Beeindruckend anders

Im neuen Linde Test- und Training-Center im hessischen Erlensee hat uns der Aschaffenburger Staplerbauer eine außergewöhnliche Roadster-Version für unseren Profitest zur Verfügung gestellt. Der Roadster ist die sichtoptimierte Variante der bewährten Elektrostapler-Baureihe E 20 bis E35. Unser Testgerät, ein E 30R Roadster mit drei Tonnen Tragkraft und Driplex-Hubmast, ist eine Special Edition mit vielen sicherheitsrelevanten Features. Auf den ersten Blick fällt uns sein knallrotes Outfit auf. Es hat Warnwestenfunktion - sehen und gesehen werden, dieser Leitspruch stand prominent im Pflichtenheft. Sicht und Sicherheit ziehen sich wie ein roter Faden durch das Roadster-Konzept. Die Sichtfeldoptimierung war möglich, weil sich die Linde-Ingenieure schon vor längerer Zeit an das Hebelgesetz erinnerten und die Neigezylinder des Hubmastes oben am Mastprofil angeschlagen haben. Die Kräfte werden nach hinten, über die Neigezylinder und die B-Säulen, in das Gegengewicht abgeleitet. In dieser Konstruktion lässt sich Panzerglas als Schutzdach integrieren, sodass auf die A-Säulen ganz verzichtet werden kann.Statt der A-Säule erleichtert nun ein Metallbogen am Cockpit den Einstieg. Über eine rutschsichere und gut einsehbare Trittstufe erreicht man den Fahrerplatz. Die verstellbare Einheit aus Armlehne und Sitz und die Doppelpedal-Steuerung ermöglichen schnelles, entspanntes Arbeiten. Der Sitz ist bequem, die Load- Control-Bedienelemente ergonomisch angeordnet. Heben und Neigen sind gleichzeitig möglich - sehr feinfühlig und ohne Totzeiten. Vermisst haben wir das abnehmbare Klemmbrett mit LED-Beleuchtung für Ladepapiere - leider nur optional erhältlich. Durch den Wegfall der A-Säule hat das Anzeigedisplay, wo der Fahrer etwa die Restlaufzeit der Batterie ablesen kann, seinen Platz im Cockpit gefunden.Beste SichtverhältnisseWer auf dem Roadster Platz nimmt, erlebt bislang nicht für möglich gehaltene Sichtverhältnisse - rechts und links des Hubmastes und nach oben. Bei ausgefahrenem Hubgerüst wird das besonders deutlich. Aufgrund des integrierten Seitenschiebers bieten sich zusätzliche Sichtfenster in Lastrichtung. Linde hat unserem Test-Stapler auch ein neues Schuhwerk verpasst. Der Roadster steht auf vier CS20-Reifen mit L-Profil. CS steht für Closed Shoulder und wurde gemeinsam mit Continental entwickelt. Im Testbetrieb überzeugt der Reifen durch einen sehr ruhigen Lauf mit guter Traktion. Auf dem glatten Hallenboden ist der Rollwiderstand besonders gering, was auch Einfluss auf den Energieverbrauch haben kann.Hinter den drei Buchstaben ION auf dem Chassis verbirgt sich ein weiteres Highlight. In einem Stahltrog mit 25 Millimetern Wandstärke geschützt, befindet sich eine 90 Volt und 24,1 kWh starke Lithium-Ionen-Batterie aus Linde-eigener Produktion. Der Betreiber profitiert vom wartungsfreien Betrieb. Geladen wird über einen Stecker im Heck. Rund um die neue Batterie treffen wir auf bewährte Staplertechnik, die wir bereits von anderen Linde-Geräten kennen. Allen voran die Kompaktachse als komplette Einheit mit zwei wartungsfreien Drehstromantriebsmotoren, Ölbadlamellenbremsen und integrierten Leistungsteilen der Staplersteuerung. Neben den beiden Fahrmotoren, die über eine Traktionskontrolle gesteuert sind, ist auch der Hubmotor in die Achse integriert. Das Aggregat wird über kurze Stromschienen statt der üblichen Kabel mit Energie versorgt. Achse und Hubmast sind über elastische Elemente vom Rahmen abgekoppelt und dämpfen Erschütterungen, was sich beim Fahren über Schwellen, auch dank des Komfortsitzes aus dem Hause Grammer, positiv bemerkbar macht. Das Pendant zur Antriebsachse ist eine spezielle Lenkachse im Heck, die die Vorteile einer Drehschemel- und Pendelachse vereint. Zweieinhalb Umdrehungen am Hydrostatik-Lenkrad genügen, und der Roadster dreht auf der Stelle. Der Drehpunkt liegt vorne zwischen den Antriebsrädern. Bei einer 360-Grad-Drehung zeichnet der Stapler im Test einen exakt geschlossenen Wendekreis von 3,95 Metern auf den Hallenboden. Trotz seiner Sprintqualitäten im Performance-Modus und seiner Wendigkeit überzeugt der Vierradstapler mit hoher Kurvenstabilität. Dafür sorgt die relativ hoch aufgehängte Lenkachse im Zusammenspiel mit dem elektronischen "Curve Assist", der die Fahrgeschwindigkeit kurvenabhängig regelt.Umfassendes SicherheitspaketZusätzlich unterstützt wird der Fahrer vom "Linde Safety Pilot". Das Assistenzsystem hilft, Kippunfälle zu vermeiden, indem es im Betrieb fortlaufend verschiedenste Fahrzeugparameter wie Hubhöhe, Lastschwerpunkt, Lastgewicht sowie Geschwindigkeit überwacht und in sicherheitskritischen Situationen regulierend eingreift. Durch ein Ampelsystem auf dem Farbdisplay wird bei