jahreshälfte Laufende Mahnverfahren gegen Mitgliedstaaten zur Einhaltung der Vorschriften aus dem 4. Mobilitätspaket EU-Kommission Anfang 2023 TEN-V-Neuerungen Verabschiedung (wenn zügiges Vorankommen 2022) März/April 2023 "Greening Freight"-Paket mit erwarteten Neuerungen für: Kombinierten Verkehr Maße und Gewichte Lkw Güterzugkorridore Emissionsmessung im Gütertransport Vorschlag EU-Kommission Quelle der Daten: Kay Wagner (mit Unterstützung von Büro Ferber, Clecat, UIRR) Mehr zum Thema unter #VerkehrspolitikEuropa www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze In Brüssel werden Entscheidungen mit großer Tragweite für die Güterverkehrsbranche in Deutschland und Europa getroffen. Man denke nur an das EU-Mobilitätspaket. Daher ist es spannend, zu wissen, welche Themen neben der Vermeidung des CO2-Ausstoßes auf der Tagesordnung der EU im zweiten Halbjahr stehen.

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