Arbeiter und Dienstleister aus EU-Ausland bekommen Grenzen gesetzt

09.02.2006 08:47 Uhr

Die Brüsseler EU-Kommission stößt mit ihrem Wunsch nach mehr Freiheit für osteuropäische Arbeitnehmer und Dienstleister auf Widerstand. Deutschland und Österreich kündigten am Mittwoch an, Beschränkungen für Beschäftigte aus den zehn neuen EU-Staaten sollten noch jahrelang bestehen bleiben.

Brüssel. Zugleich einigten sich die beiden größten Fraktionen des Europa-Parlaments auf einen Kompromiss bei der umstrittenen Dienstleistungsrichtlinie. Auch dabei wurden weit reichende Liberalisierungspläne der EU-Kommission eingeschränkt. Die Bundesregierung bekräftigte in Berlin, erst im Jahr 2011 sollten die Osteuropäer freien Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt bekommen. Das Kabinett stellte sich mit dieser Erklärung gegen einen Bericht der Brüsseler EU-Kommission, der den Mitgliedstaaten eine Öffnung ihrer Arbeitsmärkte nahe legt. EU-Sozialkommissar Vladimir Spidla hatte erklärt, deutsche Arbeitnehmer bräuchten keine Angst vor Konkurrenz aus den neuen Mitgliedstaaten zu haben. Die bisher zugewanderten Arbeitnehmer hätten die Wirtschaft im Westen angekurbelt und niemandem die Arbeit weggenommen, meinte Spidla. Nach Angaben des Tschechen wanderten Osteuropäer nur begrenzt nach Westen und schlossen dort vor allem Lücken im Arbeitsmarkt: "700.000 Arbeitsplätze sind frei in Deutschland." Bundesarbeitsminister Franz Müntefering (SPD) widersprach dem EU-Kommissar. "Beim Wegfall der bestehenden Beschränkungen wäre mit einem weitaus höheren Andrang von Wanderarbeitnehmern vor allem im Niedriglohnsektor zu rechnen", erklärte Münteferings Ministerium. Für Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) kommt eine weitere Öffnung erst in Frage, wenn sich die Lage auf dem deutschen Arbeitsmarkt entspannt und die Wirtschaft in Europa erholt habe. Die EU-Staaten müssen bis Mai nach Brüssel melden, ob Bürger der zehn neuen Mitgliedsländern bei ihnen vorläufig nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen arbeiten dürfen. Das Bundesarbeitsministerium kündigte an, es werde eine Verlängerung der deutschen Übergangsregeln um drei Jahre melden. "Danach wird es eine weitere Verlängerung um zwei Jahre geben", stellte Berlin klar. Österreich will seine Übergangsregelungen zunächst um drei Jahre verlängern. Laut EU-Bericht verdoppelte sich der Anteil osteuropäischer Arbeitnehmer an der Erwerbsbevölkerung in den alten EU-Staaten nach der Erweiterung auf 0,4 Prozent im ersten Vierteljahr 2005. In Deutschland lag der Anteil mit 0,7 Prozent über dem EU-Durchschnitt. Die drei Länder ohne Beschränkungen - Großbritannien, Irland und Schweden - hätten hohes Wirtschaftswachstum, steigende Beschäftigung und sinkende Arbeitslosigkeit erlebt, hob Spidla hervor. Die Quoten in Schweden und Großbritannien lagen bei 0,2 und 0,4 Prozent. Im Europaparlament zeichnete sich unterdessen eine Mehrheit zur Entschärfung der Richtlinie ab, mit der Brüssel die Grenzen für Dienstleister abbauen will. "Nach langen Verhandlungen ist es gelungen, den Stein des Anstoßes - das Herkunftslandprinzip - aus der Richtlinie herauszunehmen", sagte die federführende Abgeordnete Evelyne Gebhardt (SPD) zur Einigung mit der EVP-Fraktion. Sie versprach eine Lösung, die "gleichzeitig die Öffnung der Märkte ermöglicht und dabei das europäische Sozialmodell garantiert". Der ursprüngliche Vorschlag der EU-Kommission sah vor, dass Dienstleister bei Arbeiten im EU-Ausland nur den Regeln ihres Heimatlandes unterworfen sind. Kritiker fürchteten wegen dieses Herkunftslandprinzips eine Aushöhlung der Lohn-, Sozial-, Sicherheits- und Umweltstandards durch Billiganbieter aus Osteuropa. In dem Kompromiss wurde der Begriff nun gestrichen. Stattdessen wurde die "Freiheit, Dienstleistungen zu erbringen", festgeschrieben.

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