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Beratung im Bundestag: Warum die Reform des Klimaschutzgesetzes umstritten ist

22.09.2023 14:55 Uhr | Lesezeit: 3 min
Zwei Lkw fahren auf einer mehrspurigen Straße, in einer Stadt. Im Vordergrund blühen bunte Blumen, in der Straßenmitte und am Rand vermittelt Baumbewuchs den Eindruck von viel Straßenbegleitgrün
Der Verkehrssektor ist eines der Klima-Sorgenkinder. Die Einhaltung der Klimaziele könnte künftig nicht mehr rückwirkend nach den verschiedenen Sektoren kontrolliert werden, wenn es nach den Plänen der Bundesregierung geht.
© Foto: Jürgen Fälchle/stock.adobe.com

Umweltverbände laufen Sturm gegen eine geplante Reform der Bundesregierung im Klimaschutz. Warum das so ist und was genau geplant ist.

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Am Freitag, den 22. September hat der Bundestag erstmals über einen Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Klimaschutzgesetzes beraten. Danach geht es in die parlamentarischen Beratungen.

Es ist eine höchst umstrittene Reform. Die Ampel-Koalition will ein zentrales Gesetz im Klimaschutz ändern. Umweltverbände sind empört.

Was ist das Klimaschutzgesetz?

Mit dem Bundes-Klimaschutzgesetz wurden im Jahr 2019 die Klimaschutzziele in Deutschland erstmals verbindlich geregelt. Für einzelne Sektoren wie Industrie, Energiewirtschaft, Verkehr und Gebäude wurden bis 2030 zulässige Jahresemissionsmengen festgelegt.

Kernpunkt ist folgender Mechanismus: wenn Sektoren Vorgaben verfehlen, müssen die zuständigen Ressorts der Bundesregierung in Form von Sofortprogrammen nachsteuern - um die Einhaltung der Emissionsmengen sicherzustellen.

Im vergangenen Jahr überschritten die Sektoren Gebäude und Verkehr die gesetzlichen Zielwerte. Die Regierung legte ein generelles Klimaschutzprogramm vor, damit eine „Klimalücke“ beim Einsparen von Treibhausgasen kleiner wird - und sah damit die Pflicht zum Nachsteuern im Verkehr und bei Gebäuden als erfüllt an.

Was soll sich nun ändern?

Nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung soll die Einhaltung der Klimaziele nicht mehr rückwirkend nach den verschiedenen Sektoren kontrolliert werden. Stattdessen soll sie in die Zukunft gerichtet, mehrjährig und sektorübergreifend stattfinden.

Die Bundesregierung als Ganzes soll künftig entscheiden, in welchem Sektor und mit welchen Maßnahmen die zulässige CO2-Gesamtmenge bis 2030 erreicht werden soll. Allerdings erst, wenn es zwei Jahre in Folge zu einer Zielverfehlung kommt.

Vorgaben zur Emissionsminderung in den einzelnen konkreten Sektoren sollen damit abgeschafft werden. Hinsichtlich einer Überschreitung der Jahresemissionsgesamtmengen sollen künftig laut Gesetzentwurf Projektionsdaten zur Bewertung herangezogen werden, um eine „vorausschauende Betrachtung“ vorzunehmen.

Wie wird argumentiert?

Die Ressorts, in deren Zuständigkeit Klimaziele verfehlt werden, hätten weiter eine „politische Verantwortung“, sagte Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) im Juni bei der Vorlage der Pläne. Das bisherige Gesetz sehe auf dem Papier gut aus, habe in der Realität aber zu wenig bewirkt, sagte Habeck.

Vor allem die FDP drängte bereits während der Koalitionsverhandlungen 2021 auf eine Reform des Klimaschutzgesetzes. Die Grünen setzten im Gegenzug durch, dass der Kohleausstieg um acht Jahre auf 2030 vorgezogen werden soll. Die FDP stellt mit Volker Wissing den Verkehrsminister, der Verkehr ist eines der Klima-Sorgenkinder.

FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner sagte im Juni, die Ambition der Regierung bleibe hoch, aber die Umsetzung erfolge marktwirtschaftlicher. Künftig könne und solle Klimaschutz dort beschleunigt werden, wo die Effizienz am größten ist. „So können wir unrealistische Vorgaben in Sektoren wie Mobilität und Gebäuden, die zu drastischen Eingriffen in den Alltag der Menschen führen müssten, abwenden.“

Politiker von SPD und Grünen forderten am Freitag im Bundestag Nachbesserungen am Regierungsentwurf. Dabei geht es vor allem darum, was passiert, wenn zum Beispiel im Verkehrsbereich gesetzliche Vorgaben verfehlt werden. Die FDP verteidigte den Entwurf.

Olaf in der Beek, klimapolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, sagte bei der Debatte im Bundestag: „Die starren Sektorziele und die Pflicht zu teuren und aktionistischen Sofortprogrammen in den einzelnen Ressorts haben Klimaschutz nicht beflügelt, sondern eher ausgebremst.“ Emissionen würden künftig dort verringert, wo es die größten Einsparpotenziale zu den geringsten Kosten gebe.

Das letzte Wort ist aber noch lange nicht gesprochen. SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch sagte: „Wenn Ziele verfehlt werden, muss es einen Automatismus geben, der uns garantiert, dass die Ziele eingehalten werden.“ Das sei die Aufgabe der parlamentarischen Beratungen. Auch die Grünen-Klimapolitikerin Lisa Badum sprach von offenen Fragen. Es dürfe nicht passieren, dass Sektoren die Last anderer Sektoren mittragen müssten.

Warum steht die Reform in der Kritik?

Um Ziele im Verkehr einzuhalten, gibt es viele Vorschläge von Umweltverbänden: ein generelles Tempolimit auf deutschen Autobahnen, einen Abbau der steuerlichen Vorteile von Dienstwagen oder eine Umgestaltung der Pendlerpauschale - alles politisch sehr umstritten.

Die Bewegung Fridays for Future kritisierte, das Klimaschutzgesetz solle durch die de facto Abschaffung der Sektorziele um sein Herzstück beraubt werden. Greenpeace-Sprecher Thilo Maack sagte: „Deutschland hängt beim Klimaschutz nachweislich hinterher und dieses Klimaschutzgesetz will das Tempo weiter drosseln - das darf nicht passieren.“ Die Klimakrise sei zu gefährlich, um die nötigen Maßnahmen mit langwierigen Überprüfungen weiter auszusitzen.

Die Politische Geschäftsleiterin der Klima-Allianz Deutschland, Stefanie Langkamp, sagte, das Klimaschutzgesetz müsse gestärkt und nicht geschwächt werden. Ein Rechtsbruch jage den nächsten. Die Sektoren Verkehr und Gebäude hätten wiederholt Ziele gebrochen, ohne dass die Regierung ernsthaft nachgelegt habe. Das sei „absolut inakzeptabel“.

BUND-Energieexperte Oliver Powalla sagte, mit der geplanten Abschaffung der Sektorziele verliere das Klimaschutzgesetz seine bisherige Stärke. Eine Gesamtrechnung verschleiere den Handlungsdruck in den Sektoren.

Kritik kommt auch vom Bundesverband der Deutschen Industrie - aber mit einem anderen Fokus. Der stellvertretende Hauptgeschäftsführer Holger Lösch sagte, die Bundesregierung bestätige mit der Novelle des Gesetzes erneut die „sehr ehrgeizigen“ Klimaziele Deutschlands.

„Unklar bleibt jedoch weiterhin, wie diese Ziele erreicht werden sollen.“ Die hohen Energiekosten seien eine enorme Belastung für die Industrie. „Die Bundesregierung muss schnell abgestimmte Antworten finden, um die drohenden Verlagerungen von Investitionen und Produktion ins Ausland zu verhindern.“

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