Hamburg/Berlin. Einen Tag vor der SPD-Entscheidung über die Teilprivatisierung der Deutschen Bahn steht das von der Parteiführung vertretene Modell weiter auf der Kippe. Noch immer gebe es große Skepsis oder auch Ablehnung zum Bahn-Börsengang, hieß es heute am Rande des SPD-Parteitages in Hamburg. SPD-Chef Kurt Beck appellierte eindringlich an die Delegierten um Unterstützung für den Vorstands-Antrag. Wegen der Sorgen über eine schlechtere Bahn-Versorgung in ländlichen Regionen hatten zuvor 11 Landesverbände gegen die Privatisierungspläne gestimmt. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) bekräftigte dies jetzt nochmals. Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und die Verbraucherlobby forderten, von dem Vorhaben des Börsengangs mit Volksaktien abzusehen. Der Kompromissvorschlag, den eine vom SPD-Vorstand bestellte Arbeitsgruppe vorgelegt hat, sieht vor, dass die DB mit mindestens 25,1 Prozent Volksaktien-Anteil an die Börse gebracht wird. Dabei soll durch die Ausgabe von Vorzugsaktien ohne Stimmrecht jeder Einfluss von Anlegern auf die Bahn-Politik abgewehrt werden. Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) geht das Modell zu weit, denn er befürchtet zu wenig Börsenkapital und damit eine weiterhin zu hohe Haftung des Bundes für die Bahn und das von ihr wirtschaftlich verwaltete Schienennetz. Nicht ausgeschlossen wurde von Experten, dass der Parteitag einen endgültigen Beschluss aufschieben könnte - zumal die Union jetzt verstärkte Bedenken gegen das Volksaktien-Modell geäußert hat. Ein parlamentarischer Abschluss der Gesetzesberatungen in Bundestag und Bundesrat kann ohnehin erst im Frühjahr vollzogen werden. Beck erklärte in seiner Parteitagsrede, die Bahn brauche für ihre Entwicklung zu einem europäischen Verkehrsunternehmen eine bessere Kapitalausstattung. Diese sei aus öffentlichen Mitteln allein nicht erreichbar. Der von der SPD vorgeschlagene Kompromiss garantiere auch, dass die Bahn weiterhin die Fläche bediene. Deshalb wäre er für die Unterstützung dieses Weges „herzlich dankbar“, sagte Beck. Der verkehrspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Uwe Beckmeyer, sagte: „Ich erwarte, dass sich Kurt Beck klar durchsetzen wird. Ich rechne mit einer deutlichen Mehrheit.“ Ein Aufschub der Entscheidung wie von Wowereit verlangt, wäre in der Sache falsch. „Der Regierende Oberbürgermeister muss sich auch fragen lassen, ob er im Interesse seiner Bürger handelt, wenn er so mit seinem größten Arbeitgeber Berlins - der Bahn – umgeht“. Wowereit hatte in der „Berliner Zeitung“ erklärt: „Ich sehe gar keinen Sinn in der Privatisierung.“ Es bestehe die Gefahr, dass das Streckennetz nicht aufrechterhalten werden könne. Vernünftig wäre ein Moratorium für das Projekt. DGB-Vorstandsmitglied Claus Matecki sagte in Berlin, die Ausgabe von Volksaktien sei nicht die Lösung für die Bahn, denn auch dann müssten die Renditeziele der Anleger erfüllt werden. Es sei zu befürchten, dass es „beim Ausverkauf öffentlichen Eigentums“ bleibe und das Netz am Ende doch endgültig in private Hände gehe. „Der bekannte Gesetzentwurf wird jetzt appetitlich garniert, aber er bleibt weiterhin unverdaulich“. Auch der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) forderte, den Börsengang „aufs Abstellgleis zu schicken“. „Statt ihn mit oder ohne Volksaktie durchzupeitschen, muss das Thema noch einmal von Grund auf neu aufgerollt werden“, empfahl vzbv-Chef Gerd Billen. Der Deutsche Landkreistag verlangte, dem Ausbau und Erhalt der Eisenbahn- Infrastruktur „Vorrang vor privaten Wirtschaftsinteressen zu geben“. Auch müsse der Bundeszuschuss von 2,5 Milliarden Euro für den Erhalt des bestehenden Netzes deutlich aufgestockt werden. (dpa)
Bahn-Börsengang auf der Kippe
Große Skepsis gegen den Bahn-Börsengang macht sich nicht nur innerhalb der SPD breit, auch der Deutsche Gewerkschaftsbund und die Verbraucherlobby warnen