Bericht aus Brüssel

Bericht aus Brüssel Punktsieg für DB und Co. Das Europaparlament hat über das vierte Eisenbahnpaket abgestimmt. Zuspruch gab es für den Vorschlag, die technischen Anforderungen für Züge in Europa zu vereinheitlichen. Zu strenge Vorschriften für Konzernstrukturen lehnten die Abgeordneten ab. Sie wollen keine stärkere Trennung von Infrastrukturbetreiber und Eisenbahnunternehmen: Ein wenig überrascht dieses Votum der Europaabgeordneten auf ihrer Plenartagung in Straßburg. Hatte doch der Verkehrsausschuss des Parlaments die ähnlich strikte Trennung verabschiedet, wie sie ursprünglich von der EU-Kommission vorgeschlagen wurde. Diese will eine „chinesische Mauer“ zwischen den Unternehmensteilen Infrastruktur und Betrieb errichten, wenn beide innerhalb einer einzigen Holding-Struktur verbleiben, wie das bei der Deutschen Bahn (DB) der Fall ist. Nur von einer klaren Trennung verspricht sich EU-Verkehrskommissar Siim Kallas echten Wettbewerb im Bahnsektor. Offene oder versteckte Vorteile für das Eisenbahnunternehmen, das unter dem Dach einer Holding mit dem Infrastrukturbetreiber verbunden ist, soll es nicht mehr geben. Dazu gehört die Quersubventionierung des Betriebs durch Einnahmen aus dem Netz, wie sie der DB und anderen ehemaligen Monopolisten vorgeworfen wird. Die Mehrheit der EU-Abgeordneten sieht das anders. „Die Kommission muss sich nicht in die Organisation eines Unternehmens einmischen“, sagte der SPD-Abgeordnete Ismail Ertug vor der Abstimmung. Die Kommission habe keine Folgenabschätzung gemacht, um zu zeigen, dass durch die Trennung die Bahn tatsächlicher besser funktioniere. „Ist die Trennung notwendig für unser Ziel, die Eisenbahn leistungsfähiger zu machen?“, fragte Markus Ferber (CSU) und schlug damit in die gleiche Kerbe. „Wir sind strikt gegen die Trennung“, sagte die Linke Sabine Wils. Lobbyarbeit war offenbar erfolgreich „Das Abstimmungsergebnis dient nur dem Vorteil der Großen auf dem Markt“, sagte hingegen nach dem Votum der Berichterstatter für diesen Gesetzesvorschlag, der belgische Sozialdemokrat Saïd El Khadraoui. „Wir müssen uns sicher zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal mit diesem Thema auseinandersetzen“, fügte er hinzu. Dazu wird es auf jeden Fall kommen. Denn die Parlaments-Abstimmungen zum vierten Eisenbahnpaket waren noch nicht abschließend. Noch müssen die Standpunkte mit den EU-Mitgliedsländern im Rat abgeglichen werden. Dort hat man sich mit dem politischen Teil des Pakets, also auch mit der Frage nach der Trennung von Struktur und Betrieb, noch gar nicht beschäftigt. Beim Europäischen Eisenbahnverband CER feiert man derweil den Etappensieg. Dabei versucht CER-Präsident Christian Kern auch gar nicht, die massiven Lobby-Bemühungen seines Verbandes zu verbergen: „Ich bin sehr froh, zu sehen, dass der intensive Dialog zwischen den Abgeordneten und CER zu einem vernünftigen Ergebnis geführt hat“, so Kern in einer Mitteilung. „Eine große Mehrheit der Abgeordneten hat sich für Regelungen ausgesprochen, die den Mitgliedstaaten den notwendigen Spielraum lassen, um Bahnunternehmen auch künftig effizient zu strukturieren“, kommentiert ihrerseits DB. Bei der Kommission hingegen sitzt die Enttäuschung tief. In der Pressemitteilung zu dem Parlamentsbeschluss heißt es: „Auch kann die Europäische Kommission ihre Vorschläge ändern oder zurückziehen, bevor die EU-Staaten sich im Rat auf eine gemeinsame Position einigen.“ Was fast so klingt, als ob Kallas vor dem Einfluss von DB und Co. kapitulieren wolle. ❙❚■ Kay Wagner, VR-Korrespondent in Brüssel Viertes Eisenbahnpaket Am 30. Januar 2013 hat die Europäische Kommission das vierte Eisenbahnpaket vorgelegt. Das Paket umfasst Vorschläge für drei Richtlinien und drei Verordnungen. Ziel der Kommission ist es, den gesamten Schienenpersonenverkehr in den Mitgliedstaaten ab Dezember 2019 zu liberalisieren. Dazu soll das vierte Eisenbahnpaket unter anderem den Zugang aller Anbieter zu den Netzen vorschreiben. Vorgesehen ist ferner die Zentralisierung von Genehmigungsverfahren und Sicherheitsbestimmungen bei der Europäischen Eisenbahnagentur. Der Zugang zu Serviceleistungen wie beispielsweise Wartung, Vertrieb, Fahrgastinformationssystemen oder Güterumschlagterminals soll Wettbewerbern erleichtert werden. Folgende Themen sollen geregelt werden: Trennung Netz und Betrieb Marktöffnung Personenverkehr Sicherheitsbestimmungen Interoperabilität Konten der Bahnunternehmen Gestaltung der Eisenbahnagentur ERA