Bericht aus Berlin

Bericht aus Berlin Steckdose statt Zapfsäule Die Bundesregierung ruft eine Initiative zur Förderung von Elektroautos ins Leben. Die Nutzfahrzeugindustrie bleibt ausgesperrt. Bundesregierung und Industrie haben den Schulterschluss zur Entwicklung des Elektroautos gesucht. Deutschland solle zum Marktführer für Elektromobilität werden, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung. Die Nutzfahrzeughersteller waren zu dem Treffen im Kanzleramt nicht geladen. Die Opposition sprach von einer Showveranstaltung. Regierungschefin Angela Merkel gefiel sich als Antreiberin. „Wer heute nicht die Elektromobilität entwickelt und zur Marktreife führt, der wird in wenigen Jahren hintendran sein“, sagte die promovierte Physikerin zu den Industrievertretern. Nach dem Willen der Regierung sollen 2020 rund eine Million Elektrofahrzeuge auf deutschen Straßen unterwegs sein. Zurzeit fahren in Deutschland knapp 1600 Elektroautos. Bei dem Treffen am vergangenen Montag wurde die „Nationale Plattform Elektromobilität“ ins Leben gerufen. Diese soll in sieben Arbeitsgruppen eine Strategie für die Entwicklung von Elektroautos hierzulande entwerfen. Hoffnungen auf weitere Fördermittel, etwa eine Kaufprämie für Elektroautos, erteilte die Regierung allerdings eine Absage. Die Leitung der Plattform soll der ehemalige SAP-Chef Henning Kagermann übernehmen. Die Industrie erklärte sich unter anderem bereit, die Forschung in den Bereichen Elektromobilität und beim Ausbau einer Infrastruktur mit Ladestationen voranzutreiben. Im kommenden Herbst und im Frühjahr 2011 sollen jeweils Berichte über den aktuellen Entwicklungsstand informieren. In der Koalitionsfraktion FDP stieß die Zusammensetzung des Elektromobilitätsgipfels auf Kritik. Man dürfe sich nicht nur auf den Personenverkehr konzentrieren, „auch die Nutzfahrzeugindustrie muss intensiv eingebunden werden“, mahnte der FDP-Verkehrspolitiker Patrick Döring gegenüber der VerkehrsRundschau. Hier gebe es ein immenses Potenzial, etwa wenn man an die Zu- und Anlieferung für den Einzelhandel oder die Fahrzeugflotten von Post- und Paketdienstleistern denke. Nutzfahrzeuge unbeachtet Dementsprechend beklagte der Bundesverband Internationaler Express- und Kurierdienste (BIEK), dass dem Wirtschaftsverkehr nur ein „marginaler Platz“ eingeräumt worden sei. „Lieferfahrzeuge mit Elektroantrieb können wesentlich zur Verbesserung der Luftqualität in Innenstädten beitragen“, sagte BIEK-Präsident Gunnar Uldall. Die Automobilindustrie sei daher gefordert, Elektrofahrzeuge für den KEP-Einsatz zu entwickeln. Beim Münchner Nutzfahrzeug- und Motorenhersteller MAN ist mit Befremden registriert worden, dass kein Konzernvertreter zu dem Treffen eingeladen worden war; trotz intensiver Bemühungen des Verbandes der Deutschen Automobilindustrie (VDA). Die Begründung des Kanzleramts, „es gebe zu wenig Plätze“, wurde beim einzigen deutschen Hersteller von Nutzfahrzeugen mit völligem Unverständnis zur Kenntnis genommen. In einer Situation, in der die Nutzfahrzeugindustrie die schwerste Krise der Nachkriegszeit bewältigen müsse, werde dieser Sparte eine Nebenrolle zugewiesen, hieß es. Das Bundesverkehrsministerium wies den Vorwurf zurück, die Branche sei ausgegrenzt worden, ohne dies näher zu erläutern. Auch die Opposition und Umweltverbände übten Kritik an der Initiative der Regierung. SPD-Fraktionsvize Florian Pronold nannte den Gipfel eine Showveranstaltung, bei der die Interessen der Verbraucher unberücksichtigt blieben. Mit diesem Argument hatte auch der ADAC seine Teilnahme an dem Treffen abgesagt. „Wer von der Bundesregierung eine Strategie zur Elektromobilität erwartet hatte, wurde enttäuscht“, betonte der Grünen-Verkehrspolitiker Winfried Hermann. Es habe keine „zusätzlichen Forschungsmittel, keine Kaufprämie, keine Verpflichtung der deutschen Autoindustrie eine Million deutsche Elektroautos bis 2020 auf die Straße zu bringen“, gegeben. Ähnlich äußerten sich Umweltverbände. ❙❚■ Jörg Kürschner, VR-Korrespondent in Berlin Kanzlerin Angela Merkel freut sich über das hohe Interesse am Elektrogipfel