Erreichen der Traglastgrenze optisch und akustisch gewarnt. Nicht zuletzt für unaufmerksame Fahrer ist die voreinstellbare Hubhöhe ein Segen. So manches Rolltor ließe sich dank Hubhöhenbegrenzung retten. Im Stromsparmodus gerät der Stapler erst gar nicht in kritische Fahrsituationen.Die Assistenzsysteme bremsen jedoch den Roadster messbar aus. Die Geschwindigkeitsreduzierung geht ganz klar zulasten der Umschlagsleistung. Auf allgemeine Zustimmung bei unseren Testfahrern stößt ein anderes Sicherheitsfeature. Der sogenannte Truckspot projiziert im Abstand von circa vier Metern ein großes rotes Warndreieck hinter dem Gabelstapler auf den Boden und signalisiert, dass ein Stapler entgegenkommt.Scheinwerfer suchen wir am Roadster vergebens. Stattdessen erleben wir eine wahre Lichtshow. Hubgerüst und Heck sind mit LED-Stripes ausgerüstet, die den Arbeitsbereich gleichmäßig und großflächig ausleuchten. In Fahrtrichtung strahlen die Lichtbänder weiß, optional wechselt die andere Seite auf Rot.Bei der Prävention setzen die Aschaffenburger noch einen drauf. Mithilfe des "Safety Guard" werden Gefahren entschärft, bevor es zu Personenunfällen und Sachschäden kommt. Eine "Truck Unit" warnt den Fahrer durch LED-Leuchten und akustische Signale, den Fußgänger warnt ein mitgeführter Sender ("Portable Unit") mittels Tonsignalen, LED-Leuchten und Vibration. Die Schutzzonen des "Safety Guard" lassen sich individuell für alle Gefahrensituationen bis auf zehn Zentimeter genau einrichten. Angezeigt werden Anzahl und Position der Personen im Gefahrbereich, sogar um die Ecke, durch Wände und Regale. Wir testen das System im echten Logistikumfeld. Wir lassen eine Person in den Gefahrenbereich des Roadsters eintreten. Sofort werden Staplerfahrer und Fußgänger gewarnt. Anschließend nimmt der Fahrer in einer langen Regalgasse Geschwindigkeit auf und bleibt auf dem Fahrpedal. Das Fahrzeug wird am Regalende durch das System kontrolliert gestoppt. Das System kommuniziert dabei mit stationären Modulen oder einem Zonen-Marker.Das Linde-Doppelpedal ist Standard. Optional wäre auch eine automobilkonforme Pedalanordnung mit Fahrtrichtungsschalter möglich. Unsere Testpiloten beherrschen den Umgang mit dem Doppelpedal, was sich auf dem Zeitkonto positiv bemerkbar macht. Der Zeitgewinn durch das schnelle Reversieren wird jedoch im Testzyklus durch eine relativ langsame Senkgeschwindigkeit beinahe wieder aufgebraucht. Hier sollte nachjustiert werden.Eine gute Figur macht der Roadster auf der Rampe. Die Fußpedale arbeiten exakt und sehr feinfühlig. Nach einem Stopp klettert der Stapler ohne Zurückrollen nach oben. Während der Testphase drücken wir den Not-Aus-Schalter. Die elektrische Bremse hält das Fahrzeug stabil.Fahrspaß wie im CabrioRoadster fahren ist wie Cabrio fahren - ein Riesenspaß, wenn der Fahrtwind um die Nase pfeift. Im Performance-Modus flitzt der Roadster um die engen Kurven unseres Testparcours. In seinem Element ist er beim Be- und Entladen von Containern. Hier hat er in puncto Ausleuchtung und Sicht im Wettbewerbsvergleich die Nase vorn. Wer auf Ausflüge ins Freie nicht verzichten will, kann einen optionalen Windschutz haben. Der passt aber weniger zum Roadster-Konzept. Da hat Linde andere Lösungen im Portfolio.Dass der Roadster auch Lkw be- und entladen kann, hat er auf unserem Testparcours eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Der Teststapler bewegt in einer Acht-Stunden-Schicht 976 Paletten - 107 (11,93 Prozent) mehr als im ECO-Modus. Dabei klettert der Energieverbrauch um 16,93 Prozent. Unsere Empfehlung für die Praxis wäre der Efficiency-Modus, er ist der Kompromiss aus Leistung und Energieverbrauch.Das Urteil der TestfahrerDieter (59) 36 Jahre Staplererfahrung, derzeit im Bereich Lebensmittel-Spedition"Der Truckspot gewährt mir mehr Rückenfreiheit. Fußgänger können durch die optische Fahrweg-Warneinrichtung frühzeitig reagieren. Unmissverständlich wird die Fahrtrichtung des Staplers angezeigt. Nur die Hupe sollte deutlicher markiert werden."Uwe (40) 19 Jahre Staplererfahrung, aktuell in der Baustoff-Industrie"Unter den Assistenzsystemen schätze ich den Safety Pilot. Besonders hilfreich ist die Wiegeund Last-Addier-Funktion. Durch das intuitive Ampelsystem erkenne ich auf einen Blick, ob das Lastenhandling noch sicher ist. Vermisst habe ich das obligatorische Klemmbrett. "Heinz (50) 25 Jahre Staplererfahrung, momentan in der Baustoff-Industrie"Ohne A-Säulen ist die Sicht auf die Palettenkanten außergewöhnlich gut. Mithilfe des Linde Safety Guard werden Gefahren entschärft, bevor es zu Personen- oder Sachschäden kommt. Negativ: Die Armlehne schränkt teilweise die Sicht auf das Display ein."

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