Bericht aus Berlin

Bericht aus BerlinDer Bund bremst die Maut-Kläger ausWeil es die EU verlangt, muss die schwarz-gelbe Koalition das Bundesfernstraßenmautgesetz anpassen. Die Regierung will diese Gelegenheit nutzen, um einige Punkte klarzustellen und die Klagewelle einzudämmen.Peter Ramsauer macht die Schotten dicht. Um zu verhindern, dass weitere Unternehmer dem Beispiel des Selbstfahrers Günter Obst folgen, will die schwarz-gelbe Regierung mithilfe des Bundesverkehrsministers die Rechtsgrundlage für die Festsetzung der LKW-Maut-Höhe rückwirkend ändern. Das geht aus einem Antrag der Fraktionen von CDU/CSU und FDP hervor, der sich auf einen Gesetzentwurf zur geplanten Änderung des Bundesfernstraßenmautgesetzes bezieht.Laut diesem Änderungsantrag sollen alle in der Vergangenheit durch die Mauthöheverordnung festgesetzten Mautsätze nachträglich gesetzlich bestätigt werden. Die Legitimierung durch das Bundesfernstraßenmautgesetz solle rechtliche Unklarheiten beseitigen, die sich aus der Klage des oben genannten Yachtentransporteurs und dem daraufhin ergangenen Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) von Nordrhein-Westfalen vom vergangenen Oktober ergeben haben. Dies sagte eine Sprecherin des Bundesverkehrsministeriums. Künftig muss man in Karlsruhe klagen Bislang ist die Regierung zwar ermächtigt, die Mauthöhe durch eine Rechtsverordnung festzusetzen. Seit dem Inkrafttreten des Bundesfernstraßenmautgesetzes am 19. Juli 2011 ist die Mauthöhe aber per Gesetz geregelt. Aus Gründen der Rechtssicherheit „soll die bereits begonnene Entwicklung als Dauerregelung etabliert und die bisherige Ermächtigung ersatzlos gestrichen werden“, argumentieren CDU/CSU und FDP. Struktur und Höhe der Mautsätze gegenüber den in den zwischen 2005 und 2011 in den Mauthöheverordnungen festgesetzten Mautsätzen blieben dadurch unverändert, heißt es in der Begründung des Änderungsantrags. Auch an der bisherigen Differenzierung der Mautsätze nach zwei Achsklassen solle sich nichts ändern. Durch die neue Regelung wird die Festsetzung der Mauthöhe allerdings auf eine höhere juristische Ebene gestellt. Weil sie künftig nicht mehr in einer Rechtsverordnung, sondern in einem Gesetz verankert sein soll, wird es schwieriger, sie infrage zu stellen oder sogar zu kippen. Wer dies künftig beabsichtigt, muss wohl vor das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gehen. Die Neuregelung hat auch Auswirkung auf weitere beim zuständigen Verwaltungsgericht in Köln anhängige Klagen gegen die bis Juli 2011 geltenden Mauthöheverordnungen. Forderungen werden gegenstandslos Im Fall von Obst hatte das OVG in Münster die im Jahr 2005 maßgebliche Verordnung zur Festsetzung der Mauthöhe für unwirksam erklärt, weil die Achsklasseneinteilung damals den Anforderungen der Ermächtigungsgrundlage im Autobahnmautgesetz nicht genügte. Die je Kilometer zu zahlende Maut sei nicht sachgerecht geregelt gewesen, hieß es. Mit der geplanten Änderung des Bundesfernstraßenmautgesetzes entfiele der Grundsatz der Sachgerechtigkeit und somit auch der Anknüpfungspunkt für andere Maut-Kläger, die auf eine Bestätigung des OVG-Urteils durch das Bundesverwaltungsgericht warten (siehe Kasten). Maßstab für die gerechte Gebührenerhebung wäre dann allein die Verfassung. Und damit zerbräche auch die Hoffnung der über 6000 Unternehmer, die beim Bundesamt für Güterverkehr (BAG) Anträge auf Erstattung möglicherweise zu Unrecht erhobener Maut gestellt haben. Die eingereichten Klageforderungen belaufen sich nach überschlägigen Hochrechnungen des BAG auf bis zu 1,75 Milliarden Euro. Zwar gibt es in Deutschland ein Rückwirkungsverbot. Laut dem Bundesverkehrsministerium ist es in diesem Fall aber legitim, rückwirkend staatliche Normen oder