Bericht aus Berlin: Neuer Schwerpunkt

Die Ära der CSU im Bundesverkehrsministerium ist mit dem Amtsantritt der neuen Bundesregierung aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der FDP vorbei. Zwölf Jahre bestimmte die CSU mit einem Minister aus ihren Reihen die Verkehrspolitik. Am 8. Dezember erfolgte die Übergabe zwischen dem Neuen, Volker Wissing (FDP), und dem Ex, Andreas Scheuer (CSU). Was wird sich ändern, fragen sich viele Unternehmer aus der Transport- und Logistikbranche. So richtig viel hat man von Wissing in den ersten Tagen seiner Amtszeit nicht gehört. Im Vergleich zu vielen seiner neuen Ministerkollegen, die sich im Ausland vorstellten oder zumindest das eine oder andere Interview gaben, hielt sich Wissing merklich zurück. Womöglich haben diese Funkstille auch seine Kommunikationsexperten wahrgenommen und zur Abhilfe ein kleines Video mit drei Fragen an Wissing auf die Homepage des Ministeriums gestellt. Aus Sicht des Transport- und Logistikgewerbes war jedoch wenig Erhellendes dabei - und trotzdem war das Wenige aufschlussreich. Zuerst digital, dann Verkehr Denn eines ist offensichtlich: Die Schwerpunkte im Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV), wie das Wissing-Haus sich ab sofort bezeichnet, verschieben sich. "Digitales" steht an erster Stelle, vor "Verkehr". Und das könnte nicht nur beim Namen des Ministeriums so sein, wie der Minister erläuterte: "Wir wollen damit deutlich machen, dass wir das Thema Digitalisierung sehr ernst nehmen und es nicht als Anhang, sondern als eine vorrangige Aufgabe verstehen." Nun muss und wird deshalb der Verkehr nicht komplett herunterfallen. Aber Wissing wird sich dem Thema "Digitalisierung" sicher stärker widmen als seine Vorgänger. Zwar geht er in dem kurzen Video auch knapp auf die Mobilität ein. Aber dann doch im Sinne des Personenverkehrs, nämlich "das bezahlbare Mobilität auch ein sozialpolitischer Auftrag" sei. Bedeutsam für die Transport- und Logistikbranche sind die Aussagen Wissings zum Klimaschutz. "Die Klimaneutralität ist zugesagt und international vereinbart. Wir haben keine Sekunde Zeit zu verlieren, sie jetzt auch umzusetzen", macht er unmissverständlich klar, dass er auch als FDP-Politiker dieses Ziel nicht aus den Augen verlieren wird. Aber seine Aussage zu einer "bezahlbaren Mobilität" sollte auch für den Güterverkehr gelten, soll heißen: Auf dem Weg zur Klimaneutralität sollte es für die Transportdienstleister entsprechende Unterstützung geben. Ehrgeizige Ziele für die Güterbahnen Über diese Aussagen Wissings hinaus lässt sich natürlich auch einiges aus dem Koalitionsvertrag lesen, wohin im Güterverkehr die Reise gehen soll (siehe auch Kommentar Seite 14). Im Abschnitt zur Mobilität nimmt die Förderung der Bahn eine wichtige Rolle ein. Der Anteil des Schienengüterverkehrs am Modal Split soll bis 2030 auf 25 Prozent erhöht werden (2020: 17,9 Prozent). Erreichen will die neue Regierung dieses ehrgeizige Ziel unter anderem dadurch, indem die Kranbarkeit von Sattelaufliegern vorangetrieben, bei neuen Gewerbegebieten die Schienenanbindung verpflichtend geprüft und der Zu- und Ablauf im Kombinierten Verkehr bis maximal 50 Kilometer von der Lkw-Maut befreit wird. Mehr zum Thema finden Sie unter #Verkehrspolitik www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Volker Wissing von der FDP ist der neue Bundesverkehrsminister. Anders als bei seinen Vorgängern wird das Thema "Digitales" eine deutlich wichtigere Rolle spielen. Und er steht vor der schwierigen Aufgabe, die CO2-Emissionen auch im Güterverkehr drastisch zu verringern. Statement Markus Olligschläger, Hauptgeschäftsführer des Bundeverbands Wirtschaft, Verkehr und Logistik (BWVL) Schwierige Prognose Der Koalitionsvertrag bietet aus Sicht der BWVL-Mitgliedsunternehmen aus Industrie und Handel ein Potpourri aus konkret-positiven, aber auch vagen Maßnahmen. Die Ankündigung, die Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur weiter zu erhöhen, erscheint zunächst richtig. "Erheblich mehr" Geld in die Schiene als in die Straße zu investieren, darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine Verkehrsverlagerung mit Geld alleine kaum erreicht werden kann. Was genau "erheblich mehr" bedeutet, bleibt offen und darf nicht dazu führen, dass die Investitionsdifferenz zwischen den beiden Verkehrsträgern zulasten der Straße geht, wenn allein 3000 Autobahnbrücken einen nicht ausreichenden und ungenügenden Zustand aufweisen. Siehe die aktuelle Sperrung der Brücke Rahmede auf der BAB 45. Mit der Ankündigung, die Mehreinnahmen aus der CO2-Abgabe, CO2-Mautbestandteil und erweiterter Maut ab 3,5 t zGG in die Mobilität fließen zu lassen, scheint das Prinzip "Straße finanziert (ausschließlich) Straße" der Vergangenheit anzugehören. Dabei ist die Ausweitung der Maut und der Ausschluss einer Doppelbelastung durch CO2-Maut und -Abgabe richtig im Sinne eines fairen (europäischen) Wettbewerbs. Es wird in jedem Fall zu erheblichen Kosten-steigerungen kommen, da auch noch Mehrkosten für die Umstellung auf alternative Antriebstechnologien zu stemmen sind. Hier ziehen erste dunkle Wolken am Planungshorizont der Logistikunternehmen auf, die zu massiven Veränderungen führen könnten. Wie immer kommt es auf die Ausgestaltung der angekündigten Maßnahmen an, die viel Gestaltungsspielraum und damit Hoffnung auf das erforderliche Augenmaß - gerne mit Unterstützung des BWVL - bieten. Es gilt, dass sich am Ende beide schaden: der, der zu viel verspricht, und der, der zu viel erwartet. Mehr unter: www.bwvl.de

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