Verfahren zu ändern, weil an vergangenes Handeln keine andere Folge geknüpft wird. Inhaltlich ändere sich nichts am Bundesfernstraßenmautgesetz, sagte die Sprecherin. Zum Beispiel würden Transportunternehmer nicht stärker belastet als bisher. Die Regierung sichert sich rechtlich ab Grund für die Änderung des Bundesfernstraßenmautgesetzes ist die Richtlinie 2011/76/EU des Europäischen Parlaments und des Rates. Sie dient zur Änderung der Richtlinie 1999/62/EG und erlaubt es den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU), eine zusätzliche Gebühr zur Deckung der Kosten von Schadstoff- und Lärmemissionen zu erheben. Deutschland muss diese EU-Richtlinie spätestens bis Oktober umsetzen (siehe Fahrplan). Die Bundesregierung will externe Kosten für Luftverschmutzung oder Lärm allerdings nicht bei der Berechnung der neuen Sätze für die LKW-Maut berücksichtigen. Deshalb seien auch keine neuen Gesetze oder Verordnungen erforderlich, so das verantwortliche Bundesverkehrsministerium. Bestehende Gesetze oder Verordnungen müssten nicht dergestalt geändert werden, dass sich deren Zielsetzung ändere. Einzig die bisherigen Verweise auf die EG-Richtlinie im Bundesfernstraßenmautgesetz müssten im Zuge der Änderungsrichtlinie 2011/76/EU angepasst werden. Bei dieser Gelegenheit hat das Ramsauer-Ressort im Änderungsentwurf die tatsächliche Erhebungspraxis der abschnittsweisen Berechnung und Rundung klargestellt (Auslöser war ebenfalls die Obst-Klage), einen neuen Absatz zum Einsatz optisch-elektronischer Einrichtungen bei Überwachungsaufgaben des BAG eingefügt und eine Vorschrift zur Bekanntgabe von Verwaltungsakten im Ausland ergänzt. ❙❚■ André Gieße Fahrplan des Gesetzes Änderung greift ab September Die schwarz-gelbe Koalition hatte dem Bundestag bereits im April dieses Jahres den Gesetzentwurf zur Änderung des Bundesfernstraßenmautgesetzes vorgelegt. Der Bundestag wird ihn voraussichtlich in seiner nächsten Sitzung am 16. Mai 2013 beschließen. Danach muss das Regelwerk am 7. Juni 2013 dem Bundesrat zur zweiten Lesung vorgelegt werden, es bedarf allerdings nicht der ausdrücklichen Zustimmung der Länderkammer. Inkrafttreten soll das Änderungsgesetz schon im September. agLKW-Maut-Klage Der Fall Obst und die Folgen Der 9. Senat des Oberverwaltungsgerichts (OVG) von Nordrhein-Westfalen verurteilte die Bundesrepublik Deutschland am 25. Oktober 2012, dem selbstfahrenden Transportunternehmer Günter Obst einen Mautbetrag von 22,41 Euro zu erstatten. Die knapp 23 Euro musste Obst wenige Monate nach der Einführung der LKW-Maut im Jahr 2005 für eine Strecke in Bayern zahlen. Yachtentransporteur Obst ging es vor Gericht vor allem um die Spreizung der Mautsätze nach der Achsenzahl der Fahrzeuge. Weil die Maut für LKW mit vier oder mehr Achsen kaum zwei Euro mehr ausmachte, erschien dem Kieler die Gebühr für die Fahrt mit seinem mit einem dreiachsigen Sattelzug ungerecht und er klagte den Betrag ein. Rechtsanwalt Dietmar Kettler begründete, sein Mandant habe die Kosten tragen müssen, die eigentlich größere LKW verursacht hätten. Der Unterschied zwischen den Mautklassen sei zu gering. Das sah auch das OVG so. Die Richter des 9. Senats waren der Auffassung, dass es an einer wirksamen Rechtsgrundlage für die Mauterhebung fehlte. Die Bundesregierung habe in der maßgeblichen Mauthöheverordnung die Höhe der für jeden gefahrenen Kilometer zu zahlenden LKW-Maut nicht sachgerecht geregelt. Eine Revision ließ das OVG nicht zu. Die Bundesregierung legte daraufhin Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht ein. Die Richter in Leipzig müssen nun abschließend klären, ob eine Revision doch zulässig ist oder ob das OVG-Urteil rechtskräftig wird. ag